notifications
Luzern

Gold, Edelsteine, Holz, Textilien: Auch Luzerner «Multis» könnten in Fokus der Konzern-Initiative geraten

Viele Luzerner Unternehmen sind global tätig und könnten daher von der Konzernverantwortungsinitiative betroffen sein. Während einige auf Transparenz setzen, hüllen sich andere in Schweigen.
Diese Diamantenmine liegt nahe der botswanischen Stadt Jwaneng und ist eine der ergiebigsten der Welt. (Bild: Alamy)
Raphael Gübelin, CEO von Gübelin.
(Bild: Nadia Schärli, 29. Mai 2017)
Daniel Gemperle, Chief Operating Officer (COO) bei der Calida Group. (Bild: PD)

Niels Jost

Niels Jost

Niels Jost

Nein, viele Mitarbeiter seien hier in Luzern nicht tätig. Der Grossteil arbeite in Russland. Ohnehin sei man kein typischer Rohstoffhändler, da man sich auf Chemikalien spezialisiert habe. In Sachen Konzernverantwortungsinitiative könne man daher nicht weiterhelfen.

Wir befinden uns an der Werftestrasse 4 in Luzern. Im Industriequartier hinter dem Bahnhof ist wenig los; Menschen sind kaum zu sehen. Und doch wird im dritten Stock reger Handel betrieben: mit Kupfersulfat, Nickelsulfat, Blei oder Aktivkohle. Hier hat die Inmatrade AG ihren Hauptsitz. Eine Rohstoffhandelsgesellschaft mit Ablegern in Russland und China, tätig in 75 Ländern auf fünf Kontinenten.

Im Kanton Luzern sind nur wenige Firmen im Rohstoffhandel tätig – eine Branche, die wegen der Vorlage in den Fokus gerückt ist. Sie gilt laut Initiativtext als Hochrisikosektor. Heisst: Nicht nur multinationale Firmen mit Sitz in der Schweiz, sondern auch in diesem Bereich tätige KMU könnten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie im Ausland Umweltschäden begehen oder Menschenrechte verletzen.

Zertifikate sollen vor Ausbeutung schützen

Zum Hochrisikosektor zählt auch der Abbau und Handel von Diamanten und Gold. Jene Rohstoffe, die am Luzerner Schwanenplatz zumindest in Nicht-Coronazeiten zuhauf über die Theke gehen – fein säuberlich verarbeitet in Uhren oder Schmuck. Zwei der grössten Player haben ihren Sitz in der Kantonshauptstadt: Bucherer und Gübelin.

Beide Traditionsunternehmen betonen, man würde viel Wert auf die Herkunft der Materialien legen. Selber seien sie in der Förderung allerdings nicht tätig. Regina Schilcher, Marketingchefin bei Bucherer, sagt:

«Die Bucherer Gruppe kauft weder Edelsteine noch Gold direkt von Minen.»

Das 1888 gegründete Unternehmen mit weltweit 2400 Mitarbeitern arbeite seit Jahren mit denselben Lieferanten zusammen. Viele seien Mitglied des Responsible Jewellery Council und bestrebt, den Prinzipien der World Jewellery Confederation zu folgen, einer international anerkannten Handelsorganisation mit Sitz in Bern. Schilcher: «Alle unsere Diamanten werden unter Berücksichtigung der strengen Kimberley Richtlinien gehandelt und dies wird bei jeder Lieferung schriftlich festgehalten.» Diese Richtlinien sollen den Handel mit Blutdiamanten verunmöglichen.

Steine von der Mine bis zum Endkonsumenten nachverfolgen

Transparenz wird auch beim Branchenkonkurrenten grossgeschrieben, wie Raphael Gübelin betont. Der Präsident des 1854 gegründeten Uhren- und Schmuckhauses sagt:

«Wir haben bereits vor knapp 100 Jahren das gemmologische Labor gegründet, um mehr über Edelsteine zu erfahren.»

Bei einer gemmologischen Analyse kann das Herkunftsland eines Farbedelsteins festgestellt werden. Gübelin habe hierzu mit Provenance Proof eine Technologie entwickelt, die der ganzen Branche offenstehe. Eine unabhängige Tochterfirma könne damit Smaragde direkt in der Mine mit einem Nanolabel markieren – Informationen, die selbst nach dem Reinigen und Schleifen des Steines gelesen werden können. Auch dank Blockchain-Technologien könne man den ganzen Weg des Edelsteins fälschungssicher abbilden – von der Mine bis zum Endkonsumenten.

Zur Initiative halten sich die beiden Firmen allerdings bedeckt. Als Privatunternehmen nehme man keine Stellung zu politischen Themen.

Otto's gibt Herkunft der Textilien nicht preis

Dasselbe ist von den beiden Luzerner «Multis» zu hören, die in der Textilbranche tätig sind: Calida und Otto’s, beide mit Hauptsitz in Sursee. Beim Detailhändler versichert Direktionsassistentin Angela Schnyder, dass man sämtliche Lieferanten dazu anhalte, den Code of Conduct, also bestimmte Verhaltensregeln, einzuhalten. «Das ist eine Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit.» Woher das Unternehmen, welches schweizweit rund 2000 Mitarbeiter zählt, seine Textilien bezieht, gehöre zum Betriebsgeheimnis.

Transparenter gibt sich Calida. 2019 veröffentlichte das global tätige Unternehmen erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht über die gesamte Gruppe, die etwa 3000 Mitarbeiter zählt. Darin heisst es:

«Wir übernehmen als Gruppe die Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.»

Indem Calida seine Produkte in der Schweiz entwickle, stelle man «ab der ersten Stunde» hohe Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards sicher, ergänzt COO Daniel Gemperle auf Anfrage. Dazu beitragen würden «strenge und umfassende» Zertifizierungen. So ermögliche etwa das Label «Made in Green» eine Rückverfolgung der Lieferkette bis zu den Rohstoffen.

Vorwurf wegen Dumpinglöhnen und illegalem Holzschlag

Vor einem Jahr kritisierte die Schweizer NGO Public Eye das Surseer Unternehmen, weil es osteuropäischen Arbeitern keinen Existenzlohn zahle. Auch Otto’s wurde gerügt – genauso wie andere nationale Player. Calida-COO Gemperle sagt nun: «Wir sind in diesem Bereich permanent aktiv und evaluieren entsprechende Entwicklungen laufend.» So produziere man fast ausschliesslich über die eigenen Werke. «Langfristige Partnerschaften und regelmässige Besuche ermöglichen uns ein Maximum an Kontrolle und volle Transparenz.» Gemäss Gemperle herrscht in Osteuropa Vollbeschäftigung, sodass auch die Calida-Mitarbeiter «problemlos» anderswo arbeiten könnten. Die geringe Fluktuationsrate beweise aber, dass sie sich wohlfühlten.

Kritik musste sich 2018 auch die Luzerner Swiss Krono Group anhören lassen. Dies, weil der weltweit tätige Hersteller von Holzwerkstoffen mit FSC (Forest Stewardship Council) zusammenarbeitet. Der Vorwurf: Dieses Holzlabel unternehme nichts gegen illegalen Holzschlag in der Ukraine.

Swiss Krono: Besuche vor Ort als Qualitätssicherung

Swiss Krono liess daraufhin all seine Einkaufs- und Kontrollprozesse von unabhängiger Stelle untersuchen, wie Sprecherin Katja Hallbauer sagt. Das Ergebnis: Man habe keine rechtlichen Vorschriften verletzt und sich nicht des illegalen Holzschlags schuldig gemacht. Um sicherstellen zu können, dass man auch künftig kein illegal geschlagenes Holz kaufe, führe man unter anderem länder- und lieferantenspezifische Risikoanalysen sowie Hintergrund-Checks durch und mache Besichtigungen vor Ort, so Hallbauer.

Anders als die anderen «Multis» nimmt Swiss Krono auch zur Initiative Stellung. Diese verfolge zwar sympathische Ziele, sei aber «untauglich und gefährlich». Hallbauer befürchtet zusätzliche Bürokratie und mehr Klagen gegen Schweizer Unternehmen. Ob das die Stimmbevölkerung gleich sieht, zeigt sich am 29. November.

Kommentare (0)