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Meinung

Darum sind Playoffs eine Chance und nicht eine Gefahr für den Schweizer Fussball

Im Mai schien das Thema beschlossen. 16 von 20 Klubs der Swiss Football League stimmten neben der Aufstockung der Super League von 10 auf 12 Teams auch der Einführung von Playoffs zu. Angeführt von FCZ-Präsident Ancillo Canepa gibt es nun eine Opposition gegen Playoffs, weshalb im November erneut über das Format abgestimmt wird.

In etlichen Fankurven Fans regt sich Widerstand gegen den Playoff-Modus.
Bild: Alessandro Della Valle / KEYSTONE

Am 20. Mai haben die Klubs der Swiss Football League mit 16 zu 4 Stimmen einer Modusänderung ab der Saison 2023/24 zugestimmt. Diese beinhaltet die Aufstockung der Super League von zehn auf zwölf Teams sowie die Einführung von Playoffs. Am Donnerstag hat FCZ-Präsident Ancillo Canepa einen Antrag für einen anderen Modus fristgerecht eingereicht. Es geht ihm wie auch vielen Fans im ganzen Land darum, die Playoffs abzuschaffen, bevor sie eingeführt worden sind. Nun werden die Klubs der Super- und Challenge-League am 11. November nochmals über das Spielformat abstimmen. Entweder 12er-Liga mit Playoffs oder, wie es Canepa, YB, St. Gallen und Luzern wollen: Eine 12er-Liga nach schottischem Modell, ohne Playoffs, aber mit wesentlich mehr Spielen.

Eine zweite Chance für Verlierer

«Ein genialer Wurf». So lautete der Titel unserer Analyse zum Playoff-Modus. Und die Argumentation? Dieses Format ist wie ein guter Krimi. Es ist unvorhersehbar. Jederzeit kann eine Wende entstehen, können sich die Bösen in die Guten verwandeln, kriegen Verlierer eine zweite Chance. Der Playoff-Modus ist spannend, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Wobei garantiert ist, dass die Geschichte erst mit der letzten Einstellung aufgelöst wird. Wir wissen also vor dem letzten Spiel der Saison nicht, wie es ausgeht. Das nennt man mal eine perfekte Dramaturgie.

Playoffs erzeugen künstliche Spannung. Das stimmt. Aber geht es in der Unterhaltungsindustrie nicht genau darum, um Spannung? Dabei dürfen wir nicht ausblenden, in welch schwierigem Marktumfeld der Schweizer Fussball sich behaupten muss. Da ist die nationale Eishockey-Liga als Konkurrent vor der eigenen Türe. Da sind aber auch die wirklich grossen Fussballklubs aus den europäischen Topligen mit ihren kickenden Publikumsmagneten. Und da sind die grossen Publikumssportarten aus den USA, die in Europa um Klickzahlen und TV-Abos buhlen. Und damit vor allem beim jungen Publikum erfolgreich sind.

Die fabelhafte Welt von Machester City ist nur ein Klick entfernt

Sicher, was das Live-Erlebnis im Stadion betrifft, hat der Schweizer Fussball in der Schweiz einen Standortvorteil. Aber die Playoff-Idee dreht weiter als zu vollen Stadien. Es geht darum, neues Publikum zu gewinnen. Einerseits die ganz Jungen, die in einer digitalisierten Welt sozialisiert werden, es gewohnt sind, mit einem Klick einem Basketballspiel in den USA zu folgen oder in die fabelhafte Welt von Manchester City einzutauchen.

Einen Superstar wie Erling Haaland wird der Schweizer Klubfussball nie bieten können. Umso wichtiger ist es, dass unser Fussball in diesem Verdrängungskampf eine Nische findet. Beispielsweise mit der spannendsten Liga Europas. Ein Fussball-Aficionado wie ich, der noch das Telefon mit der Wählscheibe kennt, braucht diesen zusätzlichen Anreiz nicht zwingend. Mich gewinnt weder der US-Sport noch verliert mich der Schweizer Fussball. Aber die Jungen und die Teilzeit-Interessierten könnten bald mal für immer wegbrechen, wenn sich der Schweizer Fussball nicht bewegt. Allein den Besitzstand über Jahrzehnte zu wahren ist unrealistisch, wenn wir auf die Revolution verzichten

Sportlich unfair? Dabei gelten auch im Playoff für alle die gleichen Regeln

Von vielen, die den Playoff-Modus bekämpfen, hört man: «Sportlich unfair.» Das mag gelten für jene, die in ihren Denkmustern gefangen sind. Auch im Eishockey gab es einen Aufschrei, als man Mitte der 80er-Jahre die Playoffs einführte. Und heute? Da regt sich keiner darüber auf, dass der SC Bern 2016 als Achter der Qualifikation den Playoff-Final gewann. Im Gegenteil. Der SC Bern verfasste eine Geschichte, die sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Aber was ist beispielsweise die Geschichte des YB-Meistertitels von 2020?

Playoffs sind nicht unfair, weil für alle die gleichen Regeln gelten. Sicher, es können sich wichtige Spieler vor einem Final verletzen. Aber das kann auch in einer regulären Meisterschaft passieren, wenn der Tabellenführer gegen den Tabellenzweiten spielt und man Monate später zum Schluss kommt, dass exakt dieses Spiel für den Ausgang entscheidend war.

Vehementer Gegner der Playoff-Idee: FCZ-Präsident Ancillo Canepa.
Bild: Claudio Thoma / freshfocus

Nun aber noch zum schottischen Modus, für den sich bis dato Canepa, YB, Luzern und St. Gallen öffentlich aussprechen. Es ist ein konventionelles Format, das punkto Spannung keinen Fortschritt zum bisherigen Modus bringt. Und es ist ein Format, das wie viele andere auch ihre Tücken und Fehler hat.

Beim schottischen Modell sind es vor allem die Anzahl Spiele. Heute in der 10er-Liga gibt es pro Saison 182 Partien. Mit dem Schotten-Modus kommt man auf 230 Partien. Das ist ein gröberes Problem. Schliesslich hat man mit dem Rechtinhaber einen laufenden Vertrag bis 2025. Wer für die Mehrkosten (Produktion) durch die zusätzlichen Spiele aufkommen soll, ist offen. Dem Playoff-Modus jedenfalls war der TV-Sender Blue nicht abgeneigt. Was er vom schottischen Modus hält, kommentiert er nicht.

Mehr Spiele, dabei muss der FCZ schon jetzt nach St. Gallen ausweichen

Aber auch die Klubs werden durch die massiv höhere Anzahl Spiele massive Probleme kriegen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass mit dem FCZ ausgerechnet ein Klub die Vorreiterrolle im Kampf für den Schotten-Modus übernimmt, der schon jetzt für Heimspiele nach St. Gallen ausweichen musste, weil der Letzigrund für Konzerte besetzt war. Aber auch Luzern konnte zu Saisonbeginn keine Heimspiele austragen, weil a) der Rasen neu verlegt werden musste und b) wegen einer 1.-August-Feier keine Bewilligung erteilt wurde. Was zur Folge hatte, dass man beim FCL über den eng getakteten Spielplan lamentierte. Und wurde das letztjährige Versagen von YB nicht auch teilweise mit der Doppelbelastung Liga/Europacup begründet? Das Schotten-Modell hat eine kürzere Winterpause zur Folge und wesentlich mehr englische Wochen als bisher. Erst recht, wenn ab 2024 die Uefa vier Wochen zusätzlich keine Meisterschaftsspiele unter der Woche erlaubt.

In dieser ganzen Gemengelage passt es vielleicht ganz gut, dass die Abstimmung über den künftigen Modus am 11.11. stattfindet. Helau Schweizer Fussball!

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