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Kunst

Der verstorbene Luzerner Raphael Waldis hatte eine spezielle Begabung – nun werden seine Werke ausgestellt

Der durch einen Hirntumor beeinträchtigte Raphael Waldis entwickelte eine künstlerische Fähigkeit mit Seltenheitswert.
Eine Seite aus der Luzerner Zeitung, exakt nachgezeichnet von Raphael Waldis.
Bild: Bild: zvg

«Raphael hat unsere Familie zusammengeschweisst; er konnte die Liebe bei den Menschen mobilisieren; alle hatten ihn einfach gern», sagen Hanni und Peter J. Waldis im Atelier ihres Wohnhauses oberhalb des Verkehrshauses. Ihr Sohn wollte trotz schwerer Beeinträchtigung eigentlich Gleisbauer oder Kehrichtfah­rer werden.

Raphael Waldis.
Bild: Bild: zvg

Aber Schicksalsschläge haben oft auch ungeahnte Auswirkungen, die in uns Menschen etwas zutage fördern, das wir nie erwartet hätten: Raphael entwickelte nach einem früh diagnostizierten Hirntumor und Operationen sowie Nachbehandlungen, die ihn schwer beeinträchtigten, eine künstlerische Begabung, die Seltenheitswert aufweist.

Letzten Herbst ist Raphael Waldis im Alter von 32 Jahren verstorben. Seine Werke werden nun vom 16. April bis am 13. Juli in der Kunstkeramik Luzern in Ebikon ausgestellt.

Grossvater war Gründer des Verkehrshauses

Bei einer Ausstellung in St.Gallen hatte der Ausstellungsmacher Thomas Staroszynski die Begabung wie folgt beschrieben: «Raphael Waldis ist ein aufregender Kopist. Ein Kopist ist jemand, der Kopien macht. Wenn man eine Kopie macht, versucht man etwas richtig Schwieriges. Nämlich, dass eine Sache, die es nur einmal gibt, nachher zweimal auf der Welt ist.» Dazu müsse man ganz genau hinschauen können und sehr viel Geduld haben. «Er zeichnete mit Transparentpapier Sachen ab. Sachen, die ihn interessierten. Sachen wie Land­karten. Oder Zeitungsseiten. Oder Werbeprospekte.» Dass man in den Zeichnungen oft Fahr­zeuge sehe, liege auf der Hand. War doch Grossvater Alfred Waldis als Gründungsdirektor des Verkehrshauses darauf geradezu abonniert.

Raphael Waldis bei der Arbeit.
Bild: Bild: zvg

Unschwer ist in den Werken Raphael Waldis' eine Entwicklungslinie zu erkennen. Die Eltern schildern dies wie folgt: «Es war schon immer eine enge Beziehung zwischen Grossvater und Raphael. Vor allem mit der Diagnose Hirntumor und dem Aufenthalt in den Spitälern – Grossvater verbrachte etliche Tage und Nächte bei Raphael – entwickelte sich ein starkes Band. Alfred kümmerte sich sehr um Raphael und hat ihn auch an viele Anlässe mitgenommen und einiges mit ihm unternommen.» Der Grossvater habe bei Raphael durch das Zeichnen die nach den Operationen einzige noch verbliebene Teilbegabung ansprechen und fördern können. Mehrmals habe er Raphael auch zum befreundeten Kunstmaler Hans Erni mitgenommen.

Eine von Raphael Waldis nachgezeichneten Zeitungsseiten.
Bild: Bild: zvg

Ein gravierender Einschnitt war der Tod des Grossvaters 2013. «Raphael zog sich nun immer mehr zurück und verstummte fast gänzlich.» Im Tobias-Haus unweit des Wohnheims des Vereins Zürcher Eingliederung (VZE) wurde man dann 2017 auf seine zeichnerischen Fähigkeiten aufmerksam. Raphael wurde nun gezielt gefördert; mit Bildern von Künstlern als Vorlagen, welche Raphael durchpauste und mit eigenen Mustern zu neuen Bildern weiterentwickelte.

«Beim Zeichnen haben ihn alle in Ruhe gelassen»

Das Zeichnen habe ihn auch beruhigt, er habe sich dabei wohl gefühlt. «Und wenn man seine Bilder bestaunte, huschte oft ein Schmunzeln und ein bisschen Stolz über sein Gesicht. Er zeichnete nicht, um Künstler zu sein, sondern absichtslos. Beim Zeichnen haben ihn alle in Ruhe gelassen und so war es ihm wohl», erzählt der sichtlich bewegte Vater.

Während der Pandemie war Raphael für sechs Wochen zu Hause. «Einmal ging ich mit ihm durch die menschenleere Stadt, die ich fotografierte», erzählt Hanni Waldis. Raphael zeichnete dann einige dieser Sujets. Nun kam auch Farbe ins Spiel und die Variante, die Vorlage als Gestaltungsmittel einzubeziehen.

Resümierend halten die Eltern fest: «Raphael konnte mit seiner – erkannten – Teilbegabung Menschen zum Staunen bringen und berühren. Trotz seiner autistischen Züge haben ihn alle geliebt. Seine Bilder und seine Art waren so absichtslos und neutral, dass seine Werke eine individuelle Bedeutung bekommen. Es ist für uns sehr wertvoll, dass Raphael – trotz seiner vielen Beeinträchtigungen und seiner Träume, die er nicht verwirklichen konnte – etwas gefunden und erarbeitet hat, das ihn und auch uns glücklich ­gemacht hat, etwas Bleibendes, das uns immer an ihn erinnern lässt. Durch seine Bilder lebt er weiter.»

Vernissage am 15. April, 18.30 Uhr, Kunstkeramik Luzern, Luzernerstrasse 71, 6030 Ebikon. Weitere Infos: raphaelwaldis.allyou.net

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