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Nidwalden

Das Fasnachts-Kribbeln will bei Reiner Christen einfach nicht weg

Reiner Christen ist ein Urgnom – und das ist keineswegs despektierlich gemeint. Seit 40 Jahren spielt er bei den Lopper-Gnomen Trompete. Etwaige Abwanderungsgelüste verflüchtigten sich jeweils schnell wieder.
Der Hergiswiler Reiner Christen mit dem Maori-Gwändli. So gingen die Lopper-Gnomen im vergangenen Jahr an die Fasnacht. (Bild: Boris Bürgisser, Hergiswil, 21. Februar 2019)
Reiner Christen an früheren Fasnächten in Aktion, oben im Jahr 1990, unten 1988. (Bilder: PD)

Oliver Mattmann

Oliver Mattmann

Oliver Mattmann

Auch wenn Reiner Christen schon 63 Jahre auf dem Buckel hat – er freut sich noch jedes Jahr auf die Fasnacht, fast so wie ein kleines Kind. «Ja, das Kribbeln ist immer noch da», gesteht er. Der Hergiswiler ist im Dorf als Inhaber und Geschäftsführer der Fahnac GmbH bekannt. Aber nicht nur. Der Mann von imposanter Statur ist bei den heimischen Lopper-Gnome eine Institution. Der Begriff ist ganz bewusst gewählt, schliesslich gibt Reiner Christen seit 40 Jahren als Trompeter bei der heimischen Guuggenmusig mit den Ton an. Das macht ihm so schnell keiner nach.

Seit seinem Eintritt 1979 hat der Ur-Gnom keine Fasnacht verpasst. «Schon einige Jahre habe ich das Gefühl: ‹So, das ist nun das letzte Mal.› Aber es ist immer wieder anders herausgekommen», erzählt er in ruhigem Ton, aber mit einem unübersehbaren spitzbübischen Lächeln. Mittlerweile dürfte es auch ein wenig sein Stolz sein, der ihn daran hindert, die Karriere zu beenden, wenn seine Enkel mit dem gleichen Gwändli Seite an Seite mit ihrem Grossdädi mitlaufen. Und dann ist die Narrenzeit halt auch für den dreifachen Vater ein Ausbrechen aus dem Alltag. «Als Unternehmer stehe ich dauernd unter Strom. Daher ist Fasnacht für mich Erholung. Ich kann den Stromschalter umkippen, muss an keine Verpflichtungen denken und kann entspannt mit meinen Kameraden musizieren.»

Früher tourte die Guugge von Beiz zu Beiz

Wie Reiner Christen damals als 24-Jähriger zu den Lopper-Gnome gestossen ist, basiert auf einer amüsanten Episode. Er habe schon als Jugendlicher gerne Musik gemacht, doch seine Leidenschaft galt eben auch dem Fussballspielen. Irgendwann habe er eine Wahl treffen müssen und sich für das runde Leder entschieden. Das Musizieren liess ihn trotzdem nie ganz los, weil er aber kein Instrument richtig gelernt hatte und nicht einfach der Musikgesellschaft beitreten konnte, beschloss er, in die Guugge zu gehen, zumal seine Schwester bereits Mitglied war. «Es war eine schleichende Entwicklung», sagt der Trompeter rückblickend, «der Fasnachtsvirus hat aber schon immer in mir geschlummert.»

Den besten Beweis dafür lieferte er in der Folge ab: sieben Jahre lang war er Major der Lopper-Gnome, zehn Jahre Bauchef, drei Jahre OK-Chef der Hergiswiler Fasnachtseröffnung und des früheren Gnome-Maskenballs, zwischendurch auch Personalchef und später sprang er nochmals als Bauchef ein. Er sei bei den Gnomen der «letzte Major der alten Garde» gewesen. So hatte Reiner Christen die Aufgabe, den Tourenplan zusammenzustellen sowie für Verpflegung, Transport und allenfalls Übernachtungen bei Auftritten fernab der Heimat zu sorgen. «Organisieren war mein Ding.» Auch den Majoren-Grind gestaltete er – abgesehen von einigen wenigen Helfern – damals von A bis Z selber. Diesen bekamen die Guuggengspändli in der Regel erst als Überraschung am Morgen des Schmutzigen Donnerstag zu Gesicht.

Zu seiner Majorenzeit präsentierte sich die Nidwaldner Fasnacht doch ziemlich anders als heute. In Stans spielte sich das bunte Treiben am Schmutzigen Donnerstag nicht auf dem Dorfplatz, sondern in den umliegenden Restaurants ab. Als «Tätschmeister» zog Christen vorgängig von Beiz zu Beiz, um Spielzeiten zu vereinbaren. Damals waren die Lopper-Gnome praktisch die einzige Formation mit dem Charakter einer Guugge. Erst nach und nach tauchten aus Stans selbst und den umliegenden Gemeinden weitere Guuggen auf. Das Geschehen verlagerte sich zusehends nach draussen auf öffentliche Plätze, für die Auftritte der Guuggen wurden Standorte definiert, später Bühnen aufgestellt.

Für «Poldi», wie ihn die Kameraden liebevoll nennen, war der Zeitpunkt gekommen, Jüngeren das Zepter zu überlassen. Als erster Major überhaupt blieb er den Lopper-Gnomen aber nach seinem Rücktritt als Oberhaupt erhalten. Inzwischen geniesst er den Status als Ehrengnom. Wenn er mehr als 50 Prozent Probenbesuche auf dem Konto hat, darf er das volle Fasnachtsprogramm mitmachen. Reiner Christen lacht: «Ich komme auf mehr Probenbesuche als früher.»

Mitglieder haben eine lange «Halbwertszeit»

Der Hergiswiler verleugnet nicht, dass es ihn hie und da reizte, mal eine Luftveränderung vorzunehmen und in eine Luzerner Guugge zu wechseln. «Meine Pläne haben sich meist aber schnell zerschlagen, weil wir eine verschworene Einheit sind und unser Musikstil vielseitiger ist.» Tatsächlich haben die Lopper-Gnome ein beachtliches Altersgefüge. «Die Jungen werden von den Alten geführt und umgekehrt. Jeder achtet jeden. Das gibt den nötigen Kitt und stellt unsere musikalische Qualität sicher.» Wer einmal bei den Lopper-Gnome angekommen sei, verabschiede sich nicht so schnell wieder aus der Truppe. «Das merkt man unserer Musik an.»

Dass die Gnomen aufgrund ihrer Klänge und laut ihm «exklusiven Gwändli» gerne als Luzerner bezeichnet werden, war früher ein Stück weit dem Neid geschuldet, glaubt «Poldi». Dies sei passé. «Heute können wir über solche Bemerkungen lachen.» Die Gnomen sind an diesem Klischee allerdings nicht ganz unschuldig. So dürfen sie als einzige Nicht-Luzerner Guuggenmusig am finalen Monstercorso in der Stadt teilnehmen. «Darauf sind wir natürlich sehr stolz», kehrt Reiner Christen die Perspektive. Seit vielen Jahren rage zudem ihr Majoren-Grind von den Dimensionen her positiv aus dem Umzug heraus. Und wenn dann noch die Fasnächtler entlang der Strasse zu ihrer Musik tanzen und mitwippen, ist es neuerlich um den 63-Jährigen geschehen. «Dann kriege ich endgültig Hühnerhaut.» Das Kribbeln zur fünften Jahreszeit wird Reiner Christen wohl ein Leben lang nicht los.

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