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Zug

«Alles oder Nichts» – Die Leere als gestaltendes Element

Mit seiner Ausstellung «Alles und Nichts» setzt das Kunsthaus Zug die mannigfaltigen Bezüge zwischen der japanischen Kultur und der westlichen Kunst in den Fokus. Die Bezüge zwischen diesen zwei Welten werden auf vielen Ebenen sichtbar.
Die Ausstellung zeigt anschaulich die Bezüge zwischen der Kunst Japans und derjenigen Europas. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 28. Januar 2022))
(Bild: Stefan Kaiser (Zug, 28. Januar 2022))
Die Ausstellung «Alles und Nichts» untersucht die Bezüge westlichen Kunstschaffens mit Japan.  (Bild: Stefan Kaiser)

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Japan, das Land weit weit im Osten, hat die Menschen des Westens schon im 19. Jahrhundert fasziniert. Heute ist die einst «geheimnisvolle, grosse Unbekannte» in knapp zwölf Flugstunden erreichbar. Was von Japan in unseren Breitengraden jedoch noch immer wenig wahrgenommen wird, ist das dortige Kunstschaffen und noch weniger dessen Geschichte. Kunst hat in Japan eine jahrhundertealte Tradition, und sie hat die Europäer bereits vor der Jahrhundertwende beeinflusst – und sie tut das bis heute. Nur wird das oft nicht unmittelbar wahrgenommen.

Mit seiner neuen Ausstellung «Alles und Nichts. Japan und die moderne Kunst bis heute» setzt das Kunsthaus Zug genau diesen Fokus: Es zeigt die nachhaltigen Einflüsse der Kultur Japans in der westlichen Kunst ab der Moderne auf und demonstriert auf anschauliche Weise, wie zeitlos die Faszination Japan im Westen ist. Um die vielseitigen Bezüge und Einflüsse zu thematisieren, hat das Kunsthaus Zug vor allem aus den Möglichkeiten der eigenen Sammlung geschöpft und ergänzend Leihgaben aus dem Historischen und Völkerkundemuseum in St.Gallen herangezogen. Einzelne Exponate sind aus Privatbesitz oder von Kunstsammlungen/-galerien, unter anderem in Wien, zur Verfügung gestellt.

Die Auseinandersetzung abendländischer Kunstschaffender mit der fernöstlichen Kunst hat im ausgehenden 19. Jahrhundert begonnen. Die einen sahen in ihre Projektionsfläche für Gegenwelten, andere griffen Technik und Formensprache auf, um ihre eigene Handschrift und Ästhetik zu entwickeln. Wiederum andere gingen rein über das Technische hinaus und drangen in die japanische Geisteswelt und Philosophie vor, um sich leiten zu lassen. Die Bezüge zwischen der westlichen und der japanischen Kunst ist seit jeher von einer überraschenden Mannigfaltigkeit geprägt, wie sie nun in Zug sicht- und erfahrbar wird.

Ein Kernsatz der Mahayana-Sutras als roter Faden

Deutlich sichtbare Einflüsse Japans finden sich in der frühen europäischen Moderne bereits bei Gustav Klimt, Wassily Kandinsky, Franz Marc oder – gar noch zuvor – bei Henri de Toulouse-Lautrec. Formen, Farben, Herstellungstechnik oder aber die subtile weibliche Erotik, welche in der japanischen Kunst generell dem Vulgären entsagt, sind Aspekte, denen der eine Raum gewidmet ist. Hier wird auch gezeigt, wie die Wiener Secessionisten mitunter von fernöstlicher Kunst inspiriert waren, was sich bei Kolo Moser im Möbeldesign niederschlägt – und bei Joseph Maria Olbrich in der Baukunst: In seinem Secessionsgebäude in Wien findet sich ein zentraler Aspekt der japanischen Kunst wieder, derjenige der Leere, welche die Form erst ermöglicht: Grosse, weisse («leere») Flächen addieren sich zu einem Ganzen und geben dem Konstrukt erst seine Endform. Denn ohne Leere kann Form nicht existieren, und ohne Form existiert Leere nicht; ein Kernsatz der buddhistischen Mahayana-Sutras. Leere kann alles beinhalten – oder eben nichts.

Das Moment von Form und Leere als verbindendes, gestaltendes Element zieht sich wie ein roter Faden mit Unterbrüchen durch die gesamte Ausstellung. Bei John Cages visuellen Musiknotationen oder bei den kalligrafischen Farbstrukturen von Marc Tobey in etwas anderer Form als bei den grossformatigen, minimalistischen Tafeln von Pavel Pepperstein oder Ilya Kabakov. Ausgewählte Arbeiten von Annelies Strba, Tadashi Kawamata oder Adrian Schiess holen den engeren wie den weiteren Bezug zur japanischen Kunst in die Gegenwart und auch zur Region Zug. Textilien – darunter japanische Kimonos – aus dem Nachlass der noch während ihrer grossen Gesamtschau im Kunsthaus Zug verstorbenen Christa de Carouge bespielen einen ganzen Raum.

Tiefgründig und doch leicht zugänglich

«Unser Bestreben war es, bei der Wahl und Präsentation der Werke in die Tiefe zu gehen», sagt Kunsthaus-Direktor und Ausstellungskurator Matthias Haldemann und fügt an:

«Die Bezüge sollen aber stets auch für Laien sichtbar und verständlich bleiben.»

Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit nicht einfach, doch es ist gelungen und erschliesst die Thematik auf allen Ebenen. Inhaltlich, geografisch, formell, biografisch werden Bezüge zu Japan aufgezeigt.

Die bis nach Mitte April dauernde Ausstellung «Alles und Nichts» mit 145 Werken von 52 Kunstschaffenden wird begleitet von einem Rahmenprogramm, unter anderem auf dem Gebiet der Kunstvermittlung. Es beinhaltet thematische Einführungen für Lehrpersonen, Workshops für Schulklassen oder Sonderworkshops. Führungen, Vorträge, Begegnungen, kulinarische Erlebnisse und Künstlergespräche begleiten die Ausstellung. Informationen dazu und alles Weitere sind auf der Website des Kunsthauses (www.kunsthauszug.ch) zu finden. «Alles und Nichts», deren Eröffnung am Freitag unter Anwesenheit von Regierungsrat Andreas Hostettler (in Japan geboren und aufgewachsen) und Kojiro Shiraishi, japanischer Botschafter in der Schweiz, stattgefunden hat, läuft bis und mit 18. April.

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