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Rückblick

Von der beschwipsten Deutschen bis zum spontanen Rücktritt – Episoden einer aussergewöhnlichen Ski-Saison

Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin haben die Saison 2022/2023 geprägt. Doch welche Figuren traten sonst noch in Aktion? Ein Rückblick mit emotionalen, skurrilen und tragischen Geschichten des vergangenen Winters.

Beschwipst an die Party

Trägt auch Stunden nach dem Rennen noch Skischuhe: die Deutsche Kira Weidle. 
Bild: Bild: Jean-Christophe Bott/EPA

Ob in der Après-Ski-Hütte oder später im TV-Studio: Marco Odermatt hatte nach seinem Weltmeistertitel in der Abfahrt Lust zu feiern. Doch nicht nur die Siegerinnen und Sieger waren in Méribel und Courchevel in Partystimmung. Das zumindest berichtete Jasmine Flury. Als die 29-Jährige im House of Switzerland ihren Weltmeistertitel feierte, sei spät am Abend auch Kira Weidle aufgetaucht. Die Deutsche war in der WM-Abfahrt Achte geworden und hatte auch Stunden später noch immer ihre Skischuhe an. Ziemlich angeheitert sei Weidle gewesen, erzählte Flury am Tag danach schmunzelnd. Man könnte auch sagen: diplomatisch. Wer nun aber einen Skandal wittert, wird enttäuscht. Selbst die für ihre Professionalität bekannte Mikaela Shiffrin gönnte sich im Après-Ski ein paar Schlückchen. Geschadet hat es ganz offensichtlich nicht: Sowohl die Amerikanerin wie auch Odermatt dominierten in der ganzen Saison beinahe nach Belieben.

Asyl für die Nachbarn

Das hätten die Österreicher auch gern: Marco Odermatt mit Manager Michael Schiendorfer im House of Switzerland in Méribel. 
Bild: Sven Thomann/Freshfocus

Apropos Feiern: Weil Swiss-Ski als einziger Verband an der Ski-WM in Frankreich eine eigenes Haus betrieb, feierten auch die Österreicherinnen und Österreicher ihre Medaillen im House of Switzerland. Und waren herzlich willkommen. Denn so gross die Rivalität auf der Piste ist, so gut ist das Verhältnis der beiden Verbände daneben. Kein Wunder, haben die Skigiganten doch ein gemeinsames Feindbild: Johan Eliasch, den Präsidenten des Internationalen Skiverband FIS. Den beiden grössten Verbänden missfällt, wie der Multimillionär den Skisport verändern will.

Eine Bromance am Chuenisbärgli

Brüder im Geiste: Atle Lie McGrath (links) und Lucas Braathen.
Bild: Bild: Jean-Christophe Bott/Keystone

Atle Lie McGrath (22) und Lucas Braathen (22) sorgten für den erfrischenden Kontrapunkt in der Odi-Mania am Chuenisbärgli. Die jungen Norweger, die beide im April 2000 zur Welt kamen, die beide dem gleichen Skiklub angehören, die beide 2021 in Adelboden spektakulär stürzten, fuhren ausgerechnet im Berner Oberland zum Doppelsieg. Es klingt wie die Handlung eines Romans, der am nächstgelegenen Kiosk aufliegt. McGrath und Braathen erschienen gemeinsam bei der Medienkonferenz in Adelboden. Beide mit einem Bier in der Hand, Braathen legte seinen Arm auf die Stuhllehne von McGrath – eine Bromance wie aus dem Bilderbuch. Der weitere Saisonverlauf war dann weniger kitschig. Atle Lie McGrath stürzte im WM-Super-G schwer und erlitt einen Kreuzbandriss. Braathen hatte eine akute Blinddarmentzündung, war aber pünktlich für den WM-Slalom wieder zurück.

Kreuzbandriss mal vier

Skirennsport, warum kannst du so grausam sein? Es gibt wohl keine Athletin, die das Skifahren so sehr liebt wie Aline Danioth aus Andermatt im Kanton Uri. Doch ausgerechnet ihr verwehrt das Schicksal diesen Traum vehement. Anfang März zog sie sich zum vierten Mal einen Kreuzbandriss zu. Ausgerechnet jetzt, wo die Weltspitze in Sichtweite war. Im WM-Slalom von Méribel wurde sie zur besten Swiss-Ski-Athletin, nur 28 Hundertstelsekunden von einer Medaille entfernt. Danioth, die Berglerin mit dem riesigen Talent, möchte irgendwann noch eine Kugel gewinnen. Die Karriere von Ivica Kostelic könnte ihr Mut machen: Der Kroate hatte ebenfalls vier Kreuzbandrisse und gewann einmal die grosse sowie fünf kleine Kristallkugeln.

Grippe nach der Busfahrt

Ist ohne Berührungsängste unterwegs: Die Italienerin Federica Brignone. 
Bild: Bild: Alessandro Trovati/AP

Nach drei von Corona geprägten Saisons mit zwei Titelkämpfen ohne Publikum genossen die Athletinnen und Athleten die Nähe zu den Fans, die den Skisport besonders macht. Ob auf dem Sessellift oder in der Gondel: Die Stars bewegen sich meist auf den gleichen Wegen wie die Touristen. Und so kommt es vor, dass plötzlich zwei Weltmeisterinnen in den öffentlichen Bus einsteigen. An der Ski-WM in Frankreich reisten Federica Brignone und Marta Bassino mitten in den Fans an den Super-G der Männer und posierten geduldig für Fotos. Dass Brignone danach mehrere Tage mit Grippe im Bett lag, kann natürlich auch andere Gründe haben. Das Risiko nahmen die beiden Italienerinnen aber bewusst in Kauf.

«Mothl» reicht es

Plant er schon das Comeback? Matthias Mayer (rechts) im Gespräch mit Teamkollege Vincent Kriechmayr.
Bild: Alessandro Trovati / AP

In der Altjahrswoche hatte er genug. Matthias Mayer, eigentlich nur «Mothl» genannt, dreifacher Olympiasieger aus Österreich, tritt spontan zurück. Nach der Besichtigung des Super-G von Bormio sagte er dem ORF-Reporter: «Es reicht mir. Ich habe den Biss nicht mehr.» Eingeweiht hatte er keinen Menschen. Die Familie nicht, die Teamkollegen nicht, den Verband genauso wenig. Es dauerte nicht lange, bis Gerüchte über einen Rücktritt vom Rücktritt die Runde machten. Beim Weltcup-Final in Andorra war der 32-Jährige zumindest wieder als Zuschauer im Zielraum dabei. Einen endgültigen Schlussstrich zog dagegen Teamkollegin Nicole Schmidhofer. Die 34-Jährige aus der Steiermark ging in Andorra ein letztes Mal auf die Piste, in Lederhosen und mit Zwergenkappe. Auch so kann man zurücktreten.

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