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Fussball

Zwei Monate vor Beginn der WM pfeift Weltmeister Frankreich aus allen Löchern

Nationalspieler wollen nicht mehr miteinander spielen, Angehörige landen im Gefängnis und der Verbandspräsident steht auf «Blondinen».

Als man noch Spass miteinander hatte: Die 'schweren Jungs' Paul Pogba, Karim Benzema und Kylian Mbappé während der EM vor zwei Jahren.
Bild: Keystone

Der Hahn auf dem blauen Trikot der französischen Nationalelf wirkt derzeit ziemlich zerzaust, wenn nicht gerupft. Und fast scheint es, dass ein Übel das nächste anzieht. Begonnen hatte das Malheur im August mit der Erpressungsaffäre um den Mittelfeldstrategen Paul Pogba. Sein Bruder Mathieu ist dieser Tage mit vier Bekannten in Untersuchungshaft gekommen.

Auf Internet hatte er herumposaunt, Paul habe aus Kollegenneid einen Marabout – einen afrikanischen Heiler – auf Stürmerstar Kylian Mbappé angesetzt, um diesen ausser Gefecht zu setzen. Paul Pogba räumte gegenüber der Polizei ein, er werde deswegen erpresst und habe schon 100 000 Euro in bar überwiesen, nachdem man ihn mit einem Gewehr bedroht habe. Gegen sein Bruderherz und ein paar weitere Freunde des Hauses wird nun strafrechtlich ermittelt.

Viele Fans der «Blauen» zweifeln, ob Pogba und Mbappé je wieder zusammen spielen werden. Paul ist zudem verletzt. Der der Juve-Star hat sich anfangs September – also nach Ausbruch der «Affäre» – einer Meniskus-Operation unterzogen. Medizinisch ist das sicher gerechtfertigt; doch Nationaltrainer Didier Deschamps erhält damit auch einen willkommenen Vorwand, Pogba nicht mehr neben (oder hinter) dem «maraboutierten» Goalgetter antreten zu lassen.

Mbappé streitet sich beim Elfmeterpunkt

Wobei Mbappé gar nicht verhext wirkt: Mit zehn Toren in acht Spielen ist er sportlich in Hochform. Seine Aura hat dennoch gelitten. Die Sportzeitung L’Equipe enthüllte unlängst, dass der Stürmerstar bei Paris Saint-Germain (PSG) nicht wie bisher angenommen bis 2025, sondern lediglich bis 2024 unterzeichnet habe; nach der WM werde er damit nur noch ein Jahr in Paris bleiben. Das schmerzt seine Pariser Fans und verstärkt den Eindruck, dass Mbappé den PSG so schnell wie möglich verlassen möchte.

Mit seinem Spielnachbar Neymar balgte er sich gegen Montpellier ziemlich kindisch um einen Elfmeterball. Dann prustete er an einer Pressekonferenz wie ein Schulbub heraus, als sein Trainer Christophe Galtier einen üblen Klima-Scherz riskierte.

Ist da doch ein Marabout im Spiel? Auf jeden Fall wirkt Mbappé ausserhalb des Spielfeldes alles andere als souverän. Der 23-jährige macht gerade die neue Erfahrung, dass Torschiessen im Leben nicht alles ist.

Talente für zwei Nationalmannschaften

Der andere Schützenkönig der Bleus, Karim Benzema, leidet seinerseits an einer Oberschenkelverletzung. In den letzten Spielen der Nation League – in der Frankreich Gruppenletzter ist – bietet ihn Deschamps nicht auf. Neben «KB9» und Pogba fehlt verletzungsbedingt die halbe Mannschaft: Presnel Kimpembe, Lucas Hernandez, Theo Hernandez, Ibrahima Konaté, N’Golo Kanté, Kingsley Coman, Adrien Rabiot, Boubacar Kamara und Torhüter Hugo Lloris – der Kapitän.

Laut dem Sender France-Info bereiten diese Ausfälle Deschamps reichlich «Kopfschmerzen». Imerhin: Danke den früheren Kolonien hat Frankreich aber genug Reserven für zwei Nationalteams. Alles Topleute. Wenn Benzema nicht kann, springt Olivier Giroud (AC Milan) ein. Von Real Madrid kommt Eduardo Camavinga, noch nicht 20. Nicht zu vergessen Antoine Griezmann. Und auch nicht Ousmane Dembélé: Der Flügelmann von Barça und Spassmacher der Bleus leistet ganze Arbeit. So auch bei der jüngsten Barça-Niederlage gegen Bayern.

In Paris beruhigt man sich, die meisten Verletzungen dürften bis November kuriert sein. Und eine kleine Krise zur richtigen Zeit habe den «Blauen» noch immer geholfen, sie aufzuwecken. Schützt es die stolzen Träger zweier WM-Sterne vor ihrem ärgsten Feind, der Überheblichkeit?

Die Entgleisungen des 80-jährigen Präsidenten

Doch der Wurm steckt überall drin. Nicht nur Erpresser und Hexer sondern auch Trainer – siehe Galtier – und Funktionäre rauben den Stars die Konzentration. Der allmächtige Präsident des französischen Fussballverbandes (FFF), Noël Le Graët, soll Verbandsmitarbeiterinnen mit SMS belästigt haben.

«Ich bevorzuge Blondinnen, wenn Ihnen das zusagt», schrieb der 80-jährige Sportsfreund einer jungen Angestellten; «Sie sind ja wirklich gut ausgestattet, ich würde Sie gerne in mein Bett legen.» Nun ermittelt die Justiz. Muss Le Graët den Hut nehmen, wäre das ein zusätzlicher Destabilisierungsfaktor für die Nationalelf.

Noch tiefer in der Krise steckt nur die französische Nationalelf der Frauen. Die Spielerin Aminata Diallo – die Beziehungen zur Mbappé-Familie haben soll – wird verdächtigt, zwei Spiessgesellen angehalten zu haben, eine Rivalin ausser Gefecht zu setzen. Kheira Hamraoui, ebenfalls vom Frauenspitzenklub PSG, erhielt Schläge mit Eisenstangen auf ihre Beine. Heute ist sie wieder im Einsatz. Gegen Diallo läuft ein Strafverfahren.

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