notifications
Kanton Luzern

«Es ist ein Chaos, aber die Solidarität ist riesig»: Luzerner Vereine sind im Einsatz für die Erdbebenopfer in Marokko

Das Erdbeben in Marokko von vergangenem Wochenende hat Tausende von Opfern und grosse Verwüstung zur Folge. Zwei Vereine aus Luzern wollen nun die Betroffenen aus eigener Kraft unterstützen.
Hamid El Kinani ist Gründer des Vereins Luzern hilft Marokko.
Bild: Bild: Patrick Hürlimann (Luzern, 13. 9. 2023)

In der Nacht auf Samstag hat Hamid El Kinani nicht ein einziges Auge zugetan. Von seinen beiden Söhnen in Marrakesch kamen keinerlei Lebenszeichen, während ein Erdbeben in der Stärke von 6,8 Teile Marokkos erschütterte . Mehr als 2000 Menschen verloren darin ihr Leben, unzählige weitere Betroffene ihre Angehörigen oder ihr Zuhause.

Für den in Marokko geborenen Stadtluzerner blieb es glücklicherweise bei einer schlaflosen Nacht. El Kinanis Kinder sind mittlerweile wohlauf aus ihren Ferien in Marrakesch zurückgekehrt – und auch seine Angehörigen in Casablanca wurden vor Schäden verschont. «Meiner kleinen Familie geht es gut, aber die grosse Familie ist betroffen», sagt er.

Die Anteilnahme ist weltweit gross. Auch die Schweiz hat ein Hilfsangebot ausgerichtet, worauf die marokkanischen Behörden nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bis anhin aber noch nicht reagiert hat. Zudem hat die Glückskette einen Spendenaufruf gestartet . «Im Moment sind alle Augen nach Marokko gerichtet – aber wie sieht es in einigen Wochen aus?», fragt sich El Kinani.

Die Schäden in Marokko, im Bild Marrakesch, sind enorm. 
Bild: Bild: Mosa'ab Elshamy / AP

El Kinani will ein Dorf wiederaufbauen

Er entschied sich deshalb, selbst aktiv zu werden. Am Montag gründete er gemeinsam mit seiner Partnerin Lavinja Keller sowie seinen Freunden Ghafour Moundir und Hassan Hafideddine den Verein «Luzern hilft Marokko», am Donnerstag startet er eine Spendenkampagne. Konkret ist es sein Ziel, die Bewohnenden der kleinen Ortschaft Anerni nahe des Epizentrums beim Wiederaufbau zu unterstützen. Denn: «Der Winter kommt bald und er wird hart.»

Der Ort ist ihm emotional nahe. Hier wohnten die Eltern eines Freundes, die im Erdbeben verstorben sind. «Überall können wir nicht helfen, deshalb konzentrieren wir uns auf ein Dorf», sagt El Kinani. Er will deshalb in den nächsten Tagen nach Marokko reisen, um die Menschen kennenzulernen und sich einen Überblick zu verschaffen. Eine weitere Reise gemeinsam mit Beteiligten des Vereins will er antreten, sobald er genug Geld sammeln konnte.

Das Dorf Anerni in der Provinz Al Haouz liegt in Trümmern.
Bild: Bild: zvg

«Es hat die Ärmsten getroffen»

Die Freiwilligen des Hilfswerks «Support-Flow to Morocco» hingegen sind bereits vor Ort. «Wir versuchen, in Gebieten präsent zu sein, die bisher noch keine Hilfe erhalten haben», sagt die Gründerin Sarah Bischof. Der Fokus liege auf der Erstversorgung für jene, die ihr Zuhause verloren haben. «Es hat die Ärmsten getroffen», fügt sie an.

Das Team der Hochdorferin sei aktuell beispielsweise im Atlasgebirge ausserhalb von Marrakesch unterwegs, um die Einwohnenden mit Zelten auszustatten. Laut Bischof ein schwieriges Unterfangen, da die Strassen oft verschüttet sind. «Es ist ein Chaos, aber die Solidarität ist riesig», sagt sie und erzählt von zahlreichen Privatpersonen, die eigenhändig Esswaren verteilen und Sammelpunkte organisieren.

Während die lokalen Mitglieder des Vereins Ersthilfe leisten, leitet Bischof von Hochdorf aus eine Sammelaktion. «Zelte sind in Marokko absolute Mangelware, und nun wird es immer kälter.» Später wolle sie mit dem gesammelten Geld auch den Wiederaufbau der betroffenen Regionen unterstützen.

Im Einsatz in der Zweitheimat

Bischof hat «Support-Flow to Morocco» im Jahr 2021 gegründet. Sie wohnt seit acht Jahren sowohl in der Schweiz als auch in Marokko und kennt deshalb die Lebensrealität vor Ort: «Im Winter laufen die Menschen in den Bergen teilweise mit Sandalen im Schnee herum.»

Um Unterstützung zu bieten, habe sie bereits vor Jahren angefangen, in der Schweiz Kleidung zu sammeln und den Bedürftigen zu bringen. «Das Projekt ist mit der Zeit immer grösser geworden», erzählt sie: Mittlerweile werden ihre gesammelten Güter regelmässig mit Lastwägen und der Fähre nach Marokko transportiert.

Die Hochdorferin Sarah Bischof verteilt Gemüse an Bedürftige im Atlasgebirge. 
Bild: Bild: zvg

Bischof selbst will in wenigen Wochen zurück in ihre zweite Heimat, das sei schon vor dem Erdbeben so geplant gewesen. Sie hofft nun, dass auch Touristinnen und Touristen nicht abgeschreckt sind und Marokko nach wie vor bereisen. Viele Teile des Landes wurden nämlich vor Erdbebenschäden verschont – so auch etwa der Südwesten, wo Bischof mit ihrer Familie zu Hause ist. «Die Leute brauchen den Tourismus, und Marokko ist trotz allem ein sehr schönes Land.»

Für Geldspenden haben die beiden Vereine eine Crowdfunding-Kampagne gestartet: Luzern hilft Marokko: www.funders.ch/luzern-hilft-marokko
Support-Flow to Morocco: www.gofundme.com/f/nothilfe-fur-erdbebenopfer-in-marokko . Hilfsgüter wie Zelte, Matten und Schlafsäcke können zudem an folgende Adresse gebracht werden: Kleinwangenstrasse 20, Hochdorf (nach Voranmeldung via contact@support-flow.ch )

Kommentare (0)