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Nahostkonflikt

Bildungsdirektor Schleiss fordert Zuger Lehrpersonen auf, beim Hamas-Terror kein «Ja, aber ...» gelten zu lassen

In einem offenen Brief fordert der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss die kantonalen Schulen dazu auf, klar Stellung gegen Hamas-Terror zu beziehen. Die Präsidentin des Lehrer-Dachverbands hinterfragt, wie sinnvoll dieses Schreiben ist.
Der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss. (Zug, 13. 9. 2023)
Bild: Bild: Matthias Jurt

«Bei Terrorismus kein ‹Ja, aber ...›» lautet der Betreff des sonderbaren Briefs, den der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss (SVP) Mitte Oktober an sämtliche Lehrpersonen der kantonalen Schulen und der PH Zug gerichtet hat. Schleiss appelliert darin, sich beim Nahostkonflikt klar zu positionieren – und zwar auf der Seite von Israel. Das hat der «Tages-Anzeiger» am Freitag publik gemacht .

Schleiss habe anlässlich eines Vortrags eines Korpskommandanten ein Grusswort verfasst und wolle nun den Kern dieses Grussworts als offenen Brief auch den Lehrpersonen zustellen. Gerade in der Bildung seien «wir alle» gefordert, «gemeinsame, unverrückbare Werte» zu vermitteln, einzufordern und zu verteidigen, schreibt Schleiss. «Seit dem 7. Oktober 2023 erst recht.»

Er schreibt weiter, Israel sei von Terroristen überrascht worden, «die wahllos Menschen ermordeten, vergewaltigten und verschleppten, sich an kein Kriegsrecht haltend; von Terroristen, die dem Staat Israel das Existenzrecht absprechen, alle Israeli ins Meer treiben und anstelle Israels oder eines Nebeneinanders einen islamistischen Staat errichten wollen.»

Es dürfe kein «Ja, aber ...» geben, greift Schleiss ein Zitat des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz auf. Keine Kritik an den politischen Entscheidungen Israels rechtfertige den Hamas-Terror.

Diese Debatte werde auch in den Schulen zu führen sein, schreibt Schleiss. Der 7. Oktober 2023 sei für Israel das, was der 11. September 2001 für die USA sei. Und weiter: «Freiheit und Sicherheit sind nicht einfach gottgegeben oder da. Demokratie und Humanismus auch nicht. Wir müssen an unseren Schulen immer wieder das Fundament dafür legen.» Den ganzen Brief im Wortlaut gibt es hier zu lesen.

«Kein Maulkorb» für Lehrpersonen

Der Brief sei nicht als Instruktion für den Unterricht gedacht, sagt Stephan Schleiss gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Es handle sich um keinen Maulkorb für die Lehrerinnen und Lehrer. «Ich möchte mit diesem Brief zum Ausdruck bringen, dass diese Debatte an den Schulen objektiv geführt werden muss.» Das Schreiben hat aber auch zu Kontroversen geführt. «Ich habe von einigen Lehrpersonen direkt positive Reaktionen erhalten, aber auch vernommen, dass andere ihr Missfallen darüber äusserten.»

Der Co-Präsident des Zuger Lehrer- und Lehrerinnenvereins erfuhr erst durch den «Tages-Anzeiger» von Schleiss’ offenem Brief. «Wir wären schon gerne darüber orientiert worden, wenn der Bildungsdirektor solche Informationen weitergibt.» Der Brief sei ungewöhnlich, sagt er, aber inhaltlich nicht weiter problematisch. Er verstehe ihn nicht als Maulkorb, sondern als Aufforderung, auch kontroverse Themen im Schulzimmer anzusprechen.

Oberste Lehrerin zweifelt an Sinnhaftigkeit des Briefs

Die Präsidentin des Schweizerischen Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer, Dagmar Rösler, zeigt sich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» hingegen irritiert. Es sei nicht die Aufgabe der Schule, Schuldzuweisungen zu machen. Es sei zentral, dass Lehrpersonen die Thematik sachlich darstellen. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, zwischen wahren und falschen Informationen zu unterscheiden und sich eine eigene fundierte Meinung zu bilden. Ein Schreiben durch die Bildungsdirektion könne sinnvoll sein, wenn es eine Hilfeleistung biete. «Es ist für mich aber nicht ersichtlich, was mit dem Brief genau bezweckt werden soll.»

Auf Nachfrage unserer Zeitung, wie er auf die Irritationen reagiert, die sein Brief ausgelöst hat, antwortet Stephan Schleiss mit einem Wort: «Gelassen.» Und was war der tiefere Sinn des Briefs? «Bei Terrorismus kein ‹Ja, aber ...›», das sei die Botschaft. Da der 7. Oktober 2023 an jeder Mittelschule Thema sei und sein müsse, sei es ihm ein Anliegen gewesen, diesen zentralen Gedanken in den Fokus zu rücken. «Der Brief richtet sich an studierte Erwachsene, die keine Hilfestellung von mir benötigen.»

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