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Obwalden

Der fast vergessene Poet des Kollegis wird wiederentdeckt

Der frühere Staatsarchivar Angelo Garovi lässt in einer Publikation den beinahe vergessenen Sarner Mönch und Dichter Leo Fischer wieder aufleben. Er hat womöglich grosse Dichter beeinflusst.
Ein vergessener Sarner Pater, Dichter und Wissenschaftler: Leo Fischer. (Bild: PD)

Romano Cuonz

«In meiner Jünger Kreisen verstummten nie die wundersamen Weisen der Poesie», schrieb der Sarner Benediktiner Mönch, Lehrer, Wissenschafter und eben auch Dichter Leo Fischer (1855–1895). Seine eigene, feinfühlige Poesie wurde in Lesebücher aufgenommen, ja sogar von verschiedenen Komponisten vertont. Dass er einst fast ganz vergessen sein würde, ahnte er damals wohl nicht. Aber kaum jemandem in Obwalden ist der Name Leo Fischer heute noch bekannt. Diese Tatsache betrübte Angelo Garovi, den früheren Obwaldner Staatsarchivar und Professor für Deutsche Philologie an der Universität Basel. Er versprach: «Mit einem Gedicht-Bändchen will ich Leo Fischer nach 125 Jahren wieder als feinfühligen Lyriker bekannt machen.» Nun liegt die Broschüre vor, und wenn man darin blättert und liest, staunt man über die ungewöhnliche Biografie des Mönchs ebenso wie über sein erstaunliches wissenschaftliches und poetisches Werk.

Eine Inspiration für Rilke

Der spätere Sarner Benediktinerpater Leo Fischer wurde am 25. Juni 1855 in Vöslau bei Wien geboren. Sein Vater war Hofmeister beim deutschen Fürsten Egon Franz zu Hohenlohe und seine Mutter wirkte dort als Erzieherin. So wuchs Leo Fischer zusammen mit den fünf Hohenlohe-Fürstenkindern auf. Gleich alt wie er war Prinzessin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe. Sie ging später in die deutsche Literaturgeschichte ein, war sie doch die wichtigste Mäzenin von Rainer Maria Rilke. Auf ihre Anregung hin hatte Rilke eines seiner bedeutendsten Werke angefangen: die «Duineser Elegien». Auf Schloss Duino, nahe Triest, verbrachte auch Leo Fischer viele Sommer seiner Kinderjahre. Im Gedicht «Aus der Jugendzeit» schrieb er später: «Meine erste Schülerin im Deutschen ward ein Fürstenkind am fernen Meere.» Der Philologe Angelo Garovi sieht da eine interessante Verbindung. «Es ist anzunehmen, dass Prinzessin Marie zu Hohenlohe Rilke die Elegien ihres Jugendgefährten Leo Fischer gezeigt hat und ihn damit sogar zu seinen berühmten ‹Duineser Elegien› angeregt haben könnte», erwägt er.

Nachdem Leo Fischer seine beiden Eltern verloren hatte, absolvierte er ein Studium der Theologie und Philosophie und trat 1877 ins Kloster Muri-Gries ein. 1880 wurde er zum Priester geweiht. Fünf Jahre später kam er nach Sarnen, wo er am Gymnasium und Lyzeum als Professor der deutschen Sprache und Literatur sowie der Geschichte und Ästhetik wirkte. Mit nur 40 Jahren verstarb er an einer Hirnhautentzündung. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des Frauenklosters St.Andreas in Sarnen.

Gelehrter, Lehrer und Dichter

Pater Leo Fischer war ein bedeutender Bibel-Wissenschafter: Er beherrschte die orientalischen Sprachen und wollte aus ihnen die «Ursprache» vor der babylonischen Sprachverwirrung finden. Interessant ist sein Hinweis auf den Handel und den damit verbundenen Sprachaustausch zwischen den Völkern des Vorderen Orients. Doch Angelo Garovi richtet in der Hommage das Hauptaugenmerk auf den vergessenen Lyriker. Auch wenn Poesie für ihn nur eine Nebenbeschäftigung war, blieb sie nicht unbeachtet. Heinrich Federer hielt damals fest, dass er in Pater Leo Fischer einen Dichter als Deutschlehrer habe. Und er charakterisierte ihn auch: «Fischer neigte mehr zum Sanften, Sinnigen, idyllisch Schönen, so schleppte er keine epischen Felsblöcke in sein Gebiet.» Zweifellos hatte Leo Fischer, wie Pater Emanuel Scherrer später lobt, «ein ganz wunderbares Ohr für den Rhythmus der Sprache». Dies bewies er mit der Musikalität in seinen Elegien. Angelo Garovi sorgt in seiner Broschüre dafür, dass diese Poesie nicht ganz vergessen geht. Mit mehr als 20 Gedichten lässt er die verstummte Stimme des Sarner Benediktiners wieder aufleben. Nur ein paar Zeilen, die zeigen, wie formschön Fischers Gedichte sind:

Zwischen den Felsen ruht und den schattigen Föhren der Bergsee,
Aus der Tiefe herauf blicket er ruhig und klar.
Aus der Tiefe, die niemand erforscht, zur unendlichen Höhe,
Ferne zum himmlischen Blau blicket er sehnend empor.


Hinweis: Angelo Garovis «Gedichte von Leo Fischer» ist erhältlich in Buchhandlungen oder über garovibern@gmx.ch.

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