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Nidwalden

Die Zeit ist langsam reif für Vögel

Christian Hug beschreibt in seinem «Ich meinti» einen urplötzlichen Einfall.
Christian Hug. 

Christian Hug

Es hat erstaunlich lange gedauert, aber letzte Woche ist es passiert, und zwar vollkommen unerwartet: Ich war im Coop einkaufen und schlenderte entspannt zwischen den Regalen, wie ich es immer tue, wenn ich auf der Suche nach Lebensmitteln bin, die ich noch nie probiert habe. Ich bog um die Ecke in den Gang mit dem Haustierbedarf, stand vor den Knabberstangen für Wellensittiche, und da traf es mich wie der Blitz: Ich will wieder Vögel in meinem Wohnzimmer!

Wahrscheinlich erinnern Sie sich: Viele Jahre lang wohnten vier Wellensittiche in unserer guten Stube, es waren wunderbare Jahre. Der älteste und weiseste von ihnen, er hiess Der Grüne, organisierte seinen kleinen Schwarm mit strenger Hand, aber sehr wohlwollend, wie ein edler Monarch. Er sang bevorzugt zu altem Jazz und kommentierte fürs Leben gerne die Nachrichten im Fernsehen, am liebsten mochte er Susanne Wille von «10vor10». Er war der gescheiteste und erhabenste Vogel der Welt. Doch vor eineinhalb Jahren segnete Der Grüne das Zeitliche.

Und der einzige Überlebende unseres Wohnzimmerschwarms, er heisst Der Gelbe, residiert heute in der Vogelvoilère in Stansstad. Sie können ihn dort besuchen: Er ist derjenige, der die ganze Volière regiert, Sie werden ihn sofort erkennen.

Nun lebe ich also seit eineinhalb Jahren vogelfrei, und das war irgendwie gar nicht wirklich lustig. Ich vermisse meine Vögeli. Ich sage immer noch «Gute Nacht, Vögel», wenn ich ins Bett gehe. Ich denke an Den Grünen, wenn ich Susanne Wille sehe. Obwohl sie die beste aller «10vor10»-Sprecherinnen und -Sprecher ist, war Der Grüne zehnmal besser als Susanne. Ehrlich!

Und dann letzte Woche im Coop vor den Knabberstangen: Zack! Und mir war klar: So kann das nicht weitergehen! Wie sagte doch schon der deutsche Komiker Loriot selig: Ein Leben ohne Mops ist denkbar – macht aber keinen Sinn. Das mag zwar stimmen. Aber ein Leben ohne Wellensittiche macht noch viel weniger Sinn. Und diese meine Sinnlosigkeit muss ein Ende haben!

Tief bewegt ging ich nach Hause und berichtete meiner Liebsten von meinem Erweckungserlebnis. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis wir wieder Wellensittiche hätten, sagte ich. Und sie meinte ganz selbstverständlich: Es war immer bloss eine Frage der Zeit.

Gestern habe ich am Kiosk die «Tierwelt» gekauft. Ob wohl ein Züchter Wellensitte zu verkaufen hat? Hab aber nichts gefunden. Denn meine neuen Wellensittiche müssen kräftig sein, schön, gescheit und humorvoll. Vielleicht kennen Sie ja jemanden, der hat, was ich brauche.

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