notifications
Kommentar

Er hatte ein langes, hoffnungsvolles Leben vor sich: Warum uns der Tod von Gino Mäder nachdenklich machen sollte

Unsere Gesellschaft dämmt Risiken mehr und mehr ein - dank wachsendem Wissen und neuen technologischen Möglichkeiten. Das zeigte sich beim Felssturz von Brienz. Doch fast gleichzeitig geschah im Radsport eine Tragödie. Sie wirft grundsätzliche Fragen auf.
Trauer und Bestürzung am Freitag an der Tour de Suisse: Gino Mäder hat seinen Sturz nicht überlebt.
Bild: Bild: Vincent Kalut / Panoramic

Als zwei Sportjournalisten unserer Redaktion einige Wochen vor der Tour de Suisse Gino Mäder trafen, berichteten sie von einem «aussergewöhnlichen und tollen Menschen». Gino Mäder sprach in dem Interview offen über seine Ambitionen und den Druck, den er spürt. Und er sagte: «Ich möchte herausfinden, ob ich leiden kann oder nicht.»

Am Freitag um 11.30 Uhr ist Gino Mäder, gerade mal 26-jährig, im Spital in Chur gestorben. Am Tag davor war er am Albula schwer gestürzt. Die Schweiz verliert ihre grösste Radsporthoffnung, seine Familie und Freunde einen Menschen, der von allen als positiv, empathisch und lebensfroh beschrieben wird. «Wir werden dein Lachen vermissen», schrieb der frühere Rad-Profi Fabian Cancellara auf Instagram.

Die Tour de Suisse war in Graubünden unterwegs, als der Unfall geschah, und im selben Kanton, in Brienz, kamen in der Nacht auf Freitag gewaltige Felsmassen ins Rutschen. Es geschah, was seit Wochen erwartet worden war: Ein Grossteil des Gesteins oberhalb des Dorfes löste sich. Dieses Risiko war lange vorher erkannt und die Bevölkerung evakuiert worden; niemand kam zu Schaden. Das hätte, ohne die wissenschaftlichen Möglichkeiten von heute, auch ganz anders herauskommen können. Nun scheint die Todesgefahr in Brienz gebannt.

Es gehört zum Fortschritt, Risiken, die das Leben bedrohen, immer besser kontrollieren zu können. Covid hat der Menschheit diesbezüglich Grenzen aufgezeigt – und zugleich klargemacht: Das heutige Wissen und die medizinischen Möglichkeiten retteten, im Vergleich zu früheren Pandemien, Millionen Leben.

Der Sport ist der Lebensbereich, in dem übermässige Risiken bewusst in Kauf genommen werden. Das weiss, wer sich auf das Abenteuer einlässt. Dennoch stellt sich beim Unfall von Gino Mäder die Frage: Warum liess man die Etappe nicht auf dem Albulapass enden? War es wirklich nötig, noch die gefährliche Abfahrt anzuhängen?

Risiken gehören zum Leben. Doch ebenso gehören der Wille und das Bemühen dazu, Tragödien zu vermeiden. Der Tod des lebensfrohen Gino Mäder sollte Anlass sein, darüber nachzudenken.

Kommentare (0)