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National League

Grönborg geht im Sommer – nun sind die ZSC Lions Titelfavorit Nummer 1

Rikard Grönborg hat bei Tappara Tampere einen Mehrjahresvertrag unterschrieben. Die ZSC Lions haben spätestens ab nächster Saison einen neuen Trainer. Dadurch verändert sich das Layout der laufenden Meisterschaft: Die Zürcher mutieren zum Titelfavoriten Nummer 1.

Rikard Grönborg verlässt die ZSC Lions.
Bild: Andy Mueller / freshfocus

Warum hat Rikard Grönborg beim finnischen Rekordmeister einen Mehrjahresvertrag unterschrieben? Die Frage geht an Gewährsleute in Finnland, die mit den Verhältnissen im Hockey-Universum Tampere und den Umständen der Verpflichtung von Rikard Grönborg vertraut sind.

Dort gibt es unter Wahrung der Diskretion folgende Auskunft: Rikard Grönborg habe einen Mehrjahresvertrag bekommen. Für wie viele Jahre? «Mehr als ein Jahr, aber weniger als fünf Jahre.» Warum kommt er nach Finnland und kehrt nicht nach Schweden zurück? «Weil er in Finnland netto bezahlt wird und in Schweden bei hoher Besteuerung brutto.» Verdient er beim neuen Arbeitgeber gleich viel wie in Zürich? «Nein. Wesentlich weniger. Aber die Lebenshaltungskosten sind in Finnland wesentlich tiefer als in der Schweiz.» Womit wir nun wissen: Der ZSC-Trainer muss ab der nächsten Saison in Finnland nicht darben.

Bleibt noch die Frage: Warum jetzt schon eine Vertragsunterschrift? «Weil er spürt, dass es in Zürich nicht weitergehen wird und es für ihn in der Schweiz höchstwahrscheinlich keine Zukunft gibt.» Der SCB werde vermutlich nicht schon wieder einen schwedischen Trainer verpflichten, falls das Arbeitsverhältnis mit Johan Lundskog aufgelöst werden sollte. In Zug sei ein Trainerwechsel nicht zu erwarten und Lugano setze auf Luca Gianinazzi. «Damit gibt es in der Schweiz keine lukrativen Jobs mehr für Rikard Grönborg.»

So, nun wissen wir, warum der ZSC-Trainer spätestens Ende Saison geht und seine Zukunft schon geregelt hat. Ist diese frühe Vertragsunterzeichnung gut für die ZSC Lions und gut für Rikard Grönborg? Ja, beide Seiten profitieren.

Unvollendete Ära

Die «Ära Grönborg» ist eine unvollendete: Der zweifache Weltmeistertrainer hat in Zürich bisher nichts gewonnen und die hohen Erwartungen nicht erfüllt. 2020 hat die Pandemie die Playoffs und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Titelgewinn verhindert. 2021 scheitern die ZSC Lions im Halbfinal gegen Servette und verlieren den Cupfinal auf eigenem Eis gegen den SC Bern. 2022 ereilt Rikard Grönborg die Mutter aller Niederlagen: Der Titel geht im Final nach einer 3:0-Führung doch an den EV Zug.

Es gibt in der Beziehung der ZSC Lions mit ihrem charismatischen Schweden so etwas wie ein «Missing Link». Oder noch anders ausgedrückt: Den «zündenden Funken» hat es noch nicht gegeben. Eine Mannschaft, die nominell bei weitem gut genug ist für den Titelgewinn und ein Trainer, dessen fachliche Qualifikation und natürliche Autorität nicht zur Debatte stehen, haben noch nicht zueinander gefunden. Hätten sie zueinander gefunden, hätten die Zürcher mindestens zwei Titel geholt.

Zwischen Grönborg und dem ZSC hat es bis anhin keine Liebesbeziehung gegeben.
Bild: Keystone

Bei den ZSC Lions gibt es keine Hockey-Romantik wie bei den Lakers, bei Gottéron, wie in Davos, Ambri oder Langnau. Die ZSC Lions sind eine hochprofessionelle Hockeyfirma, die sich eine der teuersten Mannschaften der Liga leistet (Manager Peter Zahner und Sportchef Sven Leuenberger verwahren sich in aller Form gegen die Behauptung, es sei die teuerste). Ans spielende Personal werden richtigerweise höchste Ansprüche gestellt. Die ZSC Lions definieren sich über den Erfolg. Aber eben nicht nur.

Die ZSC Lions unterhalten aber auch eine der besten und grössten Nachwuchsorganisationen Europas. Also wird vom Trainer verlangt, dass er Talente fördert und ihnen Eiszeit gewährt. Von einem ZSC Trainer wird die Quadratur des Kreises verlangt: maximaler Erfolg und zugleich Ausbildung der jungen Spieler. Dass Sportchef Sven Leuenberger seinen Job ernst nimmt und den Trainer tendenziell eher eng führt, entspricht verantwortungsvollem Management. Aber für eine so dominante Persönlichkeit wie Rikard Grönborg macht das die Sache nicht einfacher.

Grönborg kann nun freier agieren

Oder anders gesagt: Nun wissen beide Parteien, dass spätestens Ende Saison Schluss ist. Es ist ein Befreiungsschlag. Rikard Grönborg kann ab sofort die Anregungen oder Anweisungen des Sportchefs ignorieren und es kann ihm egal sein, ob ihn die Spieler mögen. Je mehr Mut und Chuzpe er hat, nun «sein Ding» ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten durchzuziehen und ein bisschen lauter und «böser» und in der Kabine unbeliebter zu werden, desto besser für die ZSC Lions. Autoritäre Trainerpersönlichkeiten mit Charisma, einer gesunden Prise Arroganz und einem bisweilen «sirachenden» oder doch lauten Führungsstil wie Bob Hartley und Marc Crawford waren in Zürich meistens erfolgreicher als freundliche Spielerversteher.

Nicht nur für den Trainer, auch für die Spieler ist die frühzeitige Regelung der Verhältnisse ein Befreiungsschlag. Viele mögen den Trainer nicht. Was kein schlechtes Zeichen sein muss. Allseits beliebte Trainer sind in Zürich meistens notorisch erfolglos. Die Option, dass Rikard Grönborg im Falle eines Titelgewinnes bleibt – wer boshaft ist, kann auch sagen: Die Gefahr, dass er bleibt – besteht nun definitiv nicht mehr. Die Spieler können aufatmen (oder doch einige). Der Optimist rechnet mit ein bisschen Romantik und Steigerung der Spielfreude.

Schon dreimal hat ein Trainer, der frühzeitig wusste, dass seine Amtszeit Ende Saison unabhängig vom Resultat zu Ende geht, einen Grossklub zum Titel geführt: Kent Ruhnke 2000 die ZSC Lions und 2004 den SC Bern sowie Hans Kossmann 2018 die ZSC Lions zur bisher letzten Meisterschaft. Das waren andere Zeiten bzw. etwas andere Umstände. Aber der Teamsport Hockey funktioniert in Zürich nach wie vor nach den gleichen ungeschriebenen Gesetzen.

Die frühzeitige Klärung der Trainerfrage hilft den ZSC Lions. Ja, sie führt dazu, dass die Zürcher nun Favorit Nummer 1 auf den Titel werden.

Begehrter Trainerjob in Zürich

PS: Der Trainerjob bei den ZSC Lions ist einer der begehrtesten ausserhalb der NHL. Ab sofort gehen bei Sportchef Sven Leuenberger Bewerbungen ein. Es dürften über 100 werden und darunter auch solche von NHL-Bandengenerälen. Für fundierte Spekulationen über die aussichtsreichsten Namen ist es also noch etwas zu früh. Nur so viel: Es ist zwar nicht ausgeschlossen, aber doch eher unwahrscheinlich, dass es wieder einmal eine romantische Lösung gibt und Michael Liniger, der Trainer des Farmteams (GCK Lions), so zum Cheftrainer befördert wird wie 2003 Christian Weber.

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