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Luzern

Die Studentenverbindung Zofingia Luzern wird 200-jährig: Das immer breitere Freizeitangebot macht ihr zu schaffen

Gedankenaustausch, fröhliches Beisammensein und politische Diskussion prägen das Vereinsleben der Zofinger. Sie blickt zuversichtlich ins dritte Jahrhundert – obwohl Neumitglieder immer schwieriger zu finden sind.
Gruppenbild der Zofingia Luzern um 1899. (Bild: PD/Staatsarchiv LU)
Die Couleur der Zofingia Luzern. (Bild: PD)
Zofingia Luzern im Jahre 1893. (Bild: PD/Staatsarchiv LU)
Die Generalversammlung der Zofingia Luzern findet immer am 7. Dezember statt. (Bild: PD)
Bei der Zofingia Spuren hinterlassen hat etwa der Luzerner Architekt und Politiker Armin Meili. (Bild: PD)
Reinhard Obermüller, Altzofinger-Präsident Luzern. (Bild: PD)

Hugo Bischof

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Hugo Bischof

Hugo Bischof

Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat: Das sind die Grundwerte der Studentenverbindung Zofingia. Das 200-Jahr-Jubiläum wollte die Zofingia Luzern dieses Jahr mit verschiedenen Aktivitäten und einem öffentlichen Festakt feiern. Wegen Corona finden diese nun alle erst im September 2021 statt.

Die Zofinger sind die älteste Studentenverbindung der Schweiz. Im Sommer 1819 wurde sie von 26 Zürcher und 34 Berner Studenten im Landstädtchen Zofingen ins Leben gerufen. Am 20. November 1820 folgte die Gründung der Luzerner Sektion.

Wertewandel in der Gesellschaft

Die Zofingia sei «ein hervorragender Rahmen, in dem sich engagierte Studenten entfalten können», heisst es in einem Jubiläums-Essay auf der Website Zofingia. Verfasst haben ihn der heutige Altzofinger-Präsident Reinhard Obermüller und der Kommunikationsberater und Altzofinger Daniel Bächtold. Die Zofingia biete «Netzwerk, Orientierungspunkt und Bühne in einem». Das sei nicht immer so gewesen. Wie für alle Studentenverbindungen seien die 1970er-Jahre auch für die Luzerner Zofinger eine Zeit des Umbruchs gewesen:

«Der Wertewandel in der Gesellschaft rückte couleurstudentische Ideale wie das Prinzip der Lebensverbindung und das Vereinen von Generationen zunehmend in den Hintergrund.»

Die einst grosse Mittelschulsektion musste 2007 deshalb aufgelöst werden – «wohl endgültig», so die Autoren des Essays: «Die Umgestaltung der gymnasialen Ausbildung im Zuge der Bologna-Reform mit einer Verkürzung des Langzeitgymnasiums von sieben auf sechs Jahre und die gesellschaftlichen Veränderungen machen es nicht nur in Luzern schier unmöglich, eine Gymnasialverbindung aufrecht zu erhalten.»

Wöchentlich Vorträge und politische Diskussionen

2002 wurde eine Hochschulsektion gegründet. Rund ein Dutzend aktive Universitäts- und Fachhochschulstudenten gehören ihr heute an. Die «kleine, aber aktive» Hochschulsektion gedeihe so gut, dass im Jahr 2017 erstmals seit 1829 wieder ein Luzerner Centralausschuss die Führung des Aktiven-Gesamtvereins der Schweiz übernehmen durfte, heisst es im Essay.

Die Altzofingia Luzern, also die Gruppe jener, die ihr Studium abgeschlossen haben, umfasst zurzeit rund 170 Mitglieder. Diese erfreulich hohe Zahl sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Luzerner Aktiven seit rund 30 Jahren wieder regelmässig ihren Weg in die Altzofingia finden und sich auch Zofinger, die beruflich in der Zentralschweiz tätig sind, den Luzerner Altherren anschliessen. Bis etwa 1985 war nur noch etwa jeder fünfte Luzerner Aktive in die Altzofingia übergetreten:

«Allzu viele verliessen die Verbindung sang- und klanglos, nachdem sie bewegte Aktivensemester genossen hatten.»

Gedankenaustausch und fröhliches Beisammensein prägen das Vereinsleben. Einige Traditionsanlässe wie Zofingerbälle, Samichlaus, Freitagsstamm und jüngst auch das Wyberschiessen fielen zwar den veränderten Bedürfnissen und dem immer breiteren Freizeitangebot zum Opfer. Dafür sind die Generalversammlung (immer am 7. Dezember), die Serenade auf Schloss Heidegg und das 2005 reaktivierte Rütli nach wie vor sehr beliebt.

Bei den Aktiven stehen wöchentlich Vorträge, politische Diskussionen, Besuche bei anderen Zofinger-Sektionen, sportliche Aktivitäten, gesellige Abende sowie Veranstaltungen zur Anwerbung neuer Mitglieder auf dem Programm. Auch nicht wegzudenken ist der monatliche Mittagsstamm im Restaurant Schlüssel, das der Zofingia gehört und als ihr Vereinslokal dient.

Idee des Bundesstaates als Basis

Allerdings sei unverkennbar, dass die aktive Beteiligung am Luzerner Zofingerleben tendenziell zurückgehe, heisst es im Essay:

«Die richtigen Antworten auf die Verwehungen des Zeitgeistes, Digitalisierung und Globalisierung sind noch nicht gefunden.»

Dennoch gehe man zuversichtlich ins dritte Vereins-Jahrhundert.

Die Wurzeln des Zofingervereins reichen in die Alte Eidgenossenschaft zurück, «als in den Zirkeln der Helvetischen Gesellschaft so etwas wie ein schweizerisches Nationalbewussten aufkeimte», heisst es im Essay. «Die Hand wollte man sich reichen, ein gemeinsames Vaterland erkämpfen.» Von «feuriger Begeisterung» und «ächtschweizerischer Gesinnung» berichtete der Chronist der Gründungsversammlung der Zofingia 1819. Als der schweizerische Bundesstaat 1848 Tatsache wurde, war das für die Zofinger eine grosse Genugtuung.

Als liberale Verbindung lehnt die Zofingia Duelle und reglementierte Fechtkämpfe ab, wie es sie anderen Verbindungen gibt. Sie kennt auch keinen Zwang zum Konsum von Alkohol. In Anlehnung an die eidgenössischen Farben und jene der Bundesstadt Zofingen wurden die Farben Rot-Weiss-Rot für Couleurband und Mütze gewählt.

Zofinger stellten 21 Bundesräte

Die Zofingia ist stolz auf ihre demokratische Schule, «die manchem angehenden Politiker eine Plattform geboten hat, seine Fähigkeiten zu entwickeln». Sie verweist auf bisher 21 Bundesräte, die Mitglieder der Zofingia waren, darunter Nello Celio, Max Petitpierre, Eduard von Steiger, Pierre Aubert und Fritz Honegger.

Weitere prominente Zofinger waren Carl Gustav Jung (Arzt und Psychiater), Karl Barth (Theologe), Jacques de Watteville (EU-Chefunterhändler), Henri Guisan (General 2. Weltkrieg), Alfred Escher (Wirtschaftspionier und Politiker), die Maler Albert Anker und Ferdinand Hodler, die Waadtländer Schriftsteller Eugène Rambert und Charles-Ferdinand Ramuz.

Ein Zofinger war auch der Luzerner Architekt und Politiker Armin Meili, der die Luzerner Stadtentwickung nachhaltig beeinflusste, unter anderem mit dem Bau des 1933 fertiggestellten Kunst- und Kongresshauses, das später dem heutigen KKL weichen musste.

Kurzinterview mit Reinhard Obermüller: Der 52-jährige Jurist und Unternehmensberater ist seit 2014 Altherrenpräsident der Zofingia Luzern.

Rund ein Dutzend aktive Universitäts- und Fachhochschulstudenten gehören der Studentenverbindung Zofingia Luzern heute an. Dazu kommen 170 Altzofinger, also Mitglieder, die ihr Studium abgeschlossen haben. Droht der Zofingia nicht ein schleichendes Ende?Die Zofingia Luzern ist nur eine Sektion der gesamtschweizerischen Zofingia, die immerhin rund 300 Aktive und 3000 Altzofinger umfasst. Unsere Mitgliederzahlen sind seit Jahrzehnten stabil, wachsen allerdings nicht wie die Zahl der Studierenden insgesamt. Dass der Zofingerverein damit nicht mehr die gleiche gesellschaftliche Wirkung entfaltet wie in früheren Zeiten, ändert nichts an der Daseinsberechtigung.Was tun Sie, um wieder mehr junge Studenten zum Eintritt in die Verbindung zu bewegen?Hinter der Zofingia steht eine ganze studentische Kultur, aufbauend auf der Tradition von Generationen. Unsere Devisen «patriae, amicitiae, litteris» (für das Vaterland, die Freundschaft, die Wissenschaften) sind im heutigen gesellschaftlichen Umfeld nicht einfach zu vermitteln, haben in den Augen der Zofinger aber zeitlosen Wert. Wer das entdeckt, findet in der Zofingia ein hervorragendes Umfeld, Freundschaften fürs Leben zu schliessen, seine Persönlichkeit zu entwickeln und sich gesellschaftlich sinnvoll zu engagieren.Die Zofingia ist ein reiner Männerverein. Wird es nicht langsam Zeit, auch Frauen aufzunehmen? Andere Studentenverbindungen tun dies bereits, die Industria Luzern beispielsweise seit 1978.Als die Zofingia vor 200 Jahren gegründet wurde, war Studieren eine reine Männerangelegenheit. Seitdem wird immer wieder diskutiert, ob auch Frauen aufgenommen werden sollen. Bisher war die Mehrheit der Mitglieder aber stets dafür, den Charakter des Vereins nicht zu verändern. Die Zofingia steht ja auch nicht für alle Männer offen – wer nicht studiert, kann nur in absoluten Ausnahmefällen Mitglied werden. Studenten aber, die sich für unsere Ziele einsetzen möchten, sind herzlich willkommen, unabhängig von Nationalität, Religion, sozialer Herkunft oder Hautfarbe.

Die 200-seitige Jubiläums-Festschrift «200 Jahre Zofingia Luzern 1820 – 2020» kann zum Preis von 75 Franken bestellt werden: 200@zofingia-luzern.ch

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