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Uri

Jetzt nimmt der Geschäftsführer der Alpen-Initiative Stellung zur Axen-Beschwerde: «Kantone sollen von Maximalforderung abrücken»

Django Betschart, stellvertretender Geschäftsführer der Alpen-Initiative, glaubt an ein gütliches Ende beim Streit um den Axen. Im Interview sagt er aber auch, dass die Forderungen seiner Initiative rechtsmässig sind.
Noch sind Beschwerden gegen das Projekt Neue Axenstrasse hängig. (Bild: Archiv Urner Zeitung)

Andreas Seeholzer

Kennen Sie die Argumente der Sisiger und Brunner Bevölkerung, die sich die Neue Axenstrasse herbeisehnen?Django Betschart: Natürlich. Als Teil dieser Bevölkerung ist auch mir mehr Sicherheit am Axen und eine Entlastung vom Transitverkehr eine Herzensangelegenheit. Jeder, der im Talkessel Schwyz oder generell an der Nord-Süd-Achse zwischen grossen europäischen Wirtschaftszentren einen Schritt in die Höhe macht, hört das ständige Grundrauschen des Transitverkehrs. Die Umweltorganisationen machen sich seit Jahrzehnten für eine Umfahrung von Sisikon stark. Das wurde aber nie gehört. Man will auf Biegen und Brechen ein Grossprojekt realisieren.Es wird von Zwängerei und Verzögerungstaktik der Umweltverbände gesprochen. Und egal was das Bundesverwaltungsgericht auch entscheide, der Fall werde weitergezogen. Was sagen Sie dazu?Umweltorganisationen können in Einsprachen und Beschwerden nur die Einhaltung von geltendem Recht einfordern. Das Uvek hat die Haupteinsprachepunkte der Umweltorganisationen aus unserer Sicht zu Unrecht abgewiesen. So wurde beispielsweise eine rechtsverletzende Aufklassierung der Strasse ohne Beschluss der Bundesversammlung vorgenommen. Dem Projekt fehlt die gemäss Bundesgericht in solchen Fällen notwendige demokratische Legitimation. Daher ist es legitim, dass wir diese Einwände gegen das Grossprojekt von einer unabhängigen Instanz beurteilen lassen möchten.Konkret?Besonders, da es sich um ein Projekt mit bedeutendem Ausmass für den internationalen Güterverkehr durch die Schweiz handelt. Von Letzterem hat die Lokalbevölkerung übrigens nicht viel ausser Lärm, weniger Verkehrssicherheit und schlechte Luft, die sich aufgrund der speziellen Topografie in unseren Tälern konzentrieren. Ich hoffe schwer, dass wir den Gang vor Bundesgericht vermeiden können, indem die Schwyzer und Urner Regierungen und die Umweltorganisationen diesen gordischen Knoten gemeinsam lösen.Die Bevölkerung und das Gewerbe werden durch Strassensperren am Gumpisch teils massiv eingeschränkt. Lässt Sie das kalt?Wir nehmen die Gefahrenlage und die Auswirkungen der Strassensperren auf die Bevölkerung und das Gewerbe sehr ernst und haben daher bereits im vergangenen Jahr Hand geboten für eine Sicherheitslösung am Problemhang Gumpisch, sofern das ohne Präjudiz für das übrige Projekt machbar ist. Das gilt nach wie vor. Nun gehen wir gar einen Schritt weiter. Wir sind bereit, auch über einen vorgezogenen Bau des Sisikoner Tunnels zu verhandeln, wenn eine alpenschutzkonforme Gesamtlösung gefunden werden kann.Würden Sie es der Brunner Bevölkerung nicht gönnen, dass der Verkehr bei einer Mosisperrung nicht mehr durchs Dorf umgeleitet werden muss?Die Grundproblematik bei diesem Projekt ist, dass mehr Kapazität schlussendlich auch mehr Verkehr mit sich bringt. Den Ausnahmefall der Mosisperrung anzunehmen, um eine Umfahrung der Umfahrung in den Berg zu bohren, empfinde ich als problematisch. In diesem Ausnahmefall bietet der Seelisbergtunnel eine genügend grosszügige Umfahrungsmöglichkeit für den Transitverkehr. Wir Brunner müssten dann kurzzeitig den lokalen Verkehr von und nach Uri und Schwyz schlucken. Das ist für die Brunner verkraftbar. Bei Mosisperrungen machen wir das auch jetzt schon.Das Schwyzer Stimmvolk hat sich 2016 mit über 60 Prozent klar für die Neue Axenstrasse ausgesprochen. Respektieren Sie diesen Volksentscheid?Das Schwyzer Stimmvolk hat Ja zum vorgeschlagenen Projekt gesagt, was ich respektiere. Wir sind jedoch überzeugt, dass das Projekt in dieser Form geltendem Recht widerspricht. Dies möchten wir vom Bundesverwaltungsgericht beurteilen lassen und nichts anderes. Auch demokratische Entscheide unterliegen der rechtsstaatlichen Kontrolle.Rechtlich ist es klar, der Weiterzug der Umweltverbände ans Bundesverwaltungsgericht ist ein legitimer Schritt. Dennoch: Das Uvek hat bereits festgehalten, dass es zu keiner Kapazitätserweiterung durch die beiden Strassen kommen wird. Warum gehen Sie davon aus, dass das Uvek die Situation falsch einschätzt?Mehr Strassen bedeuten immer mehr Verkehr. Die Axenstrasse darf nicht verdoppelt werden. Darum braucht es verbindliche Regelungen, wie viel Verkehr noch über die bisherige Strasse fahren darf und wie das Verkehrsmanagement künftig aussehen wird. Es gibt noch einen weiteren Aspekt. Der Bundesrat hat bei der Abstimmung zur zweiten Strassenröhre am Gotthard zwar hoch und heilig versprochen, dass diese nicht geöffnet werden soll. Auf dieses Versprechen können wir uns aber nicht verlassen. Wir müssen den Druck auf diese Verkehrsachse im Interesse der lokalen Bevölkerung bereits heute möglichst tief halten, indem wir auf den Zulaufstrecken nicht zusätzliche Kapazität schaffen.Die Umweltverbände haben sich für Verhandlungen bereiterklärt. Von ihrer Seite wird gefordert, den Gumpisch-Tunnel baulich vorzuziehen. Von der Bauherrschaft wird das als Illusion abgetan, da der ganze Bau zusammenhänge. Schliesslich müsste das ganze Projekt neu aufgegleist werden. Das geht nicht, heisst es. Was gibt es da noch zu verhandeln?Geht nicht, stimmt nicht. Der Sisikoner Tunnel mit der Galerie Gumpisch ist im Gesamtprojekt sogar eine eigene Etappe und sollte einst zuerst gebaut werden. Zu diesem Bau bieten wir Hand und möchten in Gesprächen mit den Regierungen der Kantone Uri und Schwyz herausfinden, zu welchen Konzessionen sie zu Gunsten der vom Transitverkehr geplagten Bevölkerung bereit sind. Auch im aktuellen Ausführungsprojekt ist vorgesehen, dass der Sisikoner Tunnel zuerst in Betrieb gehen soll. Ich betone es nochmals: Der Rechtsstreit kann bei einer alpenschutzkonformen Gesamtlösung gütlich beigelegt werden.Sie stellen sich als «verhandlungsbereit» in ein gutes Licht. Ist es nicht letztlich so, dass Sie es eben gerade nicht sind?Wir haben bereits bei der Einsprache die Einhaltung von geltendem Recht gefordert und sind damit auf kein Gehör gestossen. Nun, da wir eine Extrarunde drehen müssen, bieten wir an, dies auf dem schnelleren Verhandlungsweg zu tun anstatt auf dem langsamen Rechtsweg. Von der Rechtmässigkeit unserer Forderungen sind wir überzeugt.Nochmals konkret: Sie fordern, dass kein Morschachertunnel gebaut, die alte Axenstrasse in diesem Teil für den Langsamverkehr ausgebaut wird und es dabei zu keinen landschaftlichen Veränderungen kommen darf. Das ist die Quadratur des Kreises oder anders gesagt – schlicht nicht möglich. Was erwarten Sie da noch von der Bauherrschaft?Richtig ist, dass für uns auch der Morschachertunnel Verhandlungsgegenstand ist und dass es eine Gesamtlösung braucht, welche die bestehende Axenstrasse einbezieht. Die Sache ist sicher komplex, und eine gute Lösung liegt nicht einfach auf der Hand. In den Verhandlungen kann und soll ausgelotet werden, ob es einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss gibt. Wir haben gewichtige Schritte auf die Kantone zu gemacht, nun sollten sich auch die Kantone bewegen. Bis anhin war dies leider nicht der Fall. Die Kantone haben nun auch Bereitschaft signalisiert, konkrete Verhandlungen zu führen und damit hoffentlich den Rechtsstreit gütlich beizulegen. Konstruktive Verhandlungen können aber nicht in den Medien geführt werden. Deshalb äussern wir uns nicht näher zu deren Inhalten.Sie sagen: Die heutige Axenstrasse dürfe keinesfalls als vollwertige Ausweichstrasse geplant werden. Doch ist ja genau das gefordert, da bei einem schweren Unfall im Tunnel der Verkehr auf der alten Strasse geführt werden muss?Die bestehende Axenstrasse soll bei einem Tunnelunfall durchaus für den lokalen Verkehr von und nach Uri und Schwyz genutzt werden. Dem wirtschaftlichen und touristischen Transitverkehr auf der Nord-Süd-Achse ist zuzumuten, in einem solchen Ausnahmefall zur Entlastung der Urner und Schwyzer von Norden her via Rotkreuz– Luzern und von Süden her via Altdorf – Luzern auf den Seelisbergtunnel umgeleitet zu werden. Sogar das Uvek hat in seinem Entscheid festgehalten, es sei fraglich, ob mit der Ausnahmesituation der Ausbau einer Strasse begründet werden kann.Was genau erwarten Sie?Ich erwarte, dass die Urner und Schwyzer Regierungen mit einem ehrlichen Interesse an einer konstruktiven Lösung in Verhandlungen treten – wie wir auch. Die Kantone wollten mit dem vorgeschlagenen Projekt den Fünfer und das Weggli für den Lastwagen- und Autoverkehr, also zwei neue Tunnels im Berg und zusätzlich auf der bestehenden Axenstrasse möglichst die jetzige Kapazität erhalten. Zum Schutz der lokalen Bevölkerung müssen sie von dieser einseitigen, aus der Zeit gefallenen Maximalforderung abrücken.
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