notifications
Nidwalden

«Ich meinti»: Hüt chunt si hei – het sie gseit

«Ich meinti»-Kolumnistin Franziska Ledergerber erinnert sich aufgrund der diesjährigen Landratswahlen an ihre eigene Kandidatur vor 20 Jahren – und was diese bei ihrem Sohn auslöste.
Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil. (Bild: Nidwaldner Zeitung)

Franziska Ledergerber

«Wen wirst du wählen?», fragte vor genau zwanzig Jahren mein Jüngster die Kindergartenlehrerin vor den Landratswahlen. «Deine Mutter natürlich», erwiderte sie. «Die darfst du aber nicht wählen», sagte er ernst, während eine Träne über seine Wange kullerte. «Mein Lieber, ich stimme für deine Mutter, du etwa nicht, wenn du könntest?», fragte sie irritiert. «Nein, niemals!» war seine Antwort.

Diese Anekdote erzählte mir die Kindergartenlehrerin später einmal. Erst dadurch verstand ich, warum er mir kurz vor meinem Antritt in den Landrat offiziell seine Erlaubnis erteilte, gehen zu dürfen. Belustigt nahm ich sie an. Mir war damals nicht bewusst, wie lange er schon innerlich mit sich gerungen hatte. Wie gross seine Verlustangst war. Er hatte zu kämpfen mit der kindlichen Vorstellung, dass sich bei einer definitiven Bestätigung meiner Wahl alles in seinem Leben ändern würde, dass sich mit meinem Einzug in den Landrat automatisch einen Auszug aus der Familie vollziehen würde und ich ihm abhandenkäme.

Schnell merkte er jedoch, dass dem nicht so war. Alles kam gut und er hüpfte erleichtert zurück in seine kindliche Unbeschwertheit. Einmal allerdings gab es ein kurzes Intermezzo, als ich nach einer abendlichen Sitzung später nach Hause kam als vorgesehen. Mein Mann hatte eine CD von Endo Anaconda aufgelegt. Beim Lied «hüt chunnt sie hei» horchte er auf:

«hüt chunnt sie hei – het sie gseit, u wes nid längt, när chäm sie morn.
...sie chunt o morn nid hei, nei – statt dessi chunnt es telefon, dass sie itz glych nid würdi cho, sie gieng nonstop nach lissabon...»

Das war ein Rückschlag in seinem zart besaiteten Vertrauen in meine neue Tätigkeit und musste mit Geduld und Fingerspitzengefühl wieder hergestellt werden. «Sie gat doch nur uf Stans!»

Am 2. Februar ist der Songwriter und Stiller-Has-Sänger Endo Anaconda, alias Andreas Flückiger, gestorben. «Die Schweiz verliert mit ihm einen Musiker und Poeten der besonderen Art», bedauerte Bundesrat Alain Berset auf Facebook. «Seine gewaltige Bluesstimme hat uns oft der ‹Aare naa, dere schöne, schöne, Aare naa› begleitet». 2017 erhielt Endo Anaconda den Schweizer Musikpreis. Seine Texte sind mal humoristisch, mal melancholisch, immer hintersinnig. So legten wir die CD «Stelzen» wieder einmal auf. Leise summte ich die Melodien und eine Wehmut erfasste mich. Wie doch die Zeit verrinnt.

Doch Schluss mit der Melancholie, «früher war auch die Zukunft besser», spottete einst Karl Valentin. Die Gesamterneuerungswahlen stehen an. Was vor zwanzig Jahren als Nischenprodukt belächelt wurde, ist heute endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen: erneuerbare Energie, Nachhaltigkeit, Biodiversität, Reduktion der CO2-Belastung. Solches und mehr steht mittlerweile in jedem Parteiprogramm und auf jedem Firmenschild. Doch Etiketten allein bürgen noch lange nicht für deren Inhalt. Schon manch eine vielversprechende Weinflasche entpuppte sich nach dem Öffnen als ungeniessbarer Stinker.

Aber jetzt meldet sich der Frühling, ein frischer Duft breitet sich aus. Es blüht und grünt so grün!

Kommentare (0)