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Fussball

Klopp verlässt den FC Liverpool im Sommer: «Die Tanknadel stürzt ab»

Jürgen Klopp wird den FC Liverpool am Saisonende verlassen - selbst ein Ende seiner Trainerkarriere erscheint möglich.
Jürgen Klopp verabschiedet sich von Liverpool.
Bild: Isabel Infantes / EPA

Die TV-Kamera läuft, aber nach diesem wilden Ritt von bald neun Jahren braucht Jürgen Klopp noch ein paar Sekunden. Ein unsicheres Lächeln, ein Blick nach unten, dann schafft er es, den Fans des FC Liverpool zu sagen, was ihm seit Monaten die Seele einschnürt. «Ich verlasse den Verein am Ende dieser Saison», bringt er heraus - und eine Schockwelle rast durch den englischen Fussball.

Jürgen Klopp ist zutiefst erschöpft, daran lässt er keinerlei Zweifel. Er fühle sich ausgebrannt, habe «schon zu lange kein normales Leben», er giesst seine Gefühle in ein starkes Bild. «So habe ich versucht, das meiner Ulla zu erklären», sagt er: «Ich bin immer noch ein gepflegter Sportwagen, nicht der beste, aber ein guter. Ich kann immer noch 160, 170, 180 Meilen pro Stunde fahren - aber ich bin der Einzige, der sieht, wie die Tanknadel abstürzt.» Deshalb sei es Zeit, die Bremse zu treten.

Eine Karriere im Vollgas-Tempo

Der 56-Jährige ist noch nie mit Halbgas gefahren. Schon in sieben Jahren beim FSV Mainz 05 und weiteren sieben bei Borussia Dortmund peitschte der Meistertrainer seine Spieler und sich selbst an alle Grenzen, mit hohem Einsatz und maximaler Leidenschaft. «Ich habe ganz hohen Respekt vor dieser Entscheidung», sagt BVB-Chef Hans-Joachim Watzke. «Das zeigt einmal mehr, dass Jürgen aussergewöhnlich ist.»

2015 hatte sich Klopp als «The Normal One» bei den traditionsbeladenen Reds vorgestellt, quasi als Gegenentwurf zum egozentrischen Jose Mourinho. «Ich bin auch heute noch ein normaler Kerl», sagte er nun, «aber ich möchte nicht warten, bis ich zu alt für ein normales Leben bin. Ich hatte noch nie eines - ich will es zumindest mal ausprobieren.»

«The Normal One»: Jürgen Klopp ist in Liverpool äusserst beliebt. 
Bild: Adam Vaughan / EPA

Die ewig blubbernden Spekulationen über einen baldigen Wechsel ins Amt des Bundestrainers sollten sich erledigt haben, obwohl Julian Nagelsmanns Vertrag vorerst nur bis zur Heim-EM im Sommer läuft. Denn alles hört sich danach an, dass Klopp eine längere Pause einlegen wird. Selbst sein Karriereende erscheint möglich. Er werde, betonte er, mindestens ein Jahr lang «keinen Verein und keine Nationalmannschaft» übernehmen.

«Mir geht die Energie aus», betonte er: «Wenn man mich fragt, ob ich jemals wieder als Trainer arbeiten werde, würde ich jetzt Nein sagen. Aber ich weiss ja nicht, wie sich das anfühlt.» Nach seiner BVB-Zeit hatte er bis zur Unterschrift in Liverpool im Oktober 2015 etwas mehr als vier Monate pausiert.

«Ich liebe alles an diesem Verein»

An der legendären Anfield Road haben sie Klopp dann sofort ins Herz geschlossen. Seine Art kam an, seine dreifache Faust nach Siegen wurde ein Markenzeichen, Klopp traf den Ton: auch im Umgang mit erkrankten Fans oder der schweren historischen Belastung der Toten der Stadionkatastrophe von Hillsborough. «Ich liebe absolut alles an diesem Verein, an dieser Stadt, und ich liebe euch Fans», sagte er in seinem Abschiedsvideo. Am Nachmittag will er sich zudem in einer Pressekonferenz erklären.

Der Erfolg stimmt: Jürgen Klopp herzt seine Spieler Virgil van Dijk (links) und Trent Alexander-Arnold.
Bild: Tim Keeton / EPA

Auch der Erfolg stimmte. Klopp führte Liverpool mit Powerfussball unter anderem zum Champions-League-Triumph 2019 und zum Meistertitel 2020, derzeit steht der Klub wieder an der Spitze der Premier League. «Lasst uns alles aus dieser Saison herausquetschen und dafür sorgen, dass wir irgendwann lächelnd zurückschauen können», sagte er.

Dennoch: Wie er da in seinem grauen Wollpulli im Studio des Vereinsfernsehens sass, wusste er, dass er vielen Menschen das Herz brechen würde. «Ich werde nie, nie wieder einen anderen Klub in England trainieren, zu 100 Prozent», versprach er. «Aber ich kann verstehen, dass es für viele Menschen in diesem Moment ein Schock ist, wenn man es zum ersten Mal hört.»

Man wird sich daran gewöhnen, irgendwann. Vielleicht sogar Jürgen Klopp. (SID)

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