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Kasperlitheater: «Dass ich damit einen kleinen Shitstorm lostreten würde, daran hätte ich im Traum nicht gedacht!»

Unser Autor sinniert über die Anforderungen, die gewisse Kreise heute an die Sprache stellen, damit sie ihren Ansprüchen genügt.

Romano Cuonz.
Bild: Bild: Obwaldner Zeitung

«Allein das heute als Tabu geltende N-Wort kommt in Jörg Schneiders Kasperlitheater gut 15 Mal vor», schrieb ich kürzlich in unserer Zeitung. Doch diese Feststellung stammte nicht von mir. Vielmehr zitierte ich dabei eine Obwaldner Gymnasiastin, die sich für ihre Maturaarbeit zum Ziel gesetzt hatte, das bei Kindern beliebte Stück «De Schorsch Gaggo reist uf Afrika» von rassistischen und frauenfeindlichen Sprüchen zu befreien. So weit, so gut!

Dass ich damit einen kleinen Shitstorm lostreten würde, daran hätte ich im Traum nicht gedacht! Doch es hagelte tatsächlich harsche Kritik. Einige Leser waren empört, dass jemand es überhaupt wagte, an Jörg Schneiders Kasperlitheater herumzuflicken. Ernsthaft zu denken gab mir vor allem ein E-Mail. Da schlug mir jemand vor: «Wenn es Ihnen unangenehm ist, das N-Wort auszuschreiben, lassen Sie das Schreiben besser ganz bleiben!» Um Himmels willen: Wie viele erboste E-Mails wären wohl eingetroffen, wenn ich das Wort tatsächlich ausgeschrieben hätte?

Diese Episode aber lässt mich mein eigenes Verhalten kritisch reflektieren. Bin ich genügend «woke»? Rassismusfrei und gendergerecht? Ehrlicherweise müsste ich «Jein» sagen. Einer Aufhebung der Rassismus-Strafnorm, wie sie die Volkspartei gerade dieser Tage in ihrem Parteiprogramm propagiert, würde ich zwar niemals zustimmen. Allzu grosses Leid hat rassistische Propaganda im Verlauf der Geschichte verursacht. Jedoch: Wenn die «woke»-Ideologie fast schon sektiererische Züge annimmt, sträuben sich mir die Haare.

Einige Beispiele: Ein Zürcher Lehrer verbannte «Die Physiker» von Friedrich Dürrenmatt als Pflichtlektüre aus dem Unterricht, nur weil darin zwei Mal das N-Wort vorkommt. Dafür habe ich wenig Verständnis. Nachgerade lapidar erscheint mir, wenn in der Zauberflöte anstatt «weil ein Schwarzer hässlich ist» neuerdings «weil ein Diener hässlich ist» gesungen wird. Als ob Diener keine Menschen wären. Mozart komponierte die Oper 1791. Andere Zeiten, andere Sitten!

Absurd war vor Jahren auch eine Diskussion in der Radioredaktion. Ich hatte von Nachtwächtern in der Luzerner Altstadt berichtet. Darauf titulierte mich eine Kollegin dezidiert als frauenfeindlich. Ich hätte «Nachtwächterinnen und Nachtwächter» sagen müssen. Auf meinen Einwand, dass es im Mittelalter bestimmt keine Nachtwächterinnen gegeben habe, hielt sie mir, noch vorwurfsvoller, entgegen: «Umso vehementer müssen wir wenigstens heute für sprachliche Gleichberechtigung sorgen!» Kein Kommentar!

Völlig schief fand ich auch die Anschrift auf der Einladung zu einem Vereinsanlass, die uns kürzlich ins Haus flatterte. «Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder» stand da schwarz auf weiss. Der Duden führt das Wort Migliederinnen nicht. Mit gutem Grund: Glied ist weder weiblich noch männlich. Es ist sächlich und damit, wenn wir schon so wollen, sogar «queer» akzeptabel.

Führte man (frau) derlei Diskussionen ad absurdum, würden groteske Fragen auftauchen: Müsste sich eine Frau, die den Nachnamen Kaufmann trägt, nicht auf Kauffrau umtaufen? Und: Wie stünde es mit Frau Herrmann? Würde die gar zur Frau Damefrau?

Einen guten Ratschlag an FastnächtlerInnen hätte ich am Ende dieses Diskurses noch: Wenner’s Verchläide nid chend laa, chyywäd yychä Chind wenigschtens vor, as si etztigä «People of Colour» oder «Native Americans» sind!

Romano Cuonz, Journalist und Schriftsteller aus Sarnen, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbst gewählten Thema.

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