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Luzern

Das Kloster St. Anna Gerlisberg in Luzern zeigt kleine und grosse Schätze

Am Samstag öffnet das Kloster St. Anna Gerlisberg die Türen für Besucher. In einem Antiquitätenmarkt bieten die Schwestern alte Möbel, Bilder und Werkzeuge zum Verkauf an. Unbezahlbar bleiben jene Stücke, die an die bewegte Geschichte der Kapuzinerinnen erinnern.
María Fernanda Salvador und Pius Fölmli, Mitglieder des Stiftungsrates St. Anna, mit einem Muttergottes- und Jesuskind-Gemälde, das am Antiquitätenmarkt am Samstag erworben werden kann. (Bilder: Pius Amrein, Luzern, 15. Oktober 2019)

Simon Mathis

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Es ist ein trüber Dienstagnachmittag. Der Regen trippelt sanft an die zahllosen Fenster des Klosters St. Anna Gerlisberg am Dietschiberg oberhalb von Luzern. Das Geräusch bricht die Stille in den langen, geräumigen Gängen:

Hier im Kloster wirkt alles gross. Fast zu gross für die zwölf Kapuziner-Schwestern, die hier leben. Und doch: Verlassen wirkt das Gebäude keineswegs. Die Ruhe ist friedvoll, nicht gespenstisch. Die Leiterin, Frau Mutter Sr. Maria Nicola Schmucki, empfängt mich mit einem herzlichen Lächeln. Sie geleitet mich in den Speisesaal. In U-Form reihen sich drei lange Holztische, die bereits für das Abendessen gedeckt sind. Sie sind ausgerichtet in Richtung Stadt Luzern. Kein Wunder: Die Aussicht vom Gerlisberg ist – selbst bei verhangenem Himmel – atemberaubend. Sr. Maria Nicola setzt sich mit mir an einen der Tische. Die 90-Jährige erzählt von der Geschichte des Klosters – und von ihrem eigenen Werdegang:

Die Gründerinnen des Klosters waren fünf Beginen aus Solothurn, Mitglieder einer christlichen Gemeinschaft, die sich der Frömmigkeit und Nächstenliebe widmeten. Sie kamen 1498 nach Luzern, weil sie die «Hochherzigkeit hatten, der Stadt bei einer argen Pest zu helfen», sagt Sr. Maria Nicola. Sie hatten den Mut, in direkten Kontakt mit den Kranken zu treten und ihnen zu helfen. Nach dem Ende der Pest baute die Regierung im Bruchquartier ein Haus für die religiösen Frauen – als Dank für die geleistete Arbeit. Dort konnten die Schwestern aber nicht lange bleiben; sie mussten den Jesuiten Platz machen, die in das bereits baufällige Gebäude zogen. Nach diversen Umzügen kehrten die Schwestern 1619 ins Bruchquartier zurück. Sie zogen in ein neues, reich geschmücktes Kloster, das diverse Spender aus Kirche und Politik ermöglichten.

Die Schwestern waren in der Stadt hoch angesehen und beliebt. «Früher baten viele vornehme Töchter der Stadt um Aufnahme», erzählt Sr. Maria Nicola. Im Totenbuch des Klosters sind sie fein säuberlich verzeichnet; da stehen Namen wie Amrein, Hartmann, Fleckenstein, von Sonnenberg und Hochstrasser. Heutzutage ist das anders: Der Nachwuchs kommt vornehmlich aus dem ostafrikanischen Tansania, wo die Schwestern eine Mission betreiben.

Ein Umzug mit abgedunkelten Fenstern

Auf dem Gerlisberg leben die Schwestern seit 1904. Der Umzug aus der Stadt erfolgte zunächst wehmütig. Die neue Linie der Eisenbahn in Richtung Norden führte direkt durch das Bruchkloster. Deshalb musste es abgebrochen worden – und die Schwestern sich nach einem neuen Heim umsehen. Sie fanden es am Gerlisberg. Das neue Kloster wurde vom damaligen Kantonsingenieur Müller in den Jahren 1901 bis 1904 gebaut.

Nur zwei kleine Bauernhöfe waren zuvor dort gestanden. Hundert Fuhren mit dem Wagen brauchte es, um das Hab und Gut des Klosters auf den Berg zu transportieren. Die Schwestern wurden in einem abgedunkelten Wagen chauffiert, um die Abgeschlossenheit der Klausur zu gewährleisten.

Der letzte Gottesdienst der Schwestern in der Stadt war der Überlieferung nach tränenreich. «Die Leute weinten, da sie von Frauen Abschied nehmen mussten, die für sie grosse Helferinnen waren», so Sr. Maria Nicola. Auch für die Schwestern war es nicht einfach; die Pläne der damaligen Schweizerischen Centralbahn erschreckten sie. Sr. Maria Nicola bezeichnet die Reise auf den Gerlisberg gar als «Flucht». Und: «Die Schwestern waren fast ein bisschen einsam hier oben.»

Ist es heute nicht erst recht einsam? «Nein», sagt die Frau Mutter. Sie sei froh, hier zu sein. «Auf diesem Hügel mit dem Blick auf den Vierwaldstättersee erleben wir täglich die liebende Vatersorge Gottes.» Neben den afrikanischen Schwestern leisten den Nonnen auch Besucher von ausserhalb Gesellschaft. Denn wer will, kann im Gebäude übernachten. Das tun etwa Studentinnen, aber auch Arbeitstätige. «Es sind Menschen, die Stille suchen», sagt Sr. Maria Nicola.

Wie eine Jesusfigur zu den Schwestern fand

Nach dem Gespräch zeigt mir die Frau Mutter den Kreuzgang des Klosters, wo wertvolle Glasmalereien von Jakob Wägmann (1586-1656) hängen:

In einem Seitengang befindet sich eine lebensgrosse Skulptur, die innehalten lässt: Jesus am Kreuz, im feinsten Detail ausgearbeitet.

Diese Figur stammte ursprünglich aus der Hofkirche St. Leodegar. Da die Skulptur wurmstichig war, wollte man sie um 1800 offenbar vernichten. Da wandte sich eine Frau an das Kloster St. Anna, das sich der Figur annahm. So konnte sie gerettet und restauriert werden.

«Der Anblick dieses Jesus hat eine unsichere Frau einst davon überzeugt, ins Kloster einzutreten», berichtet Sr. Maria Nicola. Stolz präsentiert sie auch den Grundstein der ersten Heimat der Schwestern, des Bruchmatte-Klosters, das auf Geheiss der Regierung 1510 fertiggestellt wurde. Er ist im öffentlichen Teil der Klosterkirche zu sehen, hier links auf dem Bild, zusammen mit Frau Mutter Sr. Maria Nicola Schmucki (links) und Sr. Avelina Uisso Ignace:

Die Schwestern im Kloster St. Anna betreiben eine Hostienbäckerei – die grösste der Schweiz. Sie beliefern die Kantone Luzern, Nid- und Obwalden sowie den Tessin und das Kloster Einsiedeln. Früher wurden die Hostien von Hand hergestellt, heute ist die Herstellung automatisiert. Vor allem die Verarbeitung der gebackenen Hostien kostet Zeit. «Die Verlese erfolgt sehr sorgfältig, jede Hostie muss eine perfekte Form haben», so Sr. Maria Nicola.

Am Samstag findet im Kloster St. Anna ein Antiquitätenmarkt statt. Verkauft werden natürlich nicht diese unschätzbaren Kulturgüter, sondern Alltagsgegenstände wie Töpfe, Öfen oder Schränke.

Organisiert wurde der Markt von María Fernanda Salvador, Mitglied des Stiftungsrates Kloster St. Anna, hier rechts auf dem Bild.

Dieser wurde 2017 gegründet, um den Schwestern bei der Verwaltung des Gebäudes unter die Arme zu greifen. Salvador freut sich darauf, Besuchern ein Stück Klostergeschichte weiterzugeben. Es stünden aber auch aktuelle Produkte der Schwestern zum Verkauf; etwa Kräutertee, Kerzen und Paniermehl.

Hinweis: Antiquitätenmarkt am Samstag, 19. Oktober, von 10 bis 17 Uhr im Kloster St. Anna Gerlisberg. Auch Führungen werden angeboten. Weitere Informationen: www.kloster-gerlisberg.ch

Mehrere Umzüge - die Ursprünge des Klosters

1498

Die Stadt Luzern wird von der Pest heimgesucht. Fünf Beginen aus Solothurn erklären sich bereit, den Kranken zu helfen. Nach der Pest bleiben sie in der Stadt.

1510

Die Regierung baut den Schwestern im Bruchquartier unter dem Gütsch ein Haus, das später zum Kloster St. Anna wird. Die religiösen Frauen übernehmen soziale Aufgaben wie Krankenpflege und Schulunterricht.

1574

Die Schwestern müssen den Jesuiten weichen. Sie ziehen zu einem neuen Kloster beim Sternenplatz. Heute ist dort das Restaurant «Stadtkeller».

1599

Die Schwestern ziehen abermals um; dieses Mal in die Rössligasse.

1619

Nach über hundert Jahren zügeln die Schwestern zurück ins Bruchquartier. Der prachtvolle Kloster-Neubau wird durch zahlreiche Spender aus politischen und kirchlichen Kreisen möglich.

1904

Weil eine neue Linie der Bundesbahnen direkt durch das Kloster führt, muss dieses abgebrochen werden. Die Schwestern ziehen auf den Gerlisberg, in das neu erbaute Kloster. Es ist ein wehmütiger Abschied von der Stadt Luzern.

1966

Drei Schwestern des Klosters St. Anna gründen im tansanischen Mauaam Fusse des Kilimandscharo ein Kloster für junge Frauen.

1998

Das Kloster St. Anna Gerlisberg feiert sein 500-jähriges Bestehen. Das Kloster wird restauriert.

2017

Die Stiftung Kloster St. Anna Gerlisberg wird gegründet. Sie verwaltet die Liegenschaft Gerlisberg für die Schwestern.

Weitere Bilder aus dem Kloster Gerlisberg:

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