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Luzern

Afrikanischer (Ball-)Zauber

Unser Landreporter erlebte in Marrokko ein Public Viewing der besonderen Art - und traf Fussballbegeisterte am Strand.
Ernesto Piazza, Landreporter

Ernesto Piazza, Landreporter

«Morgen ist Feiertag», eröffnete mir der Mann an der Rezeption freundlich lächelnd. Der Termin mit der örtlichen Reiseleitung musste warten. Für einen Moment kroch Ungeduld in mir hoch. Doch ich stellte fest: Mein Arbeitsmodus lief noch. Nach diesem Schlüsselerlebnis blieb mein Handy fortan im Zimmersafe. Schliesslich hatte ich mir vorgenommen, Ferien zu machen. Den Feiertag wollte ich auch nicht hinterfragen.

Als ich am nächsten Morgen im Hotel die riesige rote Ballonwand mit dem grünen Pentagramm sah, kam mir das gestrige Erlebnis aber nochmals in den Sinn. Wenig später war die Lobby bis auf den letzten Platz gefüllt. Ja, fast übervoll. Marokko bestritt gegen den Iran seine erste WM-Begegnung.

Einige Hundert Schwarze, Weisse, auch Frauen – mit Burka oder Kopftuch –, «Multikulti», fieberte vor der Grossleinwand mit. Für einmal genossen Nicht-Hotelgäste Zutritt. Die Sicherheitsleute hatten sich unauffällig in Position gebracht. Jede halbwegs gelungene Aktion der Marokkaner wurde frenetisch gefeiert. Umso bitterer dann das Ende: Trotz Chancenplus ging die Partie in der Nachspielzeit durch ein Eigentor verloren. Die Enttäuschung war riesig. Doch der Abzug der Fans verlief ruhig und gesittet. Es gebe in Marokko viele Religionen, erklärte mir ein Berber. Und es habe genug Platz für ein gemeinsames nebeneinander.

Welcher Beliebtheit sich der Fussball in Marokko erfreut, erlebte ich zwei Tage später erneut. Einheimische hatten am Strand viele kleine Fussballfelder im noch schlammigen Sand markiert. Das Wasser war kaum abgeebbt, wurde gespielt. Barfuss, laut gestikulierend, mit Eifer und Herz, leidenschaftlich Lebensfreude vermittelnd. Fast so, wie ihre grossen Vorbilder kurz zuvor. Darob vergass ich fast die Zeit. Denn ich wollte die positiven Emotionen mit einsaugen. Wie wohltuend.

Hinweis
Am Freitag äussern sich jeweils Gastkolumnisten und Redaktoren unserer Zeitung zu einem frei gewählten Thema.

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