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Jonas Omlin und die Vorfreude auf den Fussball Frankreichs: «Hier spielen andere Kaliber als in der Schweiz»

Jonas Omlin wechselte kürzlich von Basel nach Montpellier in die Ligue 1. Am Samstag steht er zum ersten Mal im Einsatz: Im Testmatch gegen Metz. Der 26-jährige Goalie spricht über seinen neuen Klub, Neymar und Mbappé.
«Bei Hertha war ich nicht erste Wahl», sagt Omlin über ein Angebot aus der Bundesliga.  (Georgios Kefalas/Keystone (Basel, 11. Juli 2020))
(Bild: Kenneth Nars / BLZ)
Zwei Saisons spielte Omlin (rechts) für den FC Basel. (Bild: Urs Lindt/Freshfocus (Basel, 5. August 2020))

Daniel Wyrsch

Daniel Wyrsch

Daniel Wyrsch

Sind die Coronamassnahmen in Frankreich noch strenger als in der Schweiz?Jonas Omlin: Wenn vier oder mehr Spieler eines Teams positiv getestet wurden, kann nicht gespielt werden. Unsere erste Partie in der Meisterschaft wurde aber nicht wegen Corona verschoben, sondern wegen der Champions-League-Teilnahme von Lyon.Wie nehmen Sie die ungewisse Situation um Corona wahr?Ich vertraue den Spezialisten. Mir kommt die momentane Ausgangslage entgegen, weil ich etwas mehr Zeit habe, mich hier einzuleben. Ich bin erst seit einer Woche in Montpellier, kann seit Montag 100 Prozent mittrainieren. Die Oberschenkelverletzung ist ausgeheilt. Die Mannschaft wäre allerdings froh, wenn die Saison endlich beginnen würde. Die Vorbereitung dauert jetzt schon neun Wochen. Das erste Meisterschaftsspiel steht am nächsten Samstag in Rennes auf dem Programm.Wie sind die ersten Eindrücke des Stadions und der Trainingsanlage?Das Stadion habe ich gar noch nicht gesehen. Das Trainingsgelände liegt recht weit entfernt von der Spielstätte und ist etwas abgeschottet. Wir haben einen eigenen Komplex für die Profimannschaft mit Fitness und Wellness. Die Anlage ist sehr modern und es macht Freude, hier zu arbeiten.Schaut man Montpelliers Kaderliste an, ist in unseren Breitengraden nur der Name Omlin geläufig.Das rührt daher, dass in der Deutschschweiz die Aufmerksamkeit auf die Bundesliga gerichtet ist. Wir haben eine coole Mannschaft mit guten Spielern, die einen technisch versierten und schnellen Fussball spielen. Ich bin als Torhüter gefordert und werde in nächster Zeit sicher auch sportlich Fortschritte machen.Haben Sie und Ihre Partnerin Janice die Stadt und Umgebung bereits etwas kennen gelernt?Derzeit wohnen wir noch im Hotel direkt am Meer. Die Umgebung gefällt uns sehr. Es ist alles noch sehr neu. Auch die Stadt, die 15 Minuten vom Meer entfernt liegt, ist schön. Montpellier ist keine grosse Stadt, aber sie hat Charme und bietet alles, was man braucht: moderne Läden, gute Restaurants. Die Stadt hat einen modernen Teil und eine Altstadt, sie ist abwechslungsreich und hat Lebensqualität. Janice und ich suchen uns nun ein Haus, wo wir uns zurückziehen können, Privatsphäre und Sicherheit haben.Sind Sie im Team bereits angekommen?Die Mitspieler sind cool, in der Mannschaft und im ganzen Verein herrscht eine ausgesprochen familiäre Atmosphäre. In bin sehr gut aufgenommen worden. Natürlich kenne ich noch nicht alle Namen, aber es wird jeden Tag besser – und ich kann besser kommunizieren.Offensichtlich fällt es Ihnen leicht, sich auf Französisch zu verständigen.Ich habe selber gestaunt. Die Hemmschwelle ist in den ersten Gesprächen mit Sportchef Bruno Carotti gefallen. Ich verstand ihn auf Anhieb und konnte mich ausdrücken. Selbstverständlich ist die Kommunikation essenziell und vereinfacht alles.Auf Journalistenseite war man überrascht, dass Sie sich für Montpellier entschieden und nicht zu Hertha BSC oder einem anderen Bundesligaklub wechselten. Warum fiel die Wahl auf einen Ligue-1-Verein, der nicht europäisch spielt?Ich wurde mit diversen klubs in Verbindung gebracht. Ausser Montpellier gab mir kein Verein von Anfang an das Gefühl, mich unbedingt verpflichten zu wollen. Bei Hertha war ich nicht erste Wahl, sie gaben mir nicht das Gefühl, 100 Prozent von mir überzeugt zu sein. Die Verantwortlichen von Montpellier dagegen gaben sich enorm Mühe, und es ist als Spieler wichtig, dieses Interesse zu spüren. Und zu Europa: Die Mannschaft hatte bei Abbruch der vergangenen Saison einen Punkt Rückstand auf einen Europa-League-Platz. Unser Ziel ist es, in dieser Saison diesen Rang zu erreichen und in der folgenden Spielzeit international zu spielen. Das ist eine realistische Vorgabe.Wer war es, der Sie nach Montpellier holte: Präsident Laurent Nicollin, Sportdirektor Bruno Carotti oder Trainer Michel Der Zakarian?Bereits nach dem ersten Gespräch mit Sportchef Bruno Carotti war ich begeistert. Zwei Wochen später fuhr ich nach Montpellier, wir trafen uns zum Nachtessen. Es erschienen gleich alle drei – der Präsident, der Sportchef und der Trainer. Das ist alles andere als selbstverständlich. Carotti und Der Zakarian hatten früher zusammen Fussball gespielt, Laurent Nicollin kennt die beiden auch schon seit 25 Jahren, da bereits sein Vater Louis Nicollin Präsident von Montpellier war. Im Klub herrscht Ruhe und Harmonie, das schätze ich sehr und ist mir extrem wichtig.Haben Sie eine Stammplatzgarantie bekommen?Nein, eine solche Zusicherung für die klare Nummer 1 hat es nie gegeben. Im Fussball wird einem nichts geschenkt. Ich habe zwei junge und ambitionierte Konkurrenten mit Potenzial. Ich muss meine Leistung bringen, um von Anfang an im Tor zu stehen.Was haben Sie für Reaktionen auf den Wechsel bekommen?Sehr positive. Viele ehemalige Profis aus der Schweiz, die in der Ligue 1 spielten, gratulierten mir. Dani Gygax meinte, dass ich mich freuen könne. Auch die Nationalspieler, die 2016 an der EM mit der Schweiz in Montpellier stationiert waren, reagierten sehr angetan von der Stadt und dem Stadion.Frankreich ist das Land des aktuellen Weltmeisters, die Ligue 1 hat weltbekannte Stars wie Neymar und Mbappé von Paris Saint-Germain, selbst die Weltfussballer Ronaldo und Messi könnten zum Thema werden. Freuen Sie sich darauf?Die Liga wird von vielen unterschätzt, PSG steht im Final der Champions League, Lyon schaffte es in den Halbfinal. Ich bin nach Frankreich gekommen, um Fortschritte zu machen, hier spielen andere Kaliber als in der Schweiz. Ich kann mich mit den Grossen des Fussballs messen.Wie gehen Sie mit den 6 Millionen Euro um, die Montpellier für Sie bezahlt haben soll?Den Druck macht man sich selber. Mein Job ist es, den Ball zu halten und sauber an die Vorderleute zu spielen. Die Verantwortlichen haben mit mir den Goalie geholt, den sie wollten. Ich bin überzeugt, dass ich meine Fähigkeiten zeigen kann, sobald ich auf Touren gekommen bin.Der FC Luzern soll an der erwähnten Transfersumme mit 500'000 Franken partizipieren. Stimmt das?Ich bekomme, ehrlich gesagt, nicht viel mit. Die Ablöse von 6 Millionen Euro steht im Raum, wer wie viel davon bekommt, weiss ich nicht. Ich mag es allen gönnen, die davon etwas bekommen. (schmunzelt)Beobachten Sie den Trubel beim FC Basel aus der Ferne?Klar bekomme ich es mit, da ich mit einigen Spielern Kontakt habe. Doch als Profi sind Unruhen schwer einzuschätzen, weil man über die Vorkommnisse intern nicht informiert wird. Da fragt man sich, ob die Medien übertreiben oder ob die Dinge tatsächlich so schlimm sind.Sind Sie froh, nicht mehr in Basel zu sein?Froh ist das falsche Wort. Unruhige Phasen gehören zum Fussball, es läuft nicht immer rund. Froh bin ich, dass ich den nächsten Schritt machen kann. Doch ich hätte gerne noch ein, zwei Jahre in Basel gespielt. Ich hatte eine enorm coole Zeit beim FCB, allein wenn ich an die grandiose Kulisse denke, das lässt man nicht einfach so hinter sich.Erlebten Sie auch in Luzern positive Zeiten?Selbstverständlich ist es auch beim FCL schön gewesen. Sowohl in Luzern wie in Basel hatte ich es mit allen Spielern gut. Nach jeweils zwei Jahren habe ich immer den nächsten Schritt gehen wollen. Mein Anspruch ist es, den Weg weiterzugehen, wenn möglich Grenzen zu überschreiten. Das kann man nur, wenn man gegen die Besten spielt.Welche Geschichte aus dem Fussball werden Sie dereinst Ihren Kindern erzählen?Ich werde ihnen von meinen Erfahrungen erzählen. Ich habe zähe Phasen in Luzern und Basel durchgemacht. Wichtig ist, dass man immer vor der eigenen Haustüre wischt. Egal wie stark es draussen stürmt, will ich ein Fels in der Brandung sein und mein Gesicht wahren.
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