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Diese Urner Fantasy-Autorin schreibt in drei Jahren zehn Bücher – fast im Alleingang

Evelyne Aschwanden schreibt und schreibt und schreibt. Das Spezielle an der 24-jährigen Urnerin: Sie ist Selfpublisherin und begleitet dabei ihre Werke vom ersten Entwurf bis hin zur Veröffentlichung.
Neun Bücher in der Hand - das zehnte fehlt Evelyne Aschwanden hier noch. (Bild: Florian Pfister (Volketswil, 21. August 2020))
In Evelyne Aschwandens Bücherregal stehen ihre Werke auf dem zweitoberseten Regal. (Bild: Florian Pfister (Volketswil, 21. August 2020))

Florian Pfister

Florian Pfister

Im Keller einer Luzerner Schule haust ein Junge. Er behauptet von sich, das mächtigste Wesen der Welt zu sein. Die sechzehnjährige Yukiko ist überzeugt: Das Übernatürliche existiert nicht. Sie glaubt dem Jungen nicht, doch schon bald wird sie vom Gegenteil überzeugt. Solche Geschichten schreibt die 24-jährige Evelyne Aschwanden. Sie verknüpft die reale Welt mit Fantasy-Elementen. Vor drei Jahren veröffentlichte sie ihren Débutroman, Ende August erschien ihr zehntes Buch.

Evelyne Aschwanden ist in Seelisberg aufgewachsen und wohnt nun in Volketswil im Kanton Zürich. Sie schreibt Jugendbücher, hat aber auch viele erwachsene Leser. Den Grund dafür sieht sie darin, dass sie über die erste Liebe oder das Ausziehen von zu Hause schreibt. «Das kennt jeder», erklärt sie. Auffällig an den Büchern: Evelyne Aschwanden schreibt vor allem Trilogien. Denn bis anhin ist nur ein Einzelband erschienen – dem gegenüber stehen nun drei Dreiteiler.

Das sei nicht bewusst entstanden. «Wenn ich zu schreiben beginne, merke ich schnell, dass die Geschichte nicht auf 400 Seiten Platz hat.» Ein weiterer Grund sind die Charaktere. «Die Entwicklung funktioniert nicht von einer Seite auf die nächste. Das braucht seine Zeit und ich begleite die Figuren gerne auf ihrer Reise.» So entstanden neben der Einzelgeschichte «Meereswölfe» die «Anderswelt»-, «Epic»- und «Energiewandler»-Trilogien.

Ein halbes Jahr von der Idee zur Veröffentlichung

Als Fantasyautorin braucht es eine Menge Kreativität.

«Ich schreibe nicht, weil ich kreativ sein will. Ich bin kreativ. Schreiben ist mein Ventil, um mich ausdrücken zu können.»

Wie sie auf ihre Ideen kommt, erzählt Evelyne Aschwanden im Video:

Dennoch kann es mal vorkommen, dass die Autorin, die nebenbei als Texterin arbeitet, mal nicht weiterkommt. Eine Pause hilft. «Viele Sachen lösen sich, wenn ich einfach mal für ein paar Tage nichts mache.» Wenn selbst das nichts hilft, holt sie Rat bei Aussenstehenden. «Eine Aussenperspektive kann den Knopf im Kopf lösen.»

Bevor sie vor knapp drei Jahren ihr erstes Buch veröffentlichte, hat sich Evelyne Aschwanden bewusst dazu entschieden, auf die Karte Selfpublishing zu setzen. Dabei kann sie ihre Werke vom ersten Entwurf bis zur Veröffentlichung begleiten. Sie übernimmt die Arbeiten eines Verlags selber. Ihr gefiel die Vorstellung nicht, dass ihr ein solcher reinreden könnte. Das Ziel war ohnehin, einfach mal ihr erstes Buch in der Hand halten zu können. Damit verwirklichte sie sich einen Traum.

Mit dem Schreiben allein ist es als Selfpublisherin nicht getan. Bei Evelyne Aschwanden dauert es etwa zwei Monate bis zum ersten Entwurf. In weiteren drei bis fünf Monaten überarbeitet sie ihr Werk. Dazu gehört auch der Buchsatz, der die Autorin manchmal zum Verzweifeln bringt. Denn sie muss dafür sorgen, dass jede einzelne Seite in sich stimmig ist. Dazu verschiebt und löscht Evelyne Aschwanden Wörter und fügt welche hinzu. Dieser Schritt dauert ein bis zwei Wochen.

Ganz allein muss Evelyne Aschwanden nicht arbeiten

t getan. Viel Aufwand verbringt Aschwanden mit dem Marketing, um das sie sich grösstenteils selbst kümmert. Sie muss sich Fragen stellen, wie: «Wer ist meine Zielgruppe?», «Wie kann ich sie erreichen?» und «Wie viel Geld bin ich bereit, dafür zu investieren?». Denn:

«Es nützt nichts, ein Buch zu schreiben, wenn es dann sowieso keiner liest.»

Ganz alleine arbeitet Evelyne Aschwanden allerdings nicht. Seit zwei Jahren hat sie einen Lektor, der ihr Manuskript korrigiert. Auch für die professionellen Buchcover und für das Marketing hat sie zuständige Personen. Sie nutzt einen sogenannten Distributor – eine Firma, bei der sie ihre Werke hochladen kann und die dafür sorgt, dass die Bücher in den Online-Shops verfügbar sind. «Mehr machen sie aber nicht», betont Aschwanden. «Sie schauen nicht, ob das Buch fehlerfrei ist oder ob der Buchsatz stimmt.»

Der Nachteil am Selfpublishing: Die Autorin trägt das finanzielle Risiko. Sollte sich ein Buch nicht verkaufen, kostet sie das ein- bis zweitausend Franken. Alles selber machen bedeutet auch weniger Freizeit. «Viel bleibt nicht», sagt Evelyne Aschwanden. Grund dafür ist auch die Menge der Bücher, die sie schreibt. Was ist der Ausgleich zum Schreiben? «Schreiben selbst ist quasi mein Ausgleich», sagt sie schmunzelnd.

«Ich empfinde es nicht als Arbeiten.»

Viele Leser aus Deutschland, wenige aus der Schweiz

Als Selfpublisherin hat Aschwanden keine Buchauflagen. Ihre Werke werden erst gedruckt, wenn sie gekauft werden. Die «Epic»-Buchreihe war sehr erfolgreich. Evelyne Aschwanden konnte über 10 000 Exemplare verkaufen. Die meisten Leser kommen aber nicht aus der Schweiz, sondern aus Deutschland. Das liegt einerseits an der zehnfachen Bevölkerung. Andererseits fokussiert sie sich vor allem auf E-Books beim Anbieter Amazon. In der Schweiz sei das noch nicht im Trend. «Viele Junge Leute gehen nach wie vor in die Buchhandlung.»

Jetzt noch zu einem Verlag zu wechseln, kann sie sich nicht vorstellen. «Es macht mir einfach zu viel Spass. Alles, was ich mache, ist auf meinem eigenen Mist gewachsen. Wenn sich ein Buch gut verkauft, kann ich mir selber auf die Schulter klopfen. Ich weiss auch, dass ich alles Mögliche gemacht habe, damit sich das Buch verkauft.»

Was wäre, wenn es in unserer Welt Drachen gäbe?

Schon immer las sie gerne fantastische Geschichten, für sie war es naheliegend, auch in diesem Genre zu schreiben. Die 24-Jährige schreibt Urban Fantasy-Bücher. «Das ist Fantasy unserer Welt», erklärt sie. «Ich finde die Vorstellung toll, es könnten Magier oder Drachen in unserer Welt existieren. Wir wissen es nur nicht. Nur weil eine Geschichte fantastische Elemente beinhaltet, heisst das nicht, dass sie nicht realistisch sein kann.»

Denn die Gemeinsamkeit in all ihren Geschichten sind die Menschen, die ihre eigenen Probleme haben. «Das kennen wir alle.» Es geht um junge Erwachsene, die an einem bestimmten Punkt im Leben stehen, an dem sie nicht weiterkommen. «Durch die Fantasyabenteuer werden sie erwachsener», erklärt Evelyne Aschwanden.

Ihre Primarlehrerin wollte lieber Ponyhof-Geschichten

Die junge Autorin hat schon immer gerne Geschichten erfunden. «Das ist über all die Jahre geblieben.» In der Primarschule schrieb sie oft für ihren Grossvater oder ihre Mutter. Erst später im Gymnasium kam die Idee, auch mal längere Geschichten zu schreiben.

Sie hat Jahr für Jahr beim «Klub der Jungen Dichter» unserer Zeitung teilgenommen. In der fünften Klasse nahm Aschwanden erstmals teil. In jedem Jahr schafften es ihre Geschichten in die besten dreissig Werke. Als sie in der neunten Klasse zum letzten Mal teilnehmen durfte, konnte sie den Sieg einfahren. «Das war das erste Mal, dass ich ausserhalb der Familie Bestätigung für mein Schreiben erhalten hatte.» Ihre Geschichte ging um einen peinlichen Vater. «Viele Teenager kennen dieses Gefühl. Auch der Familienvater in der Jury konnte sich gut in die Situation hineinversetzen», erklärt sich Evelyne Aschwanden ihren Erfolg.

Nicht alle haben aber an sie geglaubt. Ihre Primarlehrerin sagte ihr einst:

«Du sollst keine Fantasy-Romane schreiben. Das ist nichts für Mädchen in deinem Alter. Wieso schreibst du nicht lieber Ponyhof-Geschichten?»

Es gibt auch Gegner des Selfpublishings. «Das kann jeder machen. Daher gibt es Leute, die ein unkorrigiertes Buch auf den Markt bringen», erklärt die Autorin. «Noch bevor ich mein erstes Werk veröffentlichte, konfrontierte man mich mit diesem Vorurteil.» Evelyne Aschwanden hörte sich Dinge an wie: «Warum suchst du dir keinen Verlag?» und «Wenn du keinen Verlag hast, bist du gar keine richtige Autorin.» Man könnte meinen, nach ihrem zehnten Buch seien diese Vorurteile aus dem Weg geräumt. Doch sie verneint. «Selbst heute höre ich das noch.» Der grosse Unterschied zu früher ist ihr eigenes Selbstvertrauen. «Die Leute lesen meine Bücher, so schlecht können sie also nicht sein.» Die vielen Bände in ihren Händen zeugen davon.

Von den Büchern allein kann sie nicht leben

Im Sommer hat Evelyne Aschwanden ihren Bachelor of Art in Applied Languages abgeschlossen. Eigentlich wollte sie in die Tourismusbranche einsteigen. Das Coronavirus machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung. Nun hat sie einen Nebenjob als Texterin gefunden. Sie schreibt Webseitentexte für Unternehmen in ganz Deutschland und in der Schweiz. Das ist momentan ihre Lebensgrundlage. Zunächst als Notlösung gedacht, kann sich Evelyne Aschwanden vorstellen, diesen Beruf die nächsten Jahre auszuüben.

Von den Büchern allein kann die Künstlerin (noch) nicht leben. Doch sie können zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Zusammen mit ihrem neuen Job als Texterin kann sich Evelyne Aschwanden rein mit Schreiben ihren Lebensunterhalt finanzieren.

Gespannt sieht die Autorin in ihre Zukunft. Da steht schon das nächste Projekt an. Man darf gespannt sein, welche Geschichten sich Evelyne Aschwanden noch ausdenken wird.

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