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Ludwig Keisers Widmungswerk für einen verdienten Zürcher Naturforscher

Der Schweizer Botaniker Heinrich Zollinger ist Opfer seines Forscherdranges geworden. Ihm zu Ehren schuf der Zuger Bildhauer Ludwig Keiser ein Denkmal – gleich in doppelter Lebensgrösse.

Dieser Artikel ist Teil der Serie «Hingeschaut» .

Die Gedenkbüste von Heinrich Zollinger (1818–1859) im Alten Botanischen Garten in Zürich: ein Meisterwerk des Zuger Bildhauers Ludwig Keiser.
Bild: Bild: Andreas Faessler (Zürich, 26. 3. 2026)

Vom Zuger Bildhauer Ludwig Keiser (1816–1890) war im Rahmen dieser Serie bereits wiederholt zu lesen. Der Künstler galt in seinen frühen Schaffensjahren als einer der wichtigsten Schweizer Botschafter des süddeutschen Klassizismus. Keiser wurde mehrfach für repräsentative Aufträge herangezogen, denn ihm war als engstem Mitarbeiter des international bejubelten Bildhauers Michael Schwanthaler (1802–1848) schon lange ein entsprechender Ruf vorausgeeilt. Dies, obschon sich Keiser allmählich von der klassizistischen Formensprache hin zu derjenigen des Historismus bewegte.

Auf ein prominentes Zeugnis von Ludwig Keisers bildhauerischem Schaffen treffen wir am Südportal des Alten Botanischen Gartens in Zürich. Dort überschaut ein bärtiger Mann mit ernstem, aber entschlossenem Blick das üppige Grün des bei Ruhesuchenden beliebten Parks im Herzen der Limmatstadt. Die überlebensgrosse Marmorbüste ist auf einem hohen Sockel aus rotem Sandstein platziert und zeigt den bekannten Schweizer Botaniker Heinrich Zollinger – welcher als «Opfer seines Forscherdranges» in die Geschichte eingegangen ist.

Im März 1818 im zürcherischen Feuerthalen bei Schaffhausen geboren, strebte der naturbegeisterte Heinrich Zollinger eine Lehrerlaufbahn an. Während seines Studiums in Genf arbeitete er beim Botaniker Augustin-Pyramus de Candolle und dessen Sohn Alphonse. Nach einigen Stellenwechseln als Lehrer traf Zollinger 1841 in Genf wieder auf Alphonse de Candolle, der ihm offerierte, er solle nach Java reisen, um exotische Pflanzen zu sammeln. Zollinger – fest entschlossen, seinen Traum, Naturforscher zu werden, umzusetzen – sagte ohne zu zögern zu.

1842 trat er die Reise an. Trotz grosser Strapazen führte er seine Forschungen akribisch durch, sammelte Tausende von Pflanzen in den damals niederländischen Kolonien. In der Fremde entwickelte er ein grosses interdisziplinäres Interesse und setzte sich unter anderem mit Vulkanologie, Ethnologie und Linguistik auseinander. Zollinger gilt bis heute als erster Schweizer Vulkanologe und Ethnograf. Zudem war er der erste Mensch, welcher den Vulkan Tambora auf Sumbawa nach dessen grossem Ausbruch von 1815 zu besteigen wagte.

Von der Ruhr dahingerafft

Im Revolutionsjahr 1848 war Zollinger aus existenziellen Gründen gezwungen, in die Schweiz zurückzukehren. Seine Stelle als Seminardirektor in Küsnacht erfüllte ihn nicht – im Gegenteil: Das Fernweh liess Zollinger nicht los. Er harrte noch bis 1855 in seinem Heimatland aus, ehe er mit der gesamten Familie nach Ostjava zog, um dort eine Kokosplantage aufzubauen. Das schien gut zu gelingen, doch 1858 erkrankte Zollinger schwer an Ruhr und verstarb im Mai 1959 im Alter von nur 41 Jahren. Heinrich Zollinger hinterliess ein kostbares Schriftenwerk über seine Forschungsarbeit in der tropischen Ferne.

Im August von Zollingers Todesjahr formierte sich im Zürcher Oberland eine Gruppe, die eine Totenfeier plante und ein Widmungslied für den Verstorbenen schreiben liess. Und die Schulsynode entschloss sich 1859 an ihrer Versammlung im Zürcher Neumünster, Heinrich Zollinger ein Denkmal zu setzen. Die eigens dafür gebildete Kommission beauftragte Ludwig Keiser aus Zug – damals Professor in Zürich – mit der Ausführung der Marmorbüste; «entsprechend der Kraftnatur Zollingers in doppelter Lebensgrösse», wie es in einem Artikel der «Neuen Zürcher Zeitung» hiess.

Wohin mit Keisers Denkmal?

Blieb noch die Frage nach einem geeigneten Platz für Keisers Kunstwerk. Die Schulsynode sah eine passende Stelle im Botanischen Garten vor. Die zuständige Garten-Aufsichtskommission jedoch konnte sich nicht dafür erwärmen, zumal im Botanischen Garten bereits mehrere Denkmäler standen respektive geplant waren und man den Park damit nicht «überladen» wollte. Die Kommission hielt fest, dass Zollingers Verdienste aus Zürcher Sicht hauptsächlich in seiner schulischen Tätigkeit lagen und man doch einen Platz suchen solle an einem Ort seiner Lehrtätigkeit.

Seitlich ist die Büste signiert und datiert.
Bild: Bild: Andreas Faessler (Zürich, 26. 3. 2024)

Nachdem sich die Initianten im Rahmen eines zweiten Ersuchens um einen Standort im Botanischen Garten bereit erklärt hatten, bei einer allfälligen Umgestaltung des Parks eine Versetzung des Zollinger-Denkmals in Kauf zu nehmen und für eine solche aufzukommen, willigte die Gartenkommission im August 1861 schliesslich ein und wies Keisers Zollinger-Büste einen Platz zu. Im März 1862 wurde das Denkmal aufgestellt und am 31. August desselben Jahres ehrenvoll eingeweiht.

Im Herbst 1879 wurde das Denkmal auf Kosten der Schulsynode an seinen heutigen Platz beim Südeingang versetzt. Die eindrückliche Marmorbüste aus der Hand Ludwig Keisers trägt seitlich dessen Inschrift. Auf dem roten Sandsteinsockel ist zu lesen: Heinrich Zollinger, geb. 18. März 1818 in Feuerthalen, gest. 19. Mai 1859 in Kandangan Ost-Java, 1849–1855 Direktor des Lehrerseminars Küsnacht; seinen Verdiensten um die Volksschule und die Naturforschung; die Zürcher Schulsynode und seine Freunde 1862.

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