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Tennis, Swiss Indoors, Story Auger-Aliassime

Kaum einer verfolgt seine Tenniskarriere so akribisch wie der neue Swiss-Indoors-Champion Félix Auger-Aliassime. Der 22-jährige Kanadier ist freundlich zu allen, aber knallhart mit sich selber.

Das Bild vom stets freundlichen Kanadier mag nur ein Klischee sein, doch Félix Auger-Aliassime verkörpert es perfekt. Während sein Gegner Holger Rune vor dem Final in Basel nervös herumspringt, vergisst Auger-Aliassime nicht, dem Schiedsrichter vor dem Münzwurf pflichtbewusst erst die Hand zu schütteln. Und dann geleitet er den glücklichen Tennisfan, der den Münzwurf ausführen durfte, noch diskret zur richtigen Position für das obligate Foto.

Lange war der Kanadier auch in den Spielen - in dem Fall natürlich unfreiwillig - zu höflich. Er verlor als erst zweiter Spieler der Geschichte seine ersten acht (!) Finals auf der ATP Tour. "Manchmal war ich einfach noch nicht gut genug, manchmal habe ich schlecht gespielt, manchmal war der Druck zu gross", blickt Auger-Aliassime auf diese Zeit zurück. Missen will er sie nicht.

Dankbar für schwierige Erfahrungen

"Ich bin dankbar dafür, dass ich bereits solche schwierigen Erfahrungen machte", stellt er fest. "Daraus lernt man, das hat meine Haut dicker gemacht." In diesem Jahr hat er nun seine ersten vier Turniere gewonnen, zuletzt gleich drei in drei Wochen. Auger-Aliassime ist mittlerweile die Nummer 8 der Welt und dürfte sich die erste Qualifikation für die ATP Finals nicht mehr nehmen lassen.

Der Erfolg hat System und ist hart erarbeitet. Auger-Aliassime ist der Sohn einer franko-kanadischen Lehrerin und eines Togolesen, der im westafrikanischen Land ein Restaurant betrieb und da schon Tennisfan und -trainer war. In einem Porträt des renommierten kanadischen Magazins "Macleanis" erinnert sich Sylvain Bruneau, Coach in Québec, an seine erste Begegnung mit dem siebenjährigen Félix. "Ich sah hunderte von Sieben- bis Zehnjährigen spielen und dachte: Wer ist das?" Auger-Aliassime stach heraus. "Er war anders. Kein anderer spielte mit einer solchen Intensität, kein anderer konnte sich so konzentrieren."

Die Eltern hatten die sportliche Entwicklung von Félix und seiner älteren Schwester Malika gefördert. Nicht in erster Linie im Hinblick auf eine Profikarriere, sondern weil sie nicht wollten, dass ihre Kinder vor dem Fernseher sitzen.

Als Junior zu emotional

Heute verblüfft der 1,93 m grosse Modellathlet durch seine ausgereifte Technik mit einem hervorragenden Aufschlag als Basis, mit Spielintelligenz und vor allem seiner grossen Ruhe auf und neben dem Platz. Dem war nicht immer so. In Basel verriet Auger-Aliassime, dass er als Teenager sehr emotional war. "Dann habe ich verstanden, dass ich mehr gewinne, wenn ich immer ruhig und optimistisch bleibe." Das gilt übrigens nicht nur im Match, sondern auch im Leben. "Ich flippe nicht so schnell aus", erzählt er lächelnd. "Ich fokussiere mich auf das, was zählt."

Und was für ihn zählt, ist fast nur das Tennis. Dem ordnet er alles unter. Auger-Aliassime ist ein Produkt der aufstrebenden kanadischen Szene. Mit 14 Jahren kam er ins nationale Leistungszentrum in Montreal und unter die Fittiche seines ersten professionellen Coaches Guillaume Marx. Mit der langen Zeit in Kanada erklärt er sich auch seine aktuelle Stärke bei Indoor-Turnieren. "Bei uns ist es lange kalt, wir spielen das halbe Jahr in der Halle."

Auger-Aliassime gehörte zu den besten Junioren der Welt. Ein Schlüsselerlebnis hatte er am US Open 2016. Es war eine Zeit, als er oft noch verkrampfte. In der 2. Runde lag er im Rückstand und blickte hilfesuchend zu seinem Coach. Der blickte demonstrativ weg, einmal, zweimal. "Ich fühlte mich im Stich gelassen", erinnert sich der Kanadier. "Aber ich habe die Botschaft verstanden: Ich muss selber eine Lösung finden." Das tat er und gewann am Ende das Juniorenturnier.

Das Privileg Toni Nadal

Mittlerweile ist der Franzose Frédéric Fontang sein Hauptcoach, doch auf dieses Jahr hin holte er sich zusätzliche Hilfe. Auger-Aliassime machte eine Liste mit Wunschtrainern. Ganz oben stand Toni Nadal - und zu seiner grossen Freude sagte der Onkel und langjährige Coach von Rafael Nadal zu. Toni ist nur selten bei den Turnieren präsent, auch in Basel nicht. Aber er kommuniziert regelmässig mit Fontang und diskutierte nach dem enttäuschenden US Open - Auger-Aliassime verlor in der 2. Runde gegen die Weltnummer 53 Jack Draper - eine Stunde mit seinem Schützling. Seither gewann er 16 von 19 Partien. "Mit Toni zusammenzuarbeiten, ist ein echtes Privileg."

Neben dem Platz stets bescheiden und freundlich, hat Auger-Aliassime gelernt, schwierige Entscheide zu treffen und auf dem Court einen Killer-Instinkt entwickelt. Im nächsten Jahr wird es nun darum gehen, auch bei den Grand-Slam-Turnieren zu brillieren. (sda)

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