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Rad

Doppelschlag von Jonas Vingegaard

Der Titelverteidiger der Tour de France distanziert seinen grossen Rivalen Tadej Pogacar auch auf der Königsetappe.
Der Däne Jonas Vingegaard krönte sich gestern definitiv zum Regenten dieser Tour.

Epische Bilder bot diese Königsetappe der Tour de France. Wohl noch nie, seit er Radprofi ist, zeigte sich Tadej Pogacar so müde und erschöpft wie gestern. Die Ohrhörer vom Teamfunk baumelten vor seiner schmalen Brust, die man pumpen und pumpen sah. Längst hatte er sich das Trikot aufgerissen, um besser Luft zu bekommen. Der Kopf pendelte hin und her. Nicht einmal das Hinterrad seines Teamkollegen Marc Soler konnte er noch halten.

«Ich bin fertig», sagte er noch über den Teamfunk, den das französische Fernsehen in der Direktübertragung der 17. Etappe einblendete. «Adam, kämpfe du um den dritten Platz», rief er seinem Teamkollegen Adam Yates zu. Damit hatte Pogacar auch offiziell die Waffen gestreckt im Kampf um das gelbe Trikot. Am Ende hatte er fast sechs Minuten auf den Dänen Jonas Vingegaard eingebüsst und liegt jetzt als Gesamtzweiter 7:35 Minuten zurück. Yates zumindest verteidigte Platz 3. Aber das war nur ein kleiner Trost für das Team des Slowenen.

Schon tags zuvor musste der Toursieger von 2020 und 2021 einen herben Rückschlag einstecken. Um 1:38 Minuten distanzierte ihn Vingegaard beim Chrono über 22,4 km. Es war eine Überraschung für alle. Für Vingegaard selbst: «Ich wollte den Zahlen auf meinem Powermeter kaum glauben, denn dort stand mehr, als ich erwartet hatte», gab er zu. Mit 360 Watt auf den Flachstücken hatte er gerechnet. Mit kontrolliertem Tempo trat er aber 380 Watt.

Auch Pogacar war verblüfft. «Ich brauche etwas Zeit, das zu verdauen», meinte er nach dem Chrono. «Ich habe mich zwar im zweiten Teil nicht gut gefühlt. Trotzdem bin ich recht solide gefahren und dachte, dass es okay ist. Jetzt bin ich ratlos.»

Und selbst Wout van Aert, seines Zeichens ein exzellenter Chrono-Man, wollte seinen Augen nicht trauen. Um 1:13 Minuten hatte ihn Pogacar geschlagen, um 2:51 Minuten gar Teamkollege Vingegaard. «Es war ein unglaubliches Zeitfahren von Jonas. Er war so viel schneller als ich», staunte auch er.

Als «einen vom anderen Planeten» bezeichnete ihn daher die französische Sportzeitschrift «l’Equipe». Sie zeigte Vingegaard mit seinem futuristischen Zeitfahrhelm, der an die Kopfbedeckung eines Astronauten erinnerte. Der «Ausserirdische» selbst versicherte an der Pressekonferenz, dass bei ihm alles mit rechten Dingen zugehe. Er sagte auch, er verstehe, wenn Menschen an Leistungen wie seinen zweifeln. «Ich aber nehme nichts», betonte er.

Man ist, wie so oft bei Grossleistungen im Velosport, aufs Glauben angewiesen. Jean Jacques Menuet, früherer Teamarzt beim Rennstall Arkea Samsic, sprach von Schilddrüsenmedikamenten, die im Peloton kursierten und den Organismus zu besonderen Energieleistungen befähigen können. Ob das hinter Vingegaards Leistung steckt, ist allerdings pure Spekulation.

Fakt ist, gestern versetzte er seinem Rivalen Pogacar den entscheidenden Schlag. Der Däne war an diesem Tag allerdings noch von diesem Planeten. Denn die Ausreisser des ­Tages konnte er nicht alle einfangen. Der Österreicher Felix Gall sicherte sich den Etappensieg.

Vingegaard aber krönte sich zum Regenten dieser Tour. Überlegener noch als im letzten Jahr fällt sein Sieg aus. Wertvoller ist er auch, denn er resultierte aus einem Zweikampf mit Pogacar vom allerersten Tag an. Ganz sicher allerdings ist er sich noch nicht. «So wie ich Pogacar kenne, gibt er niemals auf. Wir sind noch nicht in Paris und es gibt noch ein paar heikle Etappen», meinte er.

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