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Nidwalden

Der Lehnenviadukt in Beckenried ist «teilweise schadhaft»

Die zweitlängste Autobahnbrücke der Schweiz weist Schäden auf. Die Tragsicherheit sei jedoch gewährleistet, sagt das Astra. In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll die Brücke saniert werden.
Der Lehnenviadukt der A 2 ist eine der längsten Autobahnbrücken der Schweiz (Bild: Corinne Glanzmann (Beckenried, 27. Juli 2010))

Franziska Herger

Obwohl die Gründe für den tragischen Einsturz des Polcevera-Viadukts in Genua noch unklar sind, dürfte manch ein Automobilist beim Überqueren einer Brücke heute ein etwas mulmigeres Gefühl verspüren als vor dem Einsturz. Wie dieser Tage bekannt wurde, sind schweizweit 40 Brücken in schlechtem Zustand. Eine der längsten Autobahnbrücken der Schweiz befindet sich in Beckenried. Der A2-Lehnenviadukt vor dem Nordportal des Seelisbergtunnels ist inzwischen 38 Jahre alt. Lorenzo Sabato, Bereichsleiter Erhaltungsplanung in der Filiale Zofingen des Bundesamts für Strassen (Astra) gibt Auskunft über den Zustand der Brücke.

Lorenzo Sabato, kann eine Katastrophe wie in Genua auf dem Lehnenviadukt in Beckenried ausgeschlossen werden?Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer hat für uns oberste Priorität. Der Lehnenviadukt Beckenried, wie sämtliche Autobahnbrücken, wird jährlich mit einer visuellen Kontrolle und alle fünf Jahre mit einer sogenannten Hauptinspektion überprüft. Mit dieser Systematik kann die Sicherheit des Tragwerkes gewährleistet werden. Die letzte Hauptinspektion am Lehnenviadukt fand 2013 statt. Wie geht eine solche Hauptinspektion vor sich? Dabei wird von Auge nach Schäden wie etwa Rissen und Korrosionsspuren gesucht. Das Objekt wird Bauteil für Bauteil untersucht. Eine speziell erarbeitete Checkliste sorgt dafür, dass nichts vergessen geht. Als Resultat wird der Zustand der Brücke einer bestimmten Schadensklasse zugeteilt. Die höchste Klasse wird als «kritischer Zustand» bezeichnet, bei dem die Brücke gesperrt werden müsste. In unserer Region gibt es kein solches Bauwerk. Der Lehnenviadukt Beckenried ist momentan in einem «teilweise schadhaften Zustand». Dies hat allerdings keinen Einfluss auf die Tragsicherheit der Brückenkonstruktion, welche gewährleistet ist. Was heisst das genau, und was bedeutet das für Verkehrsteilnehmer? Ich betone nochmals: Die Tragsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerkes sind jederzeit gewährleistet. Doch der Fahrbahnbelag weist Schäden auf und die Fahrbahnübergänge schlagen beim Darüberfahren, die Randbörder haben Korrosionsschäden und die Entwässerung muss erneuert werden. Durch die wie erwähnt einige Schäden aufweisenden Fahrbahnübergänge dringt Wasser, das häufig Salz enthält, in die Unterkonstruktion ein und beschädigt diese. Was wird dagegen unternommen? Zur Gewährleistung der Gebrauchstauglichkeit wurden seit Jahren diverse kleinere Massnahmen umgesetzt, wie etwa Belagsarbeiten oder der Ersatz von Fahrbahnübergängen. Derzeit erarbeiten wir ein Projekt mit dem Ziel, die Brücke innert der nächsten fünf bis zehn Jahre umfassend instand zu setzen. Seit Februar führen wir eine genaue Zustandsaufnahme des Lehnenviadukts durch, der über eine rein visuelle Inspektion hinausgeht. Bekommen die Verkehrsteilnehmer etwas davon mit? Bis zur Realisierung des Erhaltungsprojektes, was zu Einschränkungen im Verkehrsbetrieb führen wird, werden die Verkehrsteilnehmer nicht behindert.Ist es möglich, dass der Lehnenviadukt plötzlich und unerwartet Schaden nehmen kann, und wenn ja, besteht für einen solchen Fall ein Warnsystem?Ein konstantes Monitoring des Viadukts haben wir nicht. Die Brückenkonstruktion ist so konzipiert, dass der Verkehrsbetrieb nicht zu einem plötzlichen Versagen führen kann. Naturereignisse wie Überschwemmungen, Steinschläge oder Erdrutsche können hingegen Schäden verursachen. Dieses Restrisiko bleibt. Wie unterscheidet sich die Bauweise des Lehnenviadukts in Beckenried denn von derjenigen des eingestürzten Viaduktes in Genua?Der Lehnenviadukt, der 1980 in Betrieb genommen wurde, hat sowohl von der Lage wie auch von der Geometrie her einen speziellen Charakter. Er liegt mit einer Gesamtlänge von 3,15 Kilometern im Schnitt weit über 30 Meter über dem Terrain. Die im Jahr 1967 erbaute Brücke in Genua hat ein sogenanntes obenliegendes Tragwerk und ist somit eine aufgehängte Konstruktion. Die Fahrbahn des Lehnenviaduktes in Beckenried liegt dagegen direkt auf den Pfeilern auf. Was ist die grösste Herausforderung beim Unterhalt des Lehnenviadukts?Neben der Länge und der Höhenlage stellt der Hang unterhalb des Viadukts eine grosse Herausforderung dar. Dieser ist stetig in Bewegung. Das ist schon lange bekannt, weshalb die Brücke durch eine spezielle Fundation der Pfeiler vor den Kriechbewegungen des Hanges geschützt ist. Dazu sind die Pfeiler mit Beton ummantelt, zwischen Pfeiler und Betonmantel besteht ein Hohlraum. Die Hangbewegungen und deren Einfluss auf die Brückenkonstruktion werden systematisch in regelmässigen Abständen mithilfe spezieller Kontrollmessungen überwacht.
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