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Paris-Roubaix

«Wie von einem Lastwagen überrollt»: Stefan Küng will den Sieg im härtesten Rennen

Fabian Cancellara war 2013 der letzte Schweizer, der den Eintagesklassiker Paris-Roubaix für sich entschied. Stefan Küng will ihm nun folgen.

Stefan Küng (vorne) strebt in Paris-Roubaix den grössten Erfolg seiner Karriere an.
Bild: Bild: Freshfocus

Die «Hölle des Nordens» hat es Stefan Küng angetan. Es ist der Übername für Paris-Roubaix, eines der bedeutendsten klassischen Eintagesrennen im Strassenradsport. Die furchteinflössende Bezeichnung kommt nicht von ungefähr. Der Klassiker ist spektakulär, brutal und erbarmungslos – und es ist das Lieblingsrennen des 29-jährigen Thurgauers. Eines, das er unbedingt gewinnen möchte.

Am Ostersonntag ist es wieder so weit. Die 120. Austragung führt die Velo-Profis auf den 256,6 km über 29 Pavé-Sektoren, den berüchtigten Kopfsteinpflasterpassagen. Auf dem teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Strassenbelag werden die Athleten über insgesamt 54,5 km richtig durchgeschüttelt. Eine Tortur für Fahrer und deren Material. Küng beschreibt das so: «Wegen der Schläge von den Pflastersteinen ist man am Abend am Ende seiner Kräfte. Am nächsten Tag hat man das Gefühl, von einem Lastwagen überrollt worden zu sein.»

Sieger als moderner Gladiator

Vor dem rutschigen und holprigen Untergrund kommt es immer wieder aufs Neue zu Positionskämpfen. Auf den schmalen Strassen geht es wie in einem Massensprint zu und her, die Ellbogen werden ausgefahren, jeder will sich in den vorderen Rängen klassieren, um das Sturzrisiko zu minimieren. «Es gibt kaum eine Möglichkeit, um durchzuatmen. Sowohl physisch als auch mental wird alles abverlangt.» Deswegen bezeichnet der Ostschweizer denjenigen, der die Ziellinie im Velodrom von Roubaix als Erstes überquert, als modernen Gladiator.

Die «Hölle des Nordens» fordert von den Athleten alles ab. So auch bei der 118. Edition 2021.
Bild: Bild: Anne-Christine Poujoulat/AFP

Mit der Unerbittlichkeit von Paris-Roubaix, das zu den fünf Monumenten des Radsports gehört, musste Küng schon früh Bekanntschaft machen – und zwar mehrmals. 2017 stürzt er, ein Materialwagen fährt über seinen Arm. Auch im Folgejahr schafft er es nicht ins Ziel. 2021 kommt er gleich dreimal zu Fall. Nichtsdestotrotz hielt er an der Bezeichnung Lieblingsrennen fest.

Im vergangenen Jahr bewies er mit dem dritten Rang, weshalb dies der Fall ist. «Ich wusste, dass mir das Rennen liegt, und hatte noch eine Rechnung offen. Endlich konnte ich das umsetzen, was ich von mir erwartet habe.» Mit dem Podestplatz sei für ihn ein Bubentraum in Erfüllung gegangen. Der Durst ist damit noch nicht gestillt. Der 29-Jährige, der beim französischen Team Groupama-FDJ unter Vertrag steht, will mehr.

Küng ist Mit-, aber nicht Topfavorit

Die Trophäe des kleinen Pflastersteins steht bei Küngs im Wohnzimmer. Einerseits ist es eine schöne Erinnerung, andererseits auch Ansporn. «Wenn man Dritter wird, kann man auch das Rennen gewinnen. Das ist noch eines meiner grossen Ziele.» Im Vorfeld sind alle Augen auf die beiden Topfavoriten Mathieu van der Poel und Wout van Aert gerichtet. Genau von dieser Rivalität will der Thurgauer profitieren. Er mag es, wenn er etwas unter dem Radar fliegen kann.

Der Schweizer musste sich im letzten Jahr nur von Dylan van Baarle (Mitte) und Superstar Wout van Aert geschlagen geben.
Bild: Bild: Keystone

Weil die kleinsten Details in diesem Rennen über Sieg und Niederlage entscheiden, setzt sich der Schweizer im Vorfeld mit solchen auseinander. Beispielsweise mit den meteorologischen Gegebenheiten. Er erwartet Gegenwind, heisst: Das wird wohl das Rennen hemmen. «Ich werde zuwarten und schauen, wie sich die Situation entwickelt. Dann glaube ich auch, dass ich am Ende den Unterschied ausmachen kann.»

Man könne sich die beste Taktik zurechtlegen, aber letztlich müsse man diese im Rennen andauernd anpassen. Im Schatten der grossen Favoriten will Stefan Küng in der «Hölle des Nordens» seinen grössten Karriereerfolg feiern. Am Tag darauf wird er mit dem Gefühl, von einem Lastwagen überrollt worden zu sein, erwachen. Hoffentlich als moderner Gladiator.

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