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Fall Malters

Heute stehen die Polizeichefs vor Kantonsgericht

Der Suizid einer 65-jährigen Frau bei einem Polizeieinsatz vom März 2016 beschäftigt nun das Luzerner Kantonsgericht. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts Kriens, einem Freispruch für die Polizeikader, hat der Sohn der Verstorbenen Beschwerde eingelegt.
Vor knapp zweieinhalb Jahren hat in Malters während eines Polizeieinsatzes eine Frau zuerst ihre Katze und dann sich selbst gerichtet. (Bild: Pius Amrein, 9. März 2016)

Alexander von Däniken

Der Vorwurf war happig und ist es heute noch: fahrlässige Tötung. Er richtet sich an den Luzerner Polizeikommandanten Adi Achermann (54) und den Ende 2018 in den vorzeitigen Ruhestand tretenden Kripo-Chef Daniel Bussmann (59). Beide müssen sich für den «Fall Malters» verantworten, bei dem im März 2016 eine 65-jährige Frau während einer Hanf-Razzia Suizid begangen hat (siehe unten).

Das Bezirksgericht Kriens sprach die Polizeikader im Juni 2017 in erster Instanz frei. Weil der Sohn der Verstorbenen das Urteil angefochten hat, stehen Achermann und Bussmann nun erneut vor Gericht.

Update folgt...

Chronologie: Hanf-Razzia scheiterte an maroder Wohnungstür

Dienstag, 8. März 2016: Die Luzerner Polizei trifft in Malters ein, wo sie im Auftrag der Zürcher Kollegen eine Hausdurchsuchung durchführen soll. In der Wohnung wird eine Hanfanlage vermutet. Vor Ort treffen die Polizisten auf eine 65-jährige Frau. Sie ist die Mutter des mutmasslichen Betreibers der Hanfanlage. Sie ist bewaffnet, verweigert den Polizisten den Zutritt und droht, auf die Polizisten zu schiessen oder sich das Leben zu nehmen. Die Frau gibt auch einen Schuss ab; eine Verhandlungsgruppe nimmt mit ihr telefonischen Kontakt auf.

Mittwoch, 9. März 2016: Die Bemühungen, die Frau zum Aufgeben zu bewegen, bringen keinen Erfolg. Mehrfach droht sie, sich selbst etwas anzutun und von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, sollte gewaltsam in die Wohnung eingedrungen werden. Um 7.30 Uhr entscheidet sich die Einsatzleitung unter der Führung von Kripo-Chef Bussmann für eine Intervention. Die Frau soll mit Knallpetarden abgelenkt und von einem Hund überwältigt werden. Polizeikommandant Adi Achermann übernimmt explizit die Verantwortung. Um 12 Uhr erfolgt der Zugriff. Das Öffnen der Wohnungstür mit einer hydraulischen Presse läuft nicht nach Plan: Die Tür fällt darum zu früh auf. Das Ablenkungsfeuerwerk zündet zwar, und der Hund wird reingeschickt, doch zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Frau bereits im Badezimmer, richtet ihre Katze und dann sich selbst. Die Hanfanlage befindet sich in der oberen Etage der zweistöckigen Wohnung. Neben dem Revolver werden noch weitere Waffen gefunden. Zumindest der Revolver gehört dem Sohn.

Ende März 2016: Der Sohn der Verstorbenen zeigt die Einsatzleitung der Polizei an. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch. Wegen Interessenkonflikten wird der Fall der Aargauer Staatsanwaltschaft übergeben.

September 2016: Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) verordnet, dass Achermann und Bussmann bis zum Abschluss des Strafverfahrens keine heiklen Einsätze mehr leiten dürfen, wird diese Verfügung aber Ende Juni 2017 wieder aufheben.

10. Januar 2017: Der ausserordentlich eingesetzte Aargauer Staatsanwalt Christoph Rüedi zeigt Achermann und Bussmann wegen fahrlässiger Tötung an.

19. Juni 2017: Die Polizeikader stehen vor dem erstinstanzlichen Gericht, dem Bezirksgericht Kriens; die Verhandlung findet wegen des grossen Interesses im Kantonsgericht statt.

27. Juni 2017: Das Bezirksgericht spricht die Polizisten frei. Später reichen sowohl der Staatsanwalt wie auch der Sohn Berufung gegen das Urteil ein. (red)

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