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Vor Medaillenspiel: Daniela Diaz, die Mutter der Schweizer Eishockeynati der Frauen, verlässt den Verband aus Frustration

Eine Medaille liegt für unsere Eishockeynati der Frauen bereit – aber Frauen-Sportdirektorin Daniela Diaz verlässt den Verband. Offenbar aus Frustration über die unhaltbaren Zustände.
Die Eishockeynati der Frauen spielt bei den Olympischen Spielen in Peking um Bronze. (Li Ziheng / Zuma)
Früher Trainerin, später Frauen-Sportdirektorin: Daniela Diaz. (Bild: Nadia Schärli)
2014 gewann die Eishockeynati der Frauen in Sotschi Bronze. (Laurent Gillieron / KEYSTONE)

Klaus Zaugg, Peking

Klaus Zaugg, Peking

Klaus Zaugg, Peking

Wenn wir den Stellenwert der Frauen in unserem Hockey erklären wollen, können wir das mit einer Personal-Posse beim Verband tun: Daniela Diaz (39) ist im Frühjahr 2019 vom damaligen Verbands-Sportdirektor Raeto Raffainer als Frauen-Sportdirektorin angestellt worden.

Nun hat sie gekündigt. Offenbar aus Frustration über die unhaltbaren Zustände. Der heutige Sportdirektor Lars Weibel lässt jedenfalls auf eine entsprechende Frage ausrichten, der Grund für die Trennung seien unterschiedliche Vorstellungen rund um ihren Job.

Architektin des Schweizer Frauen-Hockeywunders

Ob die Stelle wieder besetzt werde, sei offen. Durch den Abgang der Schwester von Raphael Diaz werden die Frauen zu den Waisenkindern unseres Hockeys. Sie verlieren sozusagen ihre Mutter. Einen Vater haben sie in den geräumigen Verbandsbüros sowieso nicht. Daniela Diaz ist die Architektin des Schweizer Frauen-Hockeywunders. Die ehemalige Nationalspielerin hat sich auf allen Ebenen engagiert, zeitweise auch als Nationaltrainerin.

Die grösste Bühne für Randsportarten wie Frauen-Eishockey sind die Olympischen Spiele. Nun zeichnet sich in Peking ab, dass die Frauen zum dritten Mal nach Sotschi (2014) und Südkorea (2018) in jeder Beziehung ein besseres Resultat erzielen als die Männer. In Sotschi holten sie Bronze, in Südkorea hatten sie den Viertelfinal erreicht und in Peking spielen sie am Mittwoch zur besten TV-Sendezeit (12.30 Uhr) um Bronze. Die Männer scheiterten 2014 und 2018 schon im Achtelfinal kläglich.

In keiner anderen Disziplin wird in unserem Sport aus so wenig so viel gemacht wie im Frauen-Eishockey. Kanada hat 101 879 lizenzierte Spielerinnen. Die Schweiz 2 011. Kanada hat in der ganzen Olympischen Geschichte (seit 1998) nur dreimal gegen europäische Teams drei Tore kassiert: 1998 gegen Schweden, 2002 gegen Finnland und nun im Halbfinal gegen die Schweiz. Mit dem jüngsten Team des Turniers ist Nationaltrainer Colin Muller drauf und dran, eine Medaille zu holen. Wenn es ein Team des Jahres gibt, dann sind es die Eishockey-Frauen.

Aber dieses Wunder steht mit nur etwas mehr als 1'000 lizenzierten Spielerinnen auf dünnem Eis. Colin Muller sagt, er wisse nicht, wie es nach Peking weitergehe. Wenn zwei oder drei der erfahrenen Spielerinnen aufhören, beginne alles wieder von vorne. «Ich weiss nicht, ob ich dann weitermachen werde.»

Kaum Investitionen in das Frauenhockey

Der Verband verschweigt schamhaft, wie wenig bei einem Jahresumsatz von 75 Millionen und einem Personalaufwand von 12 Millionen ins Frauenhockey investiert wird. Es dürfte weniger als eine Million sein. Doch viel schwerer wiegt der fehlende hockeypolitische Support. Colin Muller sagt: «Es wäre ein riesiger Fortschritt, wenn jeder NL-Klub dazu verpflichtet würde, eine Frauenabteilung zu führen.» Eine entsprechende Regelung wäre problemlos mach- und durchsetzbar. Doch nur die ZSC Lions und Lugano investieren seit Jahren gezielt ins Frauenhockey.

Unser Hockey vergibt eine riesige Chance. Dank kurzer Distanzen, einer hohen Lebensqualität, exzellenten sportlichen Infrastrukturen und Bildungsmöglichkeiten könnten wir innert kurzer Zeit die beste Frauenliga Europas aufbauen. Die Schweizer Frauen wären bei allen Titelkämpfen das führende europäische Team.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die höchste Frauenliga umfasst gerade mal sechs Teams. Die Titanen ZSC Lions und Lugano dominieren die Hockey-Romantikerinnen aus Thun, Neuenburg, dem Thurgau und Reinach nach Belieben. Die Zürcherinnen haben 52 Punkte Vorsprung auf Schlusslicht Reinach. Und Verbands-Sportdirektor Lars Weibel ist noch nicht einmal sicher, ob die Stelle von Daniela Diaz überhaupt noch besetzt wird.

Mit Gleichberechtigung und Frauenförderung kann ein Sport auf allen Ebenen punkten. Erstaunlich, dass die Werbepartner des Verbandes nicht verlangen, dass ein Teil ihres Geldes zweckgebunden ins Frauenhockey investiert wird. Alles in allem haben wir es hier mit der grössten sportlichen, politischen und wirtschaftlichen Torheit in der Geschichte unseres Hockeys zu tun.

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