notifications
Kolumne

«Ich meinti»: Frühlingsgefühle

«Ich meinti»-Kolumnistin Ruth Koch über Kiwi-Konfitüre und eine gewisse Müdigkeit im Frühling.

Ob ich selber Konfitüre koche, wollte unlängst eine junge Kassiererin wissen, nachdem sie zwei Kilo Zucker sowie Gelierpulver über den Scanner gezogen hatte. «Wie macht man das?», fragte sie etwas ahnungslos, aber mit echtem Interesse. So gab ich der jungen Frau einen Crashkurs im Konfikochen, den man wirklich mehr Crash als Kurs nennen durfte, weil bereits eine weitere Kundin an der Kasse wartete. Zum Abschied meinte sie, dass auch ihre Grossmutter jeweils Konfitüre selbst eingekocht habe. Mit einem Lächeln verabschiedete ich mich.

Im Gartenjahr sind diese Wochen ganz speziell. Es ist ein Übergang von Altem zu Neuem. Die letzten Blattsalate aus dem Vorjahr kommen auf den Tisch. Andererseits spriesst der Nüsslisalat um die Wette, bevor er ab Mitte April zur Blüte auswächst. Nur noch wenige Randen und Sellerieknollen warten in den Lagerboxen auf den Verzehr. Hätten die Obstbäume letztes Jahr nicht ein Sabbatical eingelegt, lägen zudem ausgiebig Äpfel in den Harassen. Doch was bei uns jeweils in dieser Jahreszeit meist im Überfluss lagert, sind Kiwis, die im vergangenen Sommer und Herbst herangewachsen waren.

Ruth Koch-Niederberger, Kommunikationsfachfrau aus Kerns, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autorinnen und Autoren zu einem selbst gewählten Thema.
Bild: Bild: PD

Ja, wenn die wärmeren Temperaturen die Stubenhocker wieder ins Freie locken, ist bei uns Hochsaison für Kiwis. Sind sie nach der Ernte im November noch hart und ungeniessbar, reifen die ersten Früchte gegen Weihnachten im temperierten Keller nach. Ab Januar werden diese grünen Vitaminspenderinnen zuhauf gegessen, zu Desserts verarbeitet oder an andere Geniesser verschenkt. Mit den länger werdenden Tagen sind es dann plötzlich zu viele Kiwis, die die Reife erlangen. Und dann geht’s an die Arbeit. Die verbleibenden Früchte müssen zu Kiwi-Konfitüre verwertet werden.

So ist die Kiwi-Konfi bei uns eng mit Frühlingsgefühlen verbunden. Unter Frühlingsgefühlen kann man aber zu Recht verschiedenes verstehen. Sei es die Frühlingsmüdigkeit, die gern zitiert wird, wenn man es lieber gemütlicher angeht oder anstehende Arbeiten auf später verschieben möchte, oder die im schlimmsten Fall gar eine gewisse Antriebslosigkeit regiert. Ganz anders die euphorische Frühjahrsstimmung, die dem zunehmenden Sonnenlicht und dem Erwachen der Natur zu verdanken ist. Aber Achtung; die Frühlingseuphorie birgt Gefahren! Diese rauschhafte Hochstimmung verleitet zur Buchung einer Bergführerin zur Besteigung eines Viertausenders oder zur Planung einer Langstreckenwanderung. Weit öfter werden jedoch die alltäglichen Ziele etwas zu hoch gesteckt.

Noch schwanke ich mit meinen Frühlingsgefühlen zwischen Tatendrang und geniesserischer Gelassenheit. Aus diesem Grund warten die Konfizutaten samt Kiwis weiterhin auf deren Verwertung. Ich meinti, das darf so sein. Wie sagte einst Marc Twain, der trotz Schicksalsschlägen seinen Humor nicht verloren hatte: «Verschiebe nicht auf morgen, was genauso gut auf übermorgen verschoben werden kann.» Das zitierte «Übermorgen» kommt bestimmt auch bei mir. Wenn es so weit ist, soll die interessierte, junge Kassiererin ein Glas Eingemachtes erhalten.

Kommentare (0)