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Sport

Historischer Streik gegen soziale Ungerechtigkeit: US-Basketballer verweigern Playoffspiel

Das NBA-Team der Milwaukee Bucks beschert dem nordamerikanischen Sport einen denkwürdigen Tag.
Der Streik der Milwaukee Bucks hat Signalwirkung: Teams und Spieler in der NBA verzichten auf ihre Wettkämpfe. (Bild: EPA/John G. Mabanglo)
Kyle Korver und Giannis Antetokounmpo von den Milwaukee Bucks verweigerten das NBA-Playoffspiel gegen Orlando. (Getty Images
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Nicola Berger

Nicola Berger

Die Kameras liefen längst. Ein Millionenpublikum sass am Mittwoch vor den TV-Bildschirmen, um Giannis Antetokounmpo und den Milwaukee Bucks im fünften Spiel der ersten Runde der NBA-Playoffs gegen Orlando Magic zuzusehen.

Doch zum ersten Mal in der Geschichte des nordamerikanischen Profisports wurde eine Partie wegen eines Streiks aufgrund von sozialer Ungerechtigkeit nicht ausgetragen.

Streiks gehören in den grossen Ligen zum guten Ton, sie sind regelmässig zu bestaunen, aber immer in Verteilungskämpfen um Macht und Geld begründet; solchen Disputen sind wiederholt gesamte Spielzeiten zum Opfer gefallen. In der NBA etwa begann die Saison 2011/12 erst an Weihnachten, weil sich zwischen Spielergewerkschaft und Liga keine Übereinkunft fand.

Auch Sefolosha erlebte schon Polizeigewalt

Der Fall der Bucks ist anders gelagert: In der knapp 40 Autominuten von Milwaukee entfernten Kleinstadt Kenosha, Wisconsin, wurde dem Zivilisten Jacob Blake am Sonntag von Polizisten sieben Mal in den Rücken geschossen – vor den Augen seiner Kinder.

Das jüngste Vorkommnis in einer scheinbar endlosen Reihe an Fällen von Polizeigewalt löste in den USA erneut eine Protestwelle aus – und raubte nicht nur den Bucks die Illusion, dass sich die Dinge im Land zum Besseren wenden.

Ihr Spieler Sterling Brown war 2018 selber Betroffener von Polizeigewalt geworden – seine Klage auf Schadenersatz ist hängig. Dem Schweizer Basketballer Thabo Sefolosha waren 2017 vier Millionen Dollar zugesprochen worden, nachdem Polizisten ihm in New York vor einem Nachtclub das Bein brachen.

Ein niederschmetterndes Ereignis

Die Bucks und die NBA sind seit der Wiederaufnahme der Meisterschaft von Ende Juli in Orlando nicht müde geworden, auf Missstände aufmerksam zu machen. Der «Black-Lives-Matter»-Slogan prangt in dicken Lettern auf den Spielfeldern der Anlagen in Walt Disney World.

Die Spieler und die Liga haben ihre Plattformen, die klassischen und sozialen Medien, dazu genutzt, die Millionen an Zuschauern für die Problematik zu sensibilisieren. Die Ereignisse vom Sonntag in Kenosha müssen darum umso niederschmetternder gewesen sein. Doc Rivers, der schwarze Coach der Los Angeles Clippers, sagte:

«Wir lieben dieses Land. Aber dieses Land liebt uns nicht zurück.»

Rivers konnte die Tränen nicht zurückhalten.

Es ist dieses Gefühl anhaltender Ohnmacht, welches am Mittwoch zum geschichtsträchtigen Streik geführt hat. Die Weigerung, die Spiele zu bestreiten, ist Ultima Ratio. Und die unmissverständliche Botschaft der zu über 70 Prozent schwarzen NBA-Profis, dass es so nicht mehr weitergehen kann. J. R. Smith von den Los Angeles Lakers schrieb auf Instagram:

«Wenn ihr uns nicht hören wollt, könnt ihr uns jetzt eben auch nicht mehr sehen.»

Der Streik der Milwaukee Bucks hatte Signalwirkung: Auch die Fussballer der Major League Soccer bestreikten praktisch alle Spiele. Die Tennisspielerin Naomi Osaka trat nicht zu ihrem Halbfinal am WTA-Turnier von Cincinnati an, auch Partien der Baseball-Liga MLB und der Frauen-Basketball-Liga WNBA fielen aus.

Am Samstag wird weitergespielt

In der NBA war sogar die Fortsetzung der Saison in der Schwebe. Die Spieler der Clippers und Lakers, die beiden Teams aus Los Angeles, sollen sich am Mittwoch für einen Abbruch ausgesprochen haben. Die hitzigen Diskussionen fanden am Donnerstag ihre Fortsetzung, die drei anberaumten Playoff-Spiele wurden verschoben. Gestern wurde aber entschieden, dass am Samstag weitergespielt wird. Klar ist, dass die Liga und die Teambesitzer stark für eine Fortsetzung lobbyiert haben. Ein Abbruch stand schon aufgrund der Coronapandemie zur Debatte und wurde deshalb verworfen, weil er sehr viel Geld gekostet hätte.

Auch für die Spieler geht es um sehr viel Geld. Dass ihnen das zumindest für zwei Tage einerlei war und sie sich weigerten, einfach zur Tagesordnung überzugehen und launiges Sportentertainment in die Stuben des Landes zu liefern: Es spricht für diese Spielegeneration. Sie hat den Nachweis geliefert, dass sich die Dinge in der lange unpolitisch-opportunistischen NBA ändern und zum Besseren wenden können. Die Gesellschaft in den USA, das ist die Hoffnung, soll diesem Beispiel folgen.

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