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Bestandesaufnahme

Chance und Risiko zugleich: Das Europa-Fieber des EV Zug und mögliche Begleiterscheinungen

Der EV Zug ist dem Ziel, nach den grossen Sternen am Himmel zu greifen, ein bisschen nähergekommen. Den Fokus allzu stark auf die Königsklasse zu legen, kann aber nach hinten losgehen.

Der EV Zug konnte sich gegen Mountfield HK für den Halbfinal der Champions Hockey League qualifizieren. 
Bild: Bild: Philipp Schmidli / KEYSTONE (Zug, 13. Dezember 2022)

Bei der Pressekonferenz vor dem Start der Champions Hockey League (CHL) Ende August in Zürich redete EVZ-Stürmer Peter Cehlarik nicht um den heissen Brei herum, was seine Ambitionen betrifft. Er will der skandinavischen Regentschaft ein Ende setzen. Sechsmal ging der Pokal nach Schweden, einmal nach Finnland. Der slowakische Sommer-Neuzugang, der sich bislang unter Wert geschlagen hat, ist nicht der Einzige im EVZ, der diese Haltung nach aussen vertritt.

Der Traum vom grossen Coup auf europäischer Ebene darf der EV Zug nach der verdienten Halbfinalqualifikation weiterleben. Für einmal blieb das Kollektiv, das in dieser Saison oftmals nach einem Windstoss aus der Bahn geworfen wurde, standfest und zeigte Kämpferherz sowie Nehmerqualitäten. Eine Erkenntnis: Der EV Zug lebt. In einem Spiel, in dem es hiess, «siegen oder fliegen», gingen die Spieler an ihre Grenzen und mühten sich zum Zielband. Dass die Mannschaft erst in der Verlängerung die Kohlen aus dem Feuer holte, kann als Zeichen der Stärke interpretiert werden. Die Arbeitsmoral stimmte diesmal. Zug hat das Rüstzeug und somit die Voraussetzung, die europäische Elite aufzumischen. Neun Siege und ein Remis sind der Beweis.

Das Europa-Fieber grassiert innerhalb der Mannschaft, weil die Spieler den internationalen Leistungsvergleich mögen. Das bringen die Spieler immer wieder zum Ausdruck. Gleichzeitig gibt es betreffend Begeisterung für das Format eine Divergenz zwischen Team und Publikum. Denn Teile des EVZ-Umfelds sind symptomfrei, das macht der Zuschaueraufmarsch deutlich. Am Dienstag im Viertelfinal-Rückspiel waren aber zumindest kleine Vorboten von Symptomen zu beobachten. Nach dem erstmaligen Einzug in den Halbfinal dürfte die öffentliche Wahrnehmung für den Wettbewerb zumindest ein bisschen gestärkt worden sein.

Die EVZ-Organisation freut's. Sie kann sich verstärkt im internationalen Schaufenster präsentieren. Neben CEO Patrick Lengwiler, der endlich europäisch einen grossen Wurf landen will, lebt auch Tangnes sein hohes Anspruchsdenken den Spielern vor. Mutig sein, hohe Ziele setzen, predigt der Norweger im Tagesrhythmus. Der Titel in der Königsklasse ist ein schwarzer Fleck in Tangnes’ Palmares. Es ist dieses Ruhmesblatt, das ihm noch fehlt. Nach dem Cupsieg und dem Meistertitel mit dem EV Zug hätte er auf Klubebene alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Das Vorpreschen in die Gilde der Top 4 Europas sollte einen wettbewerbsübergreifenden «Boost» geben, den das Team gut gebrauchen könnte.

Denn die körperlichen Belastungen mit mindestens zwei Halbfinalspielen inklusive Reisestrapazen sind nicht zu unterschätzen. Jedes zusätzliche Spiel bringt Kräfteverschleiss mit sich, das Verletzungsrisiko steigt unweigerlich. Bezahlt der EV Zug den Preis, weil er auf zwei Hochzeiten tanzt? Darüber lässt sich vorerst nur orakeln. Im Januar folgt ein richtiger Belastungstest mit womöglich bis zu 14 Spielen. Der EV Zug hat in der Saisonvorbereitung die Grundlagen geschaffen, um eine derartige Inanspruchnahme der mentalen und physischen Verfassung zu «überleben». Tangnes wird in Absprache mit der physiologischen und medizinischen Abteilung ein Gespür entwickeln müssen, um beim Energie-Management ein gesundes Mass zu finden.

Sich zu stark in das grosse Ziel Champions Hockey League zu versteifen, kann zum Bumerang werden. Schliesslich bleibt die National League das Kerngeschäft. Das nationale Fieber – es hat den EV Zug noch nicht erfasst.

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