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Luzern

Immer mehr Luzerner Kinder erhalten Privatunterricht: Schülerzahlen könnten Höchststand von 2015 erreichen

Die Coronakrise hat Luzerner Privatinstitutionen die Akquise neuer Lernenden erschwert. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die nicht mehr die öffentliche Schule besuchen, dürfte dennoch zunehmen – aus mehreren Gründen.
Jana Mumenthaler ist Lehrerin und Schulleiterin der Rigischule in Personalunion. (Bild: PD)

Evelyne Fischer

  • Auf Grund der Coronakrise fielen Infoanlässe und Schnuppertage an Luzerner Privatschulen weg, einzelne Eltern plagten Geldsorgen. Die Folge: Nicht alle Plätze konnten wie geplant belegt werden.
  • Die Zahl der Schüler an Privatschulen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen – ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht.
  • Auf Grund der Erfahrungen aus der Zeit des Fernunterrichts dürften sich zudem künftig noch mehr Familien für Homeschooling entscheiden.

Ein Freiluft-Schulzimmer, ein Kompost-WC und ein Pausenplatz mit Panoramablick: Für die vier Kinder der Rigischule naht das Ende eines speziellen Schuljahrs. Mit der Eröffnung der Privatschule im letzten August sind seit 2000 erstmals wieder drei Mädchen und ein Bub auf Rigi Kaltbad unterrichtet worden. Damals schloss die dortige öffentliche Schule, mangels Kinder.

Jana Mumenthaler, Lehrerin und Schulleiterin in Personalunion, zieht eine positive Bilanz: «Wir konnten den Unterricht beinahe immer draussen durchführen, nur bei zu grosser Kälte zogen wir uns in unsere Jurte zurück.» Dank der Kleingruppe habe sie stark auf die Interessen der Kinder eingehen können. «Sie machten grosse Lernfortschritte.» Gleichzeitig seien sie sozial stark gefordert: Auf Grund der eingeschränkten Auswahl an Spielkameraden gelte es, bei Konflikten länger auszuharren.

Bei den vier Kindern bleibt es vorerst. «Die Coronakrise machte uns einen Strich durch die Rechnung», sagt Mumenthaler. «Eine Infoveranstaltung musste abgesagt werden, Schulbesuche waren nicht möglich.» Die Finanzierung fürs nächste Jahr sei gesichert, allerdings reiche das für Rigikinder auf 500 Franken angesetzte Schulgeld pro Monat, ohne Essen, nicht aus. «Wir werden unter anderem Benefizanlässe durchführen», so Mumenthaler. Besser stünden die Vorzeichen fürs Schuljahr 2021/22: Man habe bereits die Zusagen für zwei bis drei zusätzliche Kinder.

Neuer Privatschule in Pfaffnau mangelt es an Anmeldungen

Ebenfalls ein harziger Start steht der Gesamtschule am Bach bevor, der neuen Institution in Pfaffnau mit 20 Plätzen. «Die Coronakrise hat sich auch auf unsere Privatschule nicht positiv ausgewirkt», sagt Co-Schulleiterin Edith Hartmann. Werbeaktionen? Infoanlässe? Alles undenkbar. «Wir haben zwar viele interessierte Eltern aus dem Wiggertal und dem Bezirk Zofingen. Definitive Zusagen stehen aber noch aus.» Das sei eine Enttäuschung.

«Wir hätten bis zum heutigen Zeitpunkt mit etwa fünf Anmeldungen gerechnet.»

Liegt es am Standort? Hartmann winkt ab. «Trotz der idyllischen und ruhigen Lage ist unsere Schule mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut erreichbar.» Die Nähe zur Natur sei von grossem Vorteil: «Im Gegensatz zu einer Privatschule in der Stadt können wir den Unterricht problemlos nach draussen verlegen und so am direkten Objekt lernen.»

Die Gesamtschule am Bach propagiert eine 4-Tage-Woche, im Lerntempo des jeweiligen Kindes, Noten gibt's erst ab der fünften Klasse. Das Schulgeld liegt bei 1650 Franken monatlich, samt Essen und Schulmaterial. Eigentlich wollten Edith Hartmann und Co-Schulleiterin Michaela Otz ihre Festanstellungen als Primarlehrerinnen in Reiden aufgeben. «Damit wir für das nächste Jahr noch zu einem gewissen Teil finanziell abgesichert sind, haben wir nun einzelne Stunden an der Volksschule behalten», sagt Hartmann. Auch der Vermieter komme ihnen entgegen. «Er verzichtet solange auf die Miete, bis die Schule starten kann.»

Kürzlich hat die Dienststelle Volksschulbildung Hartmann und Otz die Bewilligung für ihre Institution erteilt. Bislang gibt es im Kanton Luzern 16 bewilligte Privatschulen und -kindergärten für die obligatorische Schulzeit, davon sind 15 aktiv. Das Bildungs- und Kulturdepartement stellt eine erstmalige Bewilligung zur Führung einer Privatschule in der Regel auf vier Jahre befristet aus. «Zwei weitere Gesuche sind hängig, für die das nächste Schuljahr aber zu knapp werden dürfte, da auch Baufragen bei den Gemeinden offen sind», sagt Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung.

Freie Plätze in privater Luzerner Informatikklasse

Die Pandemie hat auch die Pläne der Zeit-Kind-Schule in Luzern mit insgesamt 65 Plätzen durchkreuzt. Infoanlässe und Schnuppertage fielen weg, einzelne Eltern plagten Geldsorgen. «Wir lancieren im August neu eine Fokusklasse Informatik, ein zweijähriges Angebot, das nach der ersten, zweiten oder dritten Sek besucht werden kann», sagt Schulleiter Armin Fähndrich. «Dafür stellten wir zusätzliche Lehrer ein und schafften die nötige Infrastruktur, ohne zu wissen, wie viele Anmeldungen wir haben würden.» Nun seien vier von zwölf Plätzen belegt, das Schulgeld beträgt 2015 Franken monatlich, hinzu kommt eine jährliche Infrastruktur- und Materialgebühr.

Auch auf der Primarstufe gab es erstmals seit Jahren freie Plätze. Das Schulgeld beläuft sich hier auf 1225 Franken monatlich, exklusiv Infrastruktur- und Materialgebühr. «Zum Glück zogen die Anfragen mit Start des Präsenzunterrichts wieder an», sagt Fähndrich. Nun hat sich der Aufnahmeprozess – Schnuppertage für die Kinder, zwei Gespräche mit den Eltern – in den Juni verlagert.

«Zusammen mit dem Semesterende warten herausfordernde Tage auf uns.»

Fähndrich, der auch die Interessengemeinschaft (IG) Luzerner Privatschulen präsidiert, die sechs Institutionen vertritt, blickt dem Schulstart dennoch optimistisch entgegen. Nach einigen Schliessungen von privaten Institutionen in den letzten Jahren – darunter die International School in Horw, das Golf Sport College in Oberkirch oder das Luzerner Mädchen-Institut Rhaetia – habe sich die Szene langsam wieder erholt, sagt Fähndrich und weiter:

«Ich bin guter Dinge, dass wir den ‹Peak› von 675 Lernenden im Jahr 2015 im kommenden Schuljahr erreichen.»

Dafür sprächen sowohl die neue Standorte wie auch die steigenden Schülerzahlen:

Insgesamt besuchen aktuell rund 40 600 Kinder und Jugendliche die öffentliche Volksschule im Kanton Luzern – der Anteil Privatschüler liegt bei 1,6 Prozent. Zum Vergleich: Im Kanton Zug werden 9,5 Prozent der Lernenden an Privatschulen unterrichtet, in Schwyz knapp 5,5 Prozent, im Kanton Obwalden knapp 2,2 Prozent. In den Kantonen Nidwalden und Uri gibt es keine Privatschule, welche die obligatorische Schulzeit abdecken.

Schüler mit Privatunterricht: Kanton rechnet mit Zunahme

Schwarz auf weiss liegt der Zahlenspiegel des nächsten Schuljahrs für Luzern erst im Spätherbst vor. Doch auch Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung, sagt: «Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Lernenden an Privatschulen weiter leicht steigt.» Das sei nicht als Misstrauensvotum gegenüber der öffentlichen Schule zu werten. «Es gibt immer einzelne Eltern, die mit gewissen Lehrern oder der öffentlichen Schule allgemein Mühe haben.»

Charles Vincent erwartet weiter, dass einige Familien ihre Kinder auf Grund der Erfahrungen aus der Zeit des Fernunterrichts auch in Zukunft selber beschulen wollen. «Etwa, indem sie sich mit anderen Eltern zusammenschliessen und eine Privatschule gründen oder auf Homeschooling setzen», sagt Vincent.

Derzeit seien 20 Gesuche für Homeschooling hängig (Artikel vom 22. Juni 2020). «Prozentual dürfte der Anteil Schüler, die zu Hause unterrichtet werden, daher stärker ansteigen als jener der Lernenden mit Unterricht in einer Privatschule.» Momentan sind dies 71.

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