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Luzern

Ein Fungizid macht manche Luzerner Quelle unbrauchbar

Eine neue Studie des Bundes bestätigt frühere Beobachtungen: Reststoffe eines unterdessen verbotenen Pflanzenschutzmittels belasten im Mittelland grossflächig das Grundwasser – und stellen auch Luzerner Wasserversorger vor Probleme.
Pflanzenschutzmittel, die das Fungizid Chlorothalonil enthalten, sind seit Anfang Jahr verboten – belasten aber wohl noch auf Jahre das Grundwasser. (Symbolbild: Bundesamt für Landwirtschaft)

Christian Peter Meier

Christian Peter Meier

Das verbotene Fungizid

«Wahrscheinlich krebserregend.» Zu diesem Befund kam Ende letzten Jahres das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mit Blick auf verschiedene Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil. Zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten wurde das Fungizid zuvor seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt – unter anderem auf Kartoffel- und Getreidefeldern, in Rebbergen, auf Gemüse- und Beerenplantagen. Damit ist nun Schluss. Denn das BLW entzog Produkten auf Basis von Chlorothalonil die Zulassung: Seit dem 1. Januar 2020 darf dieses Fungizid auch in der Schweiz nicht mehr verwendet werden.

Das heutige Problem

Problem gelöst? Nein. Denn die besagten Abbauprodukte – sogenannte Metabolite – belasten das Grundwasser. Darauf hatte letztes Jahr unter anderem bereits der Verband der Kantonschemiker hingewiesen. Die vom Bundesamt für Umwelt dieser Tage veröffentlichten Resultate einer Studie bekräftigen nun, dass der Grenzwert für Chlorothalonil-Metaboliten grossflächig überschritten wird, und zwar in mehr als der Hälfte aller Kantone. «Betroffen ist hauptsächlich das landwirtschaftlich intensiv genutzte Mittelland», schreibt das Bundesamt. Der Kanton Luzern steckt da mittendrin.

Verschärft wird die Problematik durch drei Tatsachen: Erstens erneuert sich Grundwasser relativ langsam; zweitens sind die Abbauprodukte von Chlorothalonil ausgesprochen langlebig, drittens ist eines dieser Produkte – eine Sulfonsäure mit dem nüchternen Namen R471811 – besonders häufig nachweisbar. «Es ist darum davon auszugehen, dass diese Verunreinigungen die Grundwasserqualität noch während Jahren in grösserem Ausmass beeinträchtigen werden», schreibt das Bundesamt für Umwelt.

Die Luzerner Messergebnisse

Die vollständigen Daten werden laut BLW erst in einem Jahr vorliegen. Doch die Luzerner Dienstelle Umwelt und Energie hat auf Anfrage schon jetzt für unsere Region relevanten Messergebnisse zur Verfügung gestellt. Sie stammen von insgesamt 22 Grundwasserproben, die im November 2019 genommen und unter anderem auf Chlorothalonil-Metabolite hin untersucht wurden:

Fazit: Das Problem betrifft hauptsächlich den nördlichen Kantonsteil. «Dort, wo viel Ackerbau betrieben wird, sind die Abbauprodukte von Chlorothalonil oft im Grundwasser zu finden», bestätigt Werner Göggel, Abteilungsleiter Gewässer und Boden bei der Dienststelle Umwelt und Energie. Dagegen seien Gebiete, in denen Grünlandnutzung oder Wald dominieren, weniger betroffen. «Das Gleiche gilt für Grundwasservorkommen mit hoher Erneuerungsrate durch Flusswasser wie entlang der Reuss oder der Kleinen Emme.»

Schon im Februar hat der Kanton 230 Luzerner Wasserversorger in der Sache kontaktiert und unter anderem auf «die Wahrnehmung der Selbstkontrolle» hingewiesen. Doch auch die Behörden führen Kontrollen durch. So hat die Lebensmittelkontrolle bereits über 400 Trinkwasserproben untersucht. Auch die Dienststelle Umwelt und Energie führt weitere Messungen durch. «Sie bestätigen das gewonnene Bild», sagt Göggel.

Die Lösungsansätze

Messen ist das eine. Doch wie löst man das Problem? Theoretisch könnte man Abbaustoffe von Chlorothalonil aus dem Wasser filtern, etwa mit Aktivkohle. Doch das ist sehr aufwendig und teuer. In der Praxis greifen die Wasserversorger bislang meist zu viel einfacheren Mitteln, etwa indem sie einzelne Fassungen sperren oder belastetes Grundwasser mit sauberem verdünnen. Dieses System gelangt jedoch zum Teil an seine Grenzen, weil mittlerweile besonders der Metabolit R471811 in sehr vielen Wasservorkommen nachgewiesen wird. Der Kanton Luzern rät dazu, längerfristige Lösungen zu suchen: «Dabei kann beispielsweise die Erschliessung neuer, unbelasteter Wasservorkommen oder die Vernetzung von Trinkwasserversorgungen bzw. der Bezug des Trinkwassers aus einer Nachbargemeinde eine wichtige Rolle spielen», schrieb er im März.

Stichwort Vernetzung: Die Aquaregio AG ist in diesem Bereich eine Vorreiterin. Sie stellt in den acht Gemeinden Sursee, Sempach, Beromünster, Hildisrieden, Oberkirch, Eich, Nottwil und Schenkon bei Versorgungsengpässen den Bedarf an Trinkwasser sicher und will bis spätestens in zwei Jahren die gesamte dafür notwendige Infrastruktur vollendet haben (wir berichteten). Zu diesem Zeitpunkt werden die vernetzten Gemeinden zusätzlich zu den eigenen Quellen auch Wasser aus Emmen erhalten – aus dem Reservoir Rippertschwand können aufgrund einer Vereinbarung täglich bis zu 5000 Kubikmeter bezogen werden.

«Das trifft sich auch mit Blick auf die Chlorothalonil-Problematik gut», sagt Verwaltungsratspräsident Sacha Heller. Tatsächlich ist das Emmer Wasser kaum belastet, während einige der Verbundsgemeinden am Sempachersee mitten in der «Problemzone» liegen. Heller versichert:

«Wir nehmen das Thema sehr ernst, stehen in regelmässigem Kontakt mit den kantonalen Behörden und führen selber quartalsweise bei sämtlichen Fassungen Messungen durch.»

Acht Quellen habe man aktuell wegen zu hoher Werte stillgelegt. Dieses Wasser werde man wohl für längere Zeit nicht mehr zu Trinkzwecken nutzen können. «Das ist insofern ärgerlich, als wir dem Kanton dafür trotzdem Konzessionsgelder zahlen müssen.» Um den Schaden in Grenzen zu halten, versuche man, die Quellen anders zu nutzen – etwas für die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen. «In einem Fall stehen wir kurz vor Vertragsabschluss», verrät er.

Sacha Heller lässt keinen Zweifel daran, dass ihn das Thema umtreibt. Gleichzeitig zeigt er sich optimistisch, die Chlorothalonil-Grenzwerte nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft einhalten zu können – eben nicht zuletzt dank der Verbundstrategie.

Welche Strategie verfolgen dagegen Wasserversorger, die allein auf ihre eigenen Quellen angewiesen sind? «Wir müssen nichts überstürzen», sagt etwa Ivo Häfliger, Präsident der Wassergenossenschaft Fischbach, in deren Einzugsgebiet ausgerechnet die stark belastete Messstelle Wildberg liegt (siehe Tabelle). Diese Verunreinigung sei allerdings ein punktuelles Problem, versichert Häfliger. «Denn wir haben verschiedene Quellgebiete und können darum Mischwasser abgeben, dessen Werte unter dem geforderten Chlorothalonil-Gehalt liegt.» Untätig bleibt auch die Wassergenossenschaft Fischbach nicht – im Gegenteil: Sie liess sämtliche Quellen auf Chlorothalonil hin untersuchen. «Und es sind weitere Abklärungen am Laufen.» Ob in Fischbach oder bei anderen Wasserversorgern im Mittelland: Das Thema Chlorothalonil wird wohl noch länger auf der Traktandenliste bleiben.

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