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Tour de France

Küng dank EM-Gold mit Rückenwind

Wie im Vorjahr starten auch heuer zur Tour de France vier Schweizer: Jubilar Michael Schär (Team CCC) sowie Stefan Küng, Sébastien Reichenbach (beide Groupama) und Debütant Marc Hirschi (Sunweb).
Stefan Küng vom französischen Team Groupama-FDJ
Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Stefan Küng reiste diese Woche mit einem persönlichen Erfolgserlebnis zum Grand Départ in Nizza an. Der Thurgauer gewann am Montag in Plouay EM-Gold im Zeitfahren. "Der Titelgewinn gibt mir Rückenwind", so der 26-Jährige danach. Sein Formstand nach dem Neustart der World Tour stimmt also. Küngs Rolle für die Frankreich-Rundfahrt ist allerdings klar definiert. Im französischen Team Groupama-FDJ hat er Leader Thibaut Pinot, die grosse Hoffnung der Franzosen auf den ersten Gesamtsieg eines einheimischen Fahrers seit Bernard Hinault 1985, nach Kräften zu unterstützen. Die Dienste des starken Rollers aus Wilen bei Wil sind dabei vor allem im flachen bis leicht hügeligen Gelände gefordert.

Da sei er für Groupama "so etwas wie der Capitaine de Route", sagt Küng. Es gelte, seine Teamkollegen in diesen teils Klassiker-ähnlichen Etappen, wo zudem auch der Wind zu einem entscheidenden Faktor werden kann, zu führen. "Dort wird es mein Job sein, Thibaut ganz vorne im Feld zu halten." Im vergangenen Jahr lief bei Groupama bis am drittletzten Tour-Tag fast alles nach Plan. Dann jedoch folgte der Tiefschlag, als Pinot wegen eines Muskelfaserrisses aufgeben musste. Zu diesem Zeitpunkt lag der Gesamtdritte von 2014 an fünfter Position, nur 20 Sekunden hinter dem nachmaligen Sieger Egan Bernal aus Kolumbien. Heuer folgt der nächste Versuch, "mit Thibaut im Gesamtklassement aufs Podest zu fahren", hofft Küng.

Vierte Tour auch für Reichenbach

Es werde eine spezielle Tour, ist der Zeitfahr-Europameister überzeugt, "weil man kann während der Tour seine Angehörigen nicht treffen, auch nicht an den Ruhetagen". Dies verbietet das umfassende Tour-Schutzkonzept, ohne welches in Zeiten der Corona-Pandemie kein Radrennen ausgetragen werden könnte. Vor der Rundfahrt hat Küng ein Worst-Case-Szenario vor Augen: "Angst, oder besser Respekt, habe ich davor, dass irgend jemand vom Team positiv getestet wird und dass es plötzlich heisst, dass wir als Team das Rennen abbrechen müssen." Doch sobald die Tour "dann mal läuft, gehören die Gedanken nicht mehr Corona, sondern zu hundert Prozent dem Wettkampf".

Groupamas Pendant zu Küng im Flachen ist Sébastien Reichenbach in den Bergen. Dort gehört der 31-jährige Unterwalliser, der wie Küng zu seiner vierten Tour startet, zu Pinots "Luxus-Leibgarde". So formulierte es die französische Equipe am Mittwoch bei der Bekanntgabe des Aufgebots. Reichenbachs Fokus gehört - nach der Absage der Heim-WM in Aigle/Martigny umso mehr - in der verkürzten Saison gänzlich der Frankreich-Rundfahrt. Bei dieser stellte der Schweizer Meister in der Vergangenheit seine Qualitäten in Anstiegen schon oft unter Beweis, gerade auch in der entscheidenden letzten Tour-Woche. 2019 beendete er die Grande Boucle im 17. Gesamtrang.

Neuland für Hirschi

Marc Hirschi hingegen befährt Neuland, bestritt er doch seit seinem Übertritt zu den Profis Anfang 2019 noch nie eine grosse Rundfahrt. Wie er die strapaziösen 21 Tour-Renntage übersteht, wird auch für den jungen Berner selbst interessant zu beobachten sein. Im Höhentrainingslager im österreichischen Kühtai hat er im Juli "am 'Motor', der Grundausdauer, gearbeitet, damit ich möglichst gut durch die drei Wochen kommen werde". Dass sein Formaufbau stimmt, zeigte sich Mitte August bei der Hauptprobe zur Tour de France. Im äusserst bergigen Critérium du Dauphiné gehörte er in den letzten zwei Etappen jeweils zur Ausreissergruppe - ohne allerdings den Tagessieg erringen zu können. Doch Hirschi, ehemaliger U23-Welt- und Europameister auf der Strasse, verfügt über einen sehr guten Renninstinkt. Beim deutschen Team Sunweb, welches keinen Anwärter auf die Top-Plätze im Gesamtklassement aufgeboten hat, wird der 22-jährige Schweizer zwischendurch freie Fahrt erhalten. Er werde in der einen oder anderen Etappe "etwas versuchen. Bei uns wird jeder seine Chance erhalten."

Über viele Freiheiten darf sich auch Michael Schär freuen. Der 33-jährige Luzerner ist vom Schweizer Quartett der mit Abstand Erfahrenste. Er empfinde es als Ehre, "beim Grand Départ in Nizza und zum insgesamt zehnten Mal bei der Tour dabei zu sein". Da auch die polnische Formation CCC mit dem belgischen Leader Greg van Avermaet keinen Fahrer für den Tour-Gesamtsieg stellt, wird Schär "an vielen Tagen freie Hand haben. Da kann ich dann am Ende des Feldes fahren und Energie sparen - oder Fluchten planen." (sda)

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