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Campus Sursee

«Es gibt viel unausgeschöpftes Potenzial» – so sollen mehr Frauen für die Baubranche begeistert werden

Der Campus Sursee veranstaltet am 1. und 2. Februar einen Event namens «Wir bauen auf Frauen». Wir haben bei der Direktorin nachgefragt, wie sie die Situation der Frauen in der Baubranche einordnet.
Andrea Ming (50) ist seit 2021 Direktorin des Campus Sursee.
Bild: Bild: Patrick Hürlimann (Luzern, 31. 5. 2022)

Warum führt der Campus einen solchen Event durch?

Andrea Ming : Einerseits wegen des Fachkräftemangels in der Baubranche. Hier gibt es unausgeschöpftes Potenzial bei den Frauen. Andererseits ist der Anlass eine Massnahme unserer Strategie, grundsätzlich Frauen in der Baubranche zu fördern.

Die Frauenquote im Bauhauptgewerbe lag 2022 gemäss dem Schweizerischen Baumeisterverband bei etwa 10 Prozent. Wie beurteilen Sie diese Zahl?

Die Branche ist in ihrer Herkunft männerlastig. Daher ist die Zahl nachvollziehbar. Wichtig ist aber, dass sie noch zunimmt. Alle Unternehmen müssen weiter daran arbeiten und vor allem die Offenheit haben, Frauen anzustellen. Dies führt dann auch zu besseren Rahmenbedingungen und wirkt dem Arbeitskräftemangel generell entgegen.

Warum haben Frauen oftmals Berührungsängste mit handwerklichen Berufen?

Ich glaube, das Hauptproblem ist die Gesellschaft. Die Frauen sowie das Umfeld sorgen sich vielleicht, dass ein solcher Beruf zu hart sei. Ausserdem ist noch in vielen Köpfen der Gedanke verankert, dass ein Studium höher gewichtet wird als beispielsweise eine Lehre. Doch es gibt auch tolle Karrieremöglichkeiten in der Baubranche, etwa in Richtung Baumeister, wo auch viele organisatorische und unternehmerische Fähigkeiten gefragt sind. Schliesslich ist wichtig, dass die Frauen von sich aus motiviert sind, den Beruf auszuüben und sich aktiv sichtbar machen. Der Schweizerische und Zentralschweizerische Baumeisterverband arbeiten intensiv daran, den jungen Leuten die Baubranche näherzubringen.

Warum ist es überhaupt wichtig, mehr Frauen in der Baubranche zu haben – nebst dem Fachkräftemangel?

Ich finde Diversität in einem Unternehmen sehr wichtig. Für eine gute Arbeit braucht es verschiedene Persönlichkeiten und Kompetenzen. Frauen und Männer haben teilweise unterschiedliche Stärken, ergänzen sich somit sehr gut. Daher braucht es eine gute Mischung.

Am Event gibt es Vorträge zu verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Wie kann sich die Branche hier verbessern? Gemäss dem Baumeisterverband arbeiten nur 39 Prozent der Frauen Vollzeit.

Gerade in der Baubranche ist es schwer vorstellbar, dass jemand nicht in einem 100-Prozent-Pensum arbeitet. Da sind wir alle gefordert, offener zu werden. Ich bin überzeugt, dass Teilzeitmodelle die Hemmschwelle für Frauen senken würden. Ausserdem wollen auch immer mehr Männer flexiblere Arbeitszeiten.

Provokant gefragt: Warum halten am Event viele Männer Referate?

Provokant gesagt: Wir hätten eigentlich nur Männer einladen können. Denn diese besetzen die meisten Schlüsselpositionen in der Branche. Sie entscheiden, ob Frauen in den Beruf kommen. Uns war wichtig, die Entscheidungsträger zu erreichen.

Was macht spezifisch der Campus Sursee, um Frauen zu fördern?

Ich habe ein Gefäss geschaffen, in dem wir unsere Kaderfrauen in jedem Quartal zusammennehmen, um zu besprechen, wie wir uns weiterentwickeln können. Alle Kadermitarbeitenden des Campus Sursee besuchen einen Teil der Veranstaltung am Donnerstag, um sich aktiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Ausserdem planen wir einen Kaderworkshop, in dem wir eine Vertiefung vornehmen.

Sie sind seit 2021 die Direktorin des Campus Sursee. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einer solchen Position gemacht?

Ich war früher im Leistungssport und danach beim Migros-Genossenschaftsbund immer in einem Männerumfeld tätig. Ich weiss noch, dass mich mein Chef bei der Migros zweimal einladen musste, bis ich eine höhere Funktion im Unternehmen annahm, weil mir einfach das Selbstbewusstsein gefehlt hatte. Da können wir definitiv etwas von den Männern lernen. Ich habe da aber für mich selber gemerkt, wo ich mich verbessern muss, und dies umgesetzt.

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