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Uri

Gemeindepräsident von Seedorf hat das soziale Netzwerk im Fokus

Toni Stadelmann ist vor Jahren als Gegner eines Projekts des Gemeinderats aufgefallen. Dies war der Auslöser für eine politische Karriere, in deren Verlauf der CVP-Vertreter dereinst sogar Geschichte schreiben könnte.
Gemeindepräsident Toni Stadelmann vor dem Schloss A Pro, einem der Seedorfer Wahrzeichen. (Bild: Urs Hanhart, 7. Januar 2019)

Bruno Arnold

Im Jahr 2005 stiessen Toni Stadelmann und seine Frau Sybille, die beide im Urnerland aufgewachsen sind und damals in Schwyz wohnten, bei der Suche nach einem neuen Wohnort auf ein Objekt in Seedorf. «Das zum Verkauf ausgeschriebene Haus hat uns auf Anhieb begeistert», erinnert er sich. Auch das nur einen Katzensprung entfernte attraktive Naherholungsgebiet im Reussdelta, die Infrastrukturen der Gemeinde, das Umfeld für die noch nicht schulpflichtigen Kinder oder auch die Nähe zum Zentrum Altdorf hätten als weitere positive Kriterien für Seedorf gesprochen. «Wir haben den Entscheid noch nie bereut», betont Stadelmann heute. Und schon bald hätten er und seine Frau auch gespürt: «Die Seedorfer sind kontaktfreudig, offen, fortschrittlich und bereit, sich auch für Inputs von aussen zu öffnen.»

Seit dem 1. Januar 2019 ist Toni Stadelmann Gemeindepräsident – nach nur gerade fünf Jahren im Gemeinderat. Der rasante ratsinterne Aufstieg hatte auch damit zu tun, dass mit Christian Arnold (2013) und Werner Jauch (2017) gleich zwei Vizepräsidenten respektive designierte Gemeindepräsidenten aus beruflichen und privaten Gründen ein Amtsentlassungsgesuch gestellt haben.

CVP erkennt das Potenzial des «Oppositionellen»

Toni Stadelmanns gleichnamiger Vater war von 1988 bis 2000 Mitglied des Urner Regierungsrats. Der Name des Vaters als Verpflichtung? «Nein», sagt der Sohn. «Ich bin ohne politische Vorgeschichte eingestiegen.» Angefangen habe eigentlich alles mit dem Thema Parkplatzbewirtschaftung beim Gemeindehaus respektive bei den Schulanlagen in Seedorf. «Für mich war die damals präsentierte Variante nicht ausgereift», sagt er rückblickend. «Ich habe mich deshalb als Gast an einer Versammlung der CVP-Ortspartei gegen den Vorschlag des Gemeinderats gewehrt, blieb aber chancenlos», erinnert er sich.

Und trotzdem war Stadelmanns Engagement von Erfolg gekrönt: Das Potenzial des «Oppositionellen» wurde von den Parteimitgliedern erkannt. Die Anfrage zum Mitwirken im Gemeinderat liess nicht lange auf sich warten. «Ich habe nach kurzer Bedenkzeit zugesagt», erinnert sich Stadelmann. «Auch diesen Entscheid habe ich nie bereut», sagt er. «Weil man operativ unterwegs ist, kann man als Gemeinderat recht viel bewegen.»

Beitrag leisten zu funktionierendem Netzwerk

Sein Engagement für die Gemeinde begründet er aber auch mit einer Tendenz in der heutigen Gesellschaft, die ihm zuwiderläuft. «Ich möchte dem Trend der Reduktion unserer Gesellschaft auf Geldwerte entgegenwirken», sagt er. Stadelmann möchte so etwas wie einen Gegenpol zum Fixieren auf den Mammon setzen. «Es muss sich nicht alles, was man tut, monetär bezahlt machen», lautet seine Philosophie. «Wenn ich mit meinem Engagement einen Beitrag leisten kann, dass das soziale Netzwerk unserer Gesellschaft funktioniert, so stellt dies einen Gewinn anderer Art dar, dem wir heute aber leider zu wenig Beachtung schenken.»

Nicht zuletzt das soziale Netz der Gemeinschaft mache ein Dorf lebenswert. Dies widerspiegle sich etwa in attraktiven Vereinen oder in einer aktiven Dorfbevölkerung, zu der auch politisch engagierte Mitbürger zählten. «Entgegen dem allgemeinen Trend zum Abbau der Dorfgemeinschaft wollen wir in Seedorf die Rahmenbedingungen und Strukturen der Dorfgemeinschaft gezielt fördern. Dazu gehörten nicht zuletzt auch Investitionen in den Erhalt von Begegnungsmöglichkeiten wie Turnhallen, Dorfläden oder auch Restaurants.»

Artverwandtschaft mit dem Vater erkannt

Fehlende politische Vorgeschichte hin oder her. Stadelmann verschweigt nicht, dass die Zeit im elterlichen (Regierungsrats-)Zuhause Spuren hinterlassen hat. «Natürlich haben wir in unserer Familie politisiert, allerdings ohne konkrete Gedanken an eine eigene politische Karriere», so der CVP-Vertreter. «Und natürlich hatten mein Vater und ich nicht immer die gleiche Meinung», betont er. «Dadurch lernte ich aber zu argumentieren und Ansichten von Andersdenkenden zu akzeptieren», erklärt Stadelmann rückblickend. «Davon kann ich bei meiner heutigen politischen Arbeit profitieren.»

Und er sieht – mit der entsprechenden zeitlichen Distanz – auch eine gewisse Artverwandtschaft mit dem Vater. «Ich reagiere sehr oft ähnlich wie er damals», meint der zweifache Familienvater mit einem Schmunzeln. «Ich bin zwar ein guter, aber meistens auch ein sehr kritischer Zuhörer», charakterisiert sich der neue Gemeindepräsident selber. «Und ich bin gerne bereit, andere Meinungen zu akzeptieren und Kompromisse einzugehen, kann aber sehr wohl auch auf einer einmal gefassten eigenen Meinung beharren – obwohl ich weiss, dass ich mir mit meiner Art nicht nur Freunde schaffe.»

In Seedorf scheinen aber Stadelmanns kritischer und oft oppositioneller Geist, das zeitweilige Beharren auf eigenen Meinungen und das Festhalten an dann und wann vom Mainstream abweichenden Standpunkten offensichtlich nicht als Sturheit oder Besserwisserei verstanden zu werden. Im Gegenteil: Gesprächsbereitschaft, Geradlinigkeit, Konsequenz und der Wille, die Sache in den Vordergrund zu stellen, zahlen sich für ihn aus. Toni Stadelmann wurde im vergangenen September 272 der 276 in Betracht fallenden Stimmen zum neuen Gemeindepräsidenten gewählt.

Fusionsvertrag als wichtigstes Projekt

«Das motiviert mich für meine künftige Arbeit», freut er sich über das absolute Glanzresultat, «das mich selber am meisten überrascht hat». An Arbeit wird es Stadelmann und seiner Ratskollegin sowie den fünf -kollegen nicht fehlen. Im Herbst 2019 werden die Einwohner von Seedorf und Bauen über den Vertrag zur Fusion der beiden Gemeinden abstimmen. «Wir haben der Bevölkerung Gelegenheit gegeben, ihre Meinungen, Bedenken, Fragen und Anliegen zu äussern. Bis zur Abstimmung geht es nun darum, die Bevölkerung umfassend zu informieren respektive Antworten auf die brennendsten Fragen zu liefern.»

Ein Knackpunkt dürften die Finanzen sein. Seedorf und Bauen sollen vom Kanton für den Zusammenschluss – gemäss Antrag der Regierung an den Landrat – einmalig 450'000 Franken erhalten. Die beiden Gemeinden machen aber einen 70'000 Franken höheren Betrag geltend (wir berichteten). «Das ist weder ein Pseudobetrag noch eine Phantomzahl, die wir aus dem Hut gezaubert haben», betont Stadelmann. «Es wurden nur die effektiven Ausgaben aufgelistet.»

Er gibt zu bedenken, dass sich die verwaltungsexterne und -interne Projektarbeit aufgrund der Erstmaligkeit eines Gemeindefusionsprojekts in Uri aufwendiger gestalte. Der Projektkostenbeitrag des Kantons von 100'000 Franken für die bisher geleisteten Abklärungen sei bereits um rund 30 Prozent überschritten worden und müsse von den beiden Gemeinden anteilmässig getragen werden. «Ich appelliere an das Verantwortungsbewusstsein der Regierung und des Landrats», so Stadelmann. «Hier geht es um ein Urner Pilot- und Vorzeigeprojekt mit Signalwirkung.»

Wenn nötig wieder auf Oppositionskurs

Weitere grosse Aufgaben, die es in den kommenden Monaten zu erledigen respektive aufzugleisen gilt, sind die Sanierung des Schiessstands, die Altlastenuntersuchungen im Gebiet Sportplatz, die Sanierung der Mehrzweckhalle, der Bau des Kraftwerks Palanggenbach, die Hochwasserschutzmassnahmen am Palanggenbach inklusive Bau einer neuen Brücke zwischen Seedorf und Attinghausen im Auslaufbereich sowie die Veloverbindung Seedorf–Altdorf.

Dass er als erster Präsident in die Geschichte von zwei fusionierten Urner Gemeinden eingehen könnte, daran denkt Stadelmann nicht. «Wenn ich zu einer befriedigenden Lösung beitragen kann, habe ich mein Ziel erreicht.» Und dafür ist er sogar bereit, erneut auf Oppositionskurs zu gehen.

Die «Urner Zeitung» stellt in loser Folge die neuen Urner Gemeindepräsidenten vor. Bereits erschienen ist am 5. Januar ein Porträt von Renata Graf, Hospental.

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