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Biologie

Aus Haar wird Stein: Nidwaldner Schneckenart bekommt neuen Namen

Die Nidwaldner Haarschnecke heisst jetzt Nidwaldner Steinschnecke. Grund dafür ist eine neue evolutionäre Einordnung.

Einige Nidwaldner Steinschnecken bevölkern ihr natürliches Habitat.
Bild: Bild: PD

Die evolutionäre Abstammung von Fruticicola biconica wurde seit ihrer Beschreibung durch Eder im Jahr 1917 in Frage gestellt. In einer Medienmitteilung des Biologen Markus Baggenstos wird diese Art als mikroendemische Art von Berggipfeln in der Zentralschweiz beschrieben, die eine spezielle Schalenanpassung für das Leben unter Steinen habe.

Genau übersetzt heisst «Raeticella biconica» in Anlehnung an ihr Gehäuse die «doppelt geschulterte Schweizerin». Mit Rätien bezeichneten die Römer das Gebiet nördlich der Zentral- und Ostschweizer Alpen.

Ein einzigartiges Tier

Die Nidwaldner Steinschnecke (Nidwaldner Haarschnecke) ist einzigartig und wohl eine der echtesten und ersten Schweizerinnen überhaupt. Sie kommt nur in der Schweiz und nur in den drei Kantonen Nidwalden, Obwalden und Uri vor. Sie lebt oberhalb der Waldgrenze in grasreichen Kalkfels- und Steinfluren.

In einer Studie konnte ein Team um den Biologen Markus Baggenstos zeigen, dass Fruticicola biconica weder zur Gattung Trochulus (Haarschnecken) noch zu einer anderen Gattung innerhalb der Trochulini gehöre, sondern in eine neue Gattung Raeticella eingeordnet werden müsse. Abstammungsanalysen hätten gezeigt, dass R. biconica klar von Trochulus getrennt ist. Schalenmorphologische und genitalanatomische Untersuchungen stützen diese Ergebnisse. Auch in der Jugend wachsen auf dem Gehäuse keine Haare.

In den Nordöstlichen Kalkalpen Österreichs kommen sogar zwei verschiedene «Steinschnecken» vor. Auch diese Tiere haben auf ihrem Gehäuse keine Haare. Denn sie leben ausschliesslich in Felsspalten oder zwischen den Steinen.

Angepasst an die Alpen

Für die genetischen Untersuchungen wurden im Sommer 2020 Tiere aus zehn verschiedenen Kalkbergen ausgewählt, die in möglichst grossen Populationen vorkommen. Pro Population wurden zwei lebende Tiere gesammelt.

Die genetischen Untersuchungen zeigen, dass die Steinschnecken wohl eine der echtesten und ersten Schweizer- bzw. Österreicherinnen sind. Denn sie haben sich zu Beginn der Eiszeiten nicht wie die übrigen Haarschnecken mit den Wäldern ins Tiefland nach Nordeuropa oder Afrika zurückgezogen, sondern haben sich an die grasreichen Fels- und Steinfluren der Alpen angepasst und haben dort bist heute überlebt.

Die genetische Vielfalt zwischen den isoliert vorkommenden Populationen ist recht gering. Daher habe diese Art wahrscheinlich während des Pleistozäns und des letzten Gletschermaximums ein Engpassereignis erlebt. Einige isolierte Populationen überlebten offensichtlich diese verbotene Zeit.

Die aktuelle Verbreitung deckt sich ziemlich genau auf Kalkberge mit einer Höhe von mehr als 2000 m ü. M., die während des letzteiszeitlichen Gletschermaximums vor 24’000 Jahren nicht vereist als Inseln über dem Eismeer lagen. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Nidwaldner Steinschnecke war vermutlich grösser.

Wie die Nidwaldner Steinschnecke mit der aktuellen, relativ raschen Klimaänderung umgehen wird, wissen die Wissenschafter nicht. Als echte Klima- und Mikroklimaspezialistin dürfte sie sich wieder am Rande des Überlebens bewegen. Eventuell werde sie sogar leichter und erfolgreicher mit der Situation fertigwerden als wir Menschen, vermutet Baggenstoos. (nke/pd)

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