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Peking 2022

Mit 43 Jahren geht der Traum in Erfüllung: Der Giswiler Carlos Mäder vertritt Ghana bei den Olympischen Spielen

Carlos Mäder fährt den olympischen Riesenslalom in Peking. Nach der gescheiterten Olympiateilnahme 2018 wird damit sein Traum wahr. Für den 43-Jährigen war der Weg nach Peking lange und beschwerlich. Und auch jetzt gibt es noch Fragezeichen. 
Aufgewachsen in Giswil, wohnhaft in Luzern und schon bald in China für Ghana im Einsatz: Carlos Mäder bestreitet den Olympia-Riesenslalom.
Bild: Bild: Manuela Jans-Koch

Anfang Dezember sass Carlos Mäder, 43, auf dem Schragen seines Arztes in der St. Anna Klinik in Luzern. Mäder hatte Knieprobleme, wieder einmal. Vor drei Jahren hatte er den Meniskus und das Innenband angerissen, dazu kam ein Knorpelschaden. Und jetzt, als seine Saison richtig startete und er das Training intensivierte, traten die Beschwerden wieder auf. «Machen Sie, was Sie wollen», sagte Mäder zum Arzt. «Ich will mich einfach für Olympia qualifizieren, der Rest ist egal.»

Mäder verzichtete auf eine Operation, biss auf die Zähne und nahm eine Schmerztablette, wenn er es nicht mehr aushielt. Dieses Mal sollte ihn nichts bremsen können auf dem Weg an die Olympischen Winterspiele. Er hatte es schon einmal versucht, 2018, er verpasste das Ziel. 2019 schaffte er es dann tatsächlich bis zur Ski-Weltmeisterschaft in Are. An der WM durfte er die Qualifikation bestreiten, ins Teilnehmerfeld des Hauptrennens reichte es ihm nicht. Doch die Reise blieb ihm in bester Erinnerung. Mäder mietete mit einem Dutzend Freunden ein schwedisches Holzhaus in Are und taufte es «House of Ghana», wie ein gallisches Dorf inmitten der Ski-Grossmächte. Für die Gruppe war es ein unvergessliches Erlebnis, für ihn der Lohn für die hartnäckige Arbeit.

Carlos Mäder vor seinem «House of Ghana» bei der Ski-WM 2019. 
Bild: Jean-Christophe Bott/Keystone

Seinen Job hat er gekündet

Mäder startete sein Projekt 2017. Er wollte Ghana, das Heimatland seiner leiblichen Eltern, vertreten. Mit acht Monaten landete er als Adoptivkind in Giswil. Auf der Mörlialp lernte er Skifahren, er gehörte zum Skiklub und schaffte es in verschiedene Kader. Die Skikarriere, die er mit 38 wieder aufnahm, habe ihm Ghana nähergebracht, sagte er einmal. Die guten wie die schlechten Seiten. Nicht einfach war etwa die Korrespondenz mit den Institutionen.

«In Ghana mahlen die Mühlen einfach langsamer», sagt Mäder. Seit 2019 gibt es die Ghana Ski Association. Das helfe schon extrem, sagt er. Doch auch jetzt, wo die Qualifikation für Peking geschafft ist, gibt es noch viel Ungewissheit. Mäder hat wenig Informationen bezüglich Anreise und Ankunft. Am Dienstag will er nach China fliegen. Er sagt: «Ich hoffe einfach, dass alles klappt.»

Für seinen Traum habe er «viel Erspartes» gebraucht, sagt Mäder. 
Bild: Bild: Manuela Jans-Koch

Ohne grosse Verbände im Rücken bleibt vieles am Athleten selbst hängen. Er habe gehofft, dass der bürokratische Aufwand mit der Zeit weniger kompliziert werde, sagt Mäder. «Doch es wurde eigentlich immer komplizierter.» Im letzten Sommer hat er seinen Job im Multimedia-Bereich gekündet, um sich besser auf die Skikarriere fokussieren zu können. Finanziell bekam er Unterstützung vom IOC in Form eines olympischen Stipendiums. 18 000 Dollar jährlich wären angedacht gewesen, erhalten hat er noch nicht alles. «Viel Erspartes» habe er gebraucht, sagt er.

Doch Carlos Mäder ist kein Mensch, der bei Gegenwind aufgibt. Er nahm die Herausforderung an, er reiste nach Bosnien-Herzegowina, nach Montenegro oder Dubai und bestritt Skirennen. «Das waren immer sehr abenteuerliche Reisen. Corona hat diese ganze Kampagne natürlich komplizierter gemacht.»

Er trägt die Fahne ins Vogelnest

Mäder muss weite Wege gehen und in Teilnehmerfeldern antreten, die nicht allzu stark sind. Würde er in der Schweiz Rennen fahren, wo die Konkurrenz sehr gut ist, käme er kaum auf den nötigen FIS-Punktestand. Allzu schlecht dürfen die Rennen aber auch nicht besetzt sein, sonst kassiert sogar der Sieger Strafpunkte. Erst vor zweieinhalb Wochen erfüllte er die Qualifikationskriterien. In Peking darf er nun im Riesenslalom starten, in gut zwei Wochen findet das Rennen in Yanqing statt. Und vor allem wird er die ghanaische Flagge bei der Eröffnungszeremonie ins Olympiastadion – das ikonische Vogelnest der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron – tragen dürfen.

Mäder wird nicht allein nach Peking reisen, sondern von Marc Gehrig, seinem Trainer, begleitet. Einen Familienausflug, ein House of Ghana wird es nicht geben. Mäder wird auch sonst nicht viel mitbekommen von den Spielen. «Ausser den Skirennen dürfen wir keine Anlässe besuchen», sagt er. Wegen der Pandemie wird es viel weniger Begegnungen geben als sonst bei Winterspielen. «Es tut schon etwas weh, dass die Spiele in diesem Rahmen stattfinden. Aber ich werde es dennoch probieren, zu geniessen.»

Der Obwaldner-Ghanaer Carlos Mäder startet an Olympia in Peking.
Bild: Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 28. 01. 2022)

Eigentlich hätte Mäder mit Peking 2022 seine Skikarriere abschliessen wollen. «Das ist nicht mehr so fix,» sagt er nun und lacht. Er will erst zurücktreten, wenn er das im Kreise all seiner Freunde machen kann. Mit einem positiven Erlebnis soll es enden, etwa so wie in Are 2019.

«Bis zur Ski-WM 2023 in Courchevel will ich weitermachen. Und bis zu den Winterspielen 2026 will ich einen jungen Athleten gefunden haben, der in meine Fussstapfen treten kann.»

Und die letzten Jahre haben gezeigt: Wenn Carlos Mäder ein Ziel verfolgt, unternimmt er alles, um es zu erreichen.

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