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Kolumne

«Ich meinti»: Hoch über den Wolken – plötzlich ist alles nichtig und klein

Kolumnist Herbert Huber über eine Flugreise mit ihren Vorzügen und Nachteilen.
Kolumnist Herbert Huber.
Bild: Bild: NZ

Muss man eigentlich fliegen? Nein, muss man nicht. Überhaupt nicht. Nur eben war seit eh und je das Fliegen, verbunden mit Fernweh, ein Traum der Menschen. Mit meiner Grösse von 1,86 Metern passe ich aber nur «huere knapp» in einen Economy-Class-Sitzplatz. Meine Knie stossen an den Vordersitz und der Seitenabstand ist so na ja, und wem gehört eigentlich die Armlehne? Die Businessclass wäre eine Alternative, aber auch eine Geldfrage. So versuche ich jeweils, einen Notausgang-Sitz oder einen Platz mit mehr Beinfreiheit zu ergattern. Meist sind diese ausverkauft, und neustens sind die «Alten» an den Notausgangplätzen nicht mehr erlaubt. Wegen der altersbedingten Reaktionsfähigkeit, sollte es brenzlig werden, heisst es.

Nun hocke ich halt in einer einem Embryo ähnelnden Stellung. Was ich ja mit meinem Zwillingsbruder in der Fruchtblase unserer Mutter neun Monate, genau weiss ich es nicht mehr, erfahren durfte. Platzmangel eben. So wartete ich sehnlichst auf den ersten Snack und Wasser. Meinen langen Scheichen im Gang deponiert, zog ich brav zurück, um nicht vom «Service-Chäreli» überrollt zu werden. Zur Begrüssung gab’s Knabberfischli und Edelweissli vom Kambly. Kaum kam das Wasser, ein Ruck und ein paar Fischli purzelten in den Becher – sah aus wie eine Bouillon mit Einlage. Aber nur fast.

In einem neuen, boxenartigen Geschirr mit Besteck aus Holz servierte man dann einen «chäferfüdlitrockenen» Cous-Cous-Salat … Der Wurstsalat auf dem Hinweg war eindeutig besser. Das saftige Schoggi-Brownie tröstete dann über die Trockenperiode hinweg und ein erfrischendes Bierchen aus dem Appenzell netzte wohltuend den Gaumen. Müdigkeit überfiel mich – ich begann zu träumen. Von Dädalus und Ikarus. Der Sage nach wurden die beiden von König Minos auf Kreta festgehalten. Der Luftweg war die einzige Möglichkeit, zu fliehen. Zuerst ging alles gut, Ikarus wurde übermütig und stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs seiner Flügel schmolz, die Federn lösten sich, und er stürzte ins Meer.

Achtung, angurten – ich erwachte! Über den Pyrenäen war ein Sturmtief angesagt. Es schüttelte gehörig, das Essen verteilte sich mässig im Magen mit Flatulenz-Drang. Nur das nicht bitte! Das leere Klapptischli diente zum Kopfdrauflegen und der rote «Italiener Senza Parole» verhalf mir zu einem weiteren leichten Schlaf. Am 17. Dezember 1903 ging ein Menschheitstraum in Erfüllung: Zwölf Sekunden für 37 Meter dauerte der erste Motorflug der Brüder Wright. Ich erwachte, unser Flug nach Teneriffa dauerte schon 4 Stunden.

Ich meinti: Es grenzt schon an ein Wunder: Piloten, Computer und Technik bringen es fertig, den stundenlang auf 10’000 Metern Höhe fliegenden Airbus A 30 pünktlich in Zürich zu landen. Mit Schweizer Charme an Bord («ämu» im Service). Ich hörte Reinhard Mey singen: «Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann würde alles, was uns gross und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.»

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