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Luzern

Kriens im Wandel: Von der «Linde» zum «Zentrum Pilatus»

Im Krienser Ortszentrum ist in den letzten Jahren fast kein Stein auf dem anderen geblieben. Nicht zum ersten Mal: Schon in den 1960er-Jahren mussten mehrere Bauten weichen – darunter ein Gasthaus, dem einige Krienser heute noch nachtrauern.
Der Dorfplatz mit Garten, Dorfbrunnen und dem Gasthaus zur Linde um 1960. (Bild: Archiv Museum im Bellpark, Kriens)
Heutige Aussicht vom Kirchhügel auf das Gebiet, das Zentrum Pilatus ist in der Bildmitte zu sehen. (Bild: Dominik Wunderli, Kriens, 16. August 2018)

Stefan Dähler

Stefan Dähler

Auch wenn die Krienser Verwaltung erst Anfang 2019 dort einzieht – seitdem vor einigen Wochen das Baugerüst vom neuen «Zentrum Pilatus» entfernt wurde, ist die grosse optische Veränderung, die das Krienser Zentrumsprojekt mit sich bringt, richtig sichtbar geworden. Es ist aber nicht das erste Mal, dass das Gebiet einen starken Wandel durchmacht. Vielen alteingesessenen Kriensern ist noch der Abbruch des Gasthauses Linde in Erinnerung, das bis 1969 dort stand, wo sich heute die Bushaltestelle in Richtung Obernau und eine Überbauung befinden. Noch heute trauern einige dem verloren gegangen sozialen Treffpunkt nach.

Eine Dorfbeiz existierte gemäss schriftlicher Quellen bereits seit dem 14. Jahrhundert. Die eigentliche «Linde» aber wurde wahrscheinlich in den Jahren um 1680 errichtet, wie der Broschüre «Das Gasthaus zur Linde» von Irene Schubiger zu entnehmen ist. Einst habe die Wirtschaft gar das Dorfgericht beherbergt. Ihr Name gehe auf einen Baum zurück, der sich früher dort befunden habe. Die Linde wurde danach mehrmals umgebaut. Die Fassade, wie sie sich vor dem Abriss präsentierte, geht vermutlich auf Arbeiten in den Jahren 1915 und 1918 zurück. Das Gebäude umfasste damals auch eine Scheune, ein Waschhaus, Wohnungen und eine Werkstatt.

Unter- und Oberschicht tranken getrennt

Es gab eine untere Wirtschaft, in der Fabrikarbeiter und andere Vertreter der sozialen Unterschicht verkehrten. In der Gaststube im ersten Stock dagegen hielten sich Politiker, Unternehmer oder Mitglieder von Vereinen, deren Stammlokal die «Linde» war, auf. Wobei praktisch nur Männer im Gasthaus einkehrten. Das Personal dagegen war mehrheitlich weiblich.

Das Ende der «Linde» zeichnete sich Anfang der 1960er-Jahre ab. Das Gasthaus gehörte damals dem Wirtepaar Anna und Josef Zust-Gärtner. Um bauliche Vorschriften einzuhalten, wären grössere Investitionen nötig gewesen. Allerdings hatte Anna zu dieser Zeit gesundheitliche Probleme. Zudem wollten die Kinder des Wirtepaars den Betrieb nicht weiterführen.

Innerhalb der damaligen Liberalen Partei gab es daher offenbar Diskussionen darüber, ob man sich für eine Unterschutzstellung der «Linde» einsetzen soll. Aktiv wurde man schliesslich nicht. Irene Schubiger vermutet, dass die «Affäre um das Schloss Schauensee» zu viel Aufmerksamkeit beanspruchte und das Gasthaus Linde dadurch in den Hintergrund rückte. 1963 entschied das Krienser Stimmvolk, das «Schlössli» zu kaufen, um dessen Abriss zu verhindern. Bei der «Linde» ging es anders aus: 1967 verkaufte die Familie Zust das Gebäude an ein Konsortium aus dem Bauunternehmen Wüest und dem Gipsergeschäft Zamboni. Die Beiz wurde vor dem Abriss im Oktober 1969 noch zwei Jahre verpachtet.

Mehr Parkplätze, breitere Strassen

Der Abriss der «Linde» war nur eine von mehreren baulichen Massnahmen, die den Charakter des Dorfzentrums in den 1960er-Jahren stark veränderten. Anders als heute hatten die Behörden damals übrigens das Ziel, mehr Fläche für den Autoverkehr zu gewinnen. So wurde 1961 das Krämerhaus abgebrochen und in einen Parkplatz umgewandelt. Die Gemeinde hatte die Eigentümer, die dort eigentlich ein Geschäftshaus errichten wollten, zu diesem Zweck gar enteignet. Am Dorfplatz, Kirchrainweg und an der Luzernerstrasse wurden weitere Häuser abgerissen. Auch der Dorfbrunnen auf dem Dorfplatz musste 1964 einer Strassenverbreiterung weichen. Der Brunnen ist aber nicht verschwunden, er wurde 1972 vor dem Bellpark wieder aufgestellt.

Die «Linde» dagegen ist verschwunden. Ende 2015 wurde die nach ihr benannte Bushaltestelle auf Antrag der Gemeinde in «Zentrum Pilatus» umbenannt, wie es bei den VBL auf Anfrage heisst. Ganz in Vergessenheit gerät die «Linde» aber noch nicht. So entsteht hinter dem Gemeindehaus das Projekt «Lindenpark» mit Alterswohnungen und Pflegeplätzen. Ausserdem gibt es auf dem Dorfplatz – im Lokal des ehemaligen «Dany’s» – noch das «Linden Grill House». Hinweis Irene Schubiger: «Das Gasthaus zur Linde – ein Dorf und sein Platz», herausgegeben vom Gönnerverein des Museums im Bellpark Kriens, 1995

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