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Luzern

Frauenanteil in Regierungsräten: Luzern ist arg im Hintertreffen

Auch in den nächsten vier Jahren wird im grössten Kanton der Zentralschweiz keine Frau mitregieren. Im Langzeitvergleich schneidet beim Frauenanteil in den Exekutiven nur Schwyz schlechter ab als Luzern. Woran liegt das? Vier Politikerinnen analysieren.
Fünf Männer, keine Frau: Der Luzerner Regierungsrat in seiner aktuellen Zusammensetzung. (Bild: Nadia Schärli (Luzern, 22. Oktober 2018))

Lukas Nussbaumer

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Der Sonntag des 3. Mai 1987 war ein historischer: Brigitte Mürner-Gilli wurde als erste Frau in eine Zentralschweizer Regierung gewählt. Und zwar in jene des Kantons Luzern. Die CVP-Politikerin gehörte dem damals siebenköpfigen Gremium bis Mitte 1999 an und leitete das Bildungsdepartement. Dann zog sich die frühere Lehrerin aus der Politik zurück.

Aber auch nach dem Ausscheiden der ersten Zentralschweizer Regierungsrätin waren die Frauen in der Luzerner Exekutive dabei: zwischen 1999 und 2003 mit Mürners Parteikollegin Margrit Fischer und ab dann – nach der Verkleinerung auf fünf Mitglieder – während zwölf Jahren mit Yvonne Schärli (SP, siehe Grafik).

Seit Schärlis Verzicht auf eine erneute Kandidatur im Jahr 2015 ist Luzern der einzige Zentralschweizer Kanton ohne Frau in der Regierung. Dabei wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach den Wahlen vom 31. März bleiben: Die Chancen der Grünen Korintha Bärtsch, der einzigen Kandidatin, sind klein.

Am meisten Regierungsfrauen stellte in der Zentralschweiz bisher die FDP, gefolgt von der CVP und der SP (siehe Tabelle). Ein Blick auf die sechs Zentralschweizer Kantone zeigt zudem: Nidwalden und Zug halten mit bisher je fünf Regierungsrätinnen die Spitzenposition, gefolgt von Obwalden (vier) sowie Uri und Luzern mit je drei. Nur Schwyz steht mit bisher erst zwei Frauen in der Regierung schlechter da als Luzern (siehe Artikelende).

Geschlecht ist wichtiger als Parteizugehörigkeit

Brigitte Mürner bedauert diesen Umstand sehr – «so sehr, dass ich mich entschlossen habe, Korintha Bärtsch von den Grünen als Regierungsratskandidatin zu unterstützen», sagt die 74-Jährige.

Die frühere CVP-Regierungsrätin aus Meggen sorgte bereits 2015 für Aufsehen, als sie SP-Kandidatin Felicitas Zopfi zur Wahl empfahl. Für die wegen ihrem massgeblichen Anteil am Aufbau der Universität Luzern auch als «Mutter der Uni» bezeichnete Mürner ist klar: «Eine ausgewogene Geschlechterverteilung in der Regierung ist viel bedeutsamer als die korrekte Abbildung der parteipolitischen Machtverhältnisse.» Dies deshalb, weil die Gebundenheit zu einer Partei in einer Exekutive einen geringeren Stellenwert habe als in einem Parlament.

Gesamtheit der Entscheide mit Frauen besser

Sie habe während ihrer Tätigkeit in der Regierung, in die sie damals «sehr gut aufgenommen» worden sei, denn auch immer wieder eine Kollegin vermisst. Um dieses Manko «einigermassen zu beheben», sei sie im Gespräch mit Frauen ausserhalb der Regierung gestanden. Frauen würden den Fokus eher auf gesellschaftliche und nachhaltige Themen richten und weniger auf technokratische oder strukturelle. «Das ist nicht einfach besser. Aber dass diese Fokussierung stärker einbezogen wird, macht die Gesamtheit der politischen Entscheidungen besser», sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern.

Als Beispiel dafür, wie Frauenanliegen in einer Regierung mit mehreren Frauen politisch einen Durchbruch erzielen können, führt Mürner den Entscheid des Bundesrats zum Atomausstieg an. Damals, also 2011, gehörten der Landesregierung vier Frauen an: Doris Leuthard (CVP), Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) sowie Micheline Calmy-Rey und Simonetta Sommaruga (beide SP). «Deshalb sollte das Ziel einer ausgewogenen Geschlechterverteilung unbedingt hochgehalten werden», fordert Mürner.

Gemischte Teams funktionieren besser

Yvonne Schärli, die bisher letzte Luzerner Regierungsrätin, kann diesen Satz unterschreiben. Dass die Frauen in der aktuellen Regierung fehlen, störe auch die Mehrheit der Bevölkerung. Die Erfahrung zeige: «Werden Frauen auf Listen gesetzt, die nicht ausschliesslich von Bisherigen besetzt sind, werden sie gewählt.»

Auch die Sozialdemokratin Schärli hätte sich während ihrer Zeit als Regierungsrätin «selbstverständlich eine zweite Frau gewünscht, egal aus welcher Partei». Denn Frauen würden anders sozialisiert und zumeist einen anderen beruflichen Hintergrund aufweisen. «Die Unterschiede im Denken und Handeln fliessen in ein Gremium ein. Das öffnet den Horizont und beeinflusst die Entscheide. Ausserdem ist bekannt, dass gemischte Teams besser funktionieren», sagt die 66-jährige Ebikonerin.

Sie selber habe in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf «einiges bewirken» und ihre Kollegen auf Themen wie Home-Office, Teilzeitarbeit, Frauen in Führungsfunktionen und Lohngleichheit sensibilisieren können. Der Entscheid, Dienststellenleiterin Barbara Ludwig eine Reduktion auf ein 80-Prozent-Pensum zu gewähren, sei denn auch nur anfänglich auf Skepsis gestossen.

Bürgerliche Parteien stärker in der Pflicht als die SP

Leistung bringen sollten auch die Parteien, verlangt Schärli – und zwar bei der Frauenförderung. «Es reicht nicht, sich ein Jahr vor den Wahlen Gedanken über eine Frauenkandidatur zu machen. Es braucht ein besonderes Engagement, etwa eine Person, die sich explizit darum kümmert.» Die SP habe dies während 24 Jahren sehr gut gemacht, deshalb stehe sie «deutlich weniger in der Pflicht als die bürgerlichen Parteien».

Im Moment, räumt Schärli ein, erfülle sie den eigenen Anspruch jedoch nicht. Die SP portiert bekanntlich sowohl für den Regierungs- als auch für den Ständerat einen Mann: Parteipräsident David Roth. Dennoch glaubt Schärli: «Neben der SP verfügen auch die anderen Parteien über Frauen, die das Anforderungsprofil einer Regierungsrätin erfüllen.»

CVP- und GLP-Frau glauben: In Parteien findet ein Wandel statt

Claudia Bernasconi und Claudia Huser Barmettler, die seit 2015 für die CVP und die GLP im Kantonsrat politisieren, teilen diese Einschätzung. Beide engagieren sich in der Gruppe «Frauen Luzern Politik», in der Frauen aus CVP, FDP, Grünen, GLP, SVP und SP bei den kommenden Parlamentswahlen für den Ausbau des Frauenanteils kämpfen.

So sagt Bernasconi, die neben ihrem Kantonratsmandat das Gemeindepräsidium von Greppen inne hat: «Die Parteien gehen nicht aktiv auf mögliche Kandidatinnen zu. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass ein Wandel stattfinden wird.» Deshalb glaubt die 57-Jährige auch an eine Frau in der Regierung, wenn bei den übernächsten Wahlen mit Paul Winiker (62, SVP), Guido Graf (60, CVP) und Marcel Schwerzmann (53, parteilos) wohl drei Männer auf eine erneute Kandidatur verzichten werden.

Zu wenige Vorbilder, Parteien mit überholter Vorstellung

Ebenfalls Optimismus verbreitet Claudia Huser. «Ich bin fest davon überzeugt, dass spätestens in der übernächsten Legislatur wieder mindestens eine Frau in der Regierung sein wird.» Die 37-jährige Unternehmerin führt die aktuelle Misere auf zwei Gründe zurück: Es gebe wenig Vorbilder, und in einigen Parteien herrsche die Ansicht vor, Frauen müssten sich selber in den Vordergrund rücken. «Frauen stellen oft sehr hohe Anforderungen an sich und denken, sie müssten schon bei der Kandidatur alles wissen. Diese Erwartungen müssen im Vorfeld gedämpft werden.»

Claudia Huser glaubt wie Claudia Bernasconi, unter den 32 Kantonsrätinnen gebe es genügend fähige Frauen für das Amt einer Regierungsrätin – ohne Namen zu nennen. Einig sind sich die Beiden auch, wenn sie sagen: Gemischte Teams arbeiten grundsätzlich besser. Und klar ist für GLP- und die CVP-Politikerin zudem: Langfristig soll der Frauenanteil bei 50 Prozent liegen. Weil es bis dahin noch ein weiter Weg sei, müsse das erste Ziel heissen: Die Parteien können den Bürgerinnen und Bürgern bei Wahlen auch mehrere Frauen vorschlagen.

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