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Schwyz

Waffen-Affäre: Warum wurde nicht informiert?

Der frühere Logistikchef der Kapo soll mit Waffen gehandelt haben. Viele Fragen sind noch offen. Klar ist: Die Schwyzer Behörden handelten zögerlich, kritisiert wird vom Kantonsrat die Informationspolitik. Der Ruf nach einer PUK wird laut.
In diesem beschaulichen Quartier in Einsiedeln wohnt der ehemalige Logistikchef.
Bild: Archivbild Bote der Urschweiz

Jürg Auf der Maur

Es sind happige News, die via Medien nicht nur in den Schwyzer Büros und Haushalten landeten. Auch die Kantonsräte wussten offiziell noch nichts von den Vorwürfen gegen einen 56-Jährigen Einsiedler. Dieser soll als ehemaliger Logistikchef der Kantonspolizei Schwyz im Darknet mit Waffen und Munition gehandelt haben. Er ist mittlerweile wieder auf freiem Fuss, steht aber für Medienanfragen nicht zur Verfügung.

Aufgeschreckt hat die Schwyzer Politik insbesondere auch die Art und Weise, wie der Fall bisher abgewickelt wurde. Wäre nichts im «Tages-Anzeiger» und in anderen Medien veröffentlicht worden, wüsste noch heute niemand, weshalb im Staatskalender seit Neuestem die Angaben zum Logistikchef fehlen.

Der Ausschuss der Staatswirtschaftskommission, die sich um das Sicherheitsdepartement kümmert, wurde zwar orientiert, gleichzeitig aber zum Schweigen verpflichtet. Am Dienstagabend erhielten die restlichen Mitglieder der Staatswirtschaftkommission Informationen, alle anderen Kantonsräte wurden über den Fall aber nicht ins Licht gesetzt.

Das sorgt für Ärger unter den Kantonsratsparteien. «Kommunikation via Presse geht nicht», sagt Marlen Müller, FDP-Präsidentin. Leo Camenzind, SP-Vizepräsident, findet die ganze Affäre «tragisch und katastrophal». Die Informationspolitik seitens der Regierung hält auch er für «sehr schlecht». Andere Kantonsräte machen die Faust im Sack und stören sich, dass man sie nicht unterrichtet hat.

Vieles ist noch offen und wird weiter untersucht

CVP-Präsident und Stawiko-Leiter Bruno Beeler nimmt die Regierung in Schutz. Man habe vermutlich nicht mehr sagen können, weil noch vieles nicht abgeklärt sei. Er hofft deshalb auf die kommende, bereits vereinbarte Stawiko-Sitzung und die Untersuchung durch die Finanzkontrolle, die nun zum Zug kommt. Genau so tönt es auch beim zuständigen Regierungsrat André Rüegsegger. «Weil für uns sehr viel offen war, konnten wir nicht mehr sagen.»

Unterstützung erhält er bezüglich der zurückhaltenden Informationspolitik von SVP-Präsident Roland Lutz: «Unserer Meinung nach war die Information zeitgerecht und genügend.» Zwar ist nun die Finanzkontrolle mit weiteren Untersuchungen beauftragt. Bei den Parteien – ausser der FDP – wird nicht ausgeschlossen, dass eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt werden muss.

Rüegsegger hält das in diesem Fall nicht für notwendig, der Entscheid liege aber beim Parlament. Bei der Kapo habe man bereits reagiert. «Wir haben das Vier-Augen-Prinzip in diesem sensiblen Bereich der Logistik eingeführt.» Ob es noch breiter angewendet werden müsse, würden die laufenden Untersuchungen zeigen, sagen sowohl André Rüegsegger wie auch CVP-Präsident Bruno Beeler.

«Wir haben die Informationen sorgfältig überprüft»

«Es war ein Schock im vergangenen Februar», sagt Sicherheitsdirektor André Rüegsegger. Er ärgert sich noch heute über den Fall, der nicht zuletzt die Arbeit der Schwyzer Regierung und das Image des Kantons ramponiert. Der seit 16 Jahren als Logistikchef bei der Schwyzer Kantonspolizei angestellte 56-jährige Einsiedler soll mit Waffen und Munition gehandelt haben.

Konkret: Bei einer Hausdurchsuchung eines Waffen-Fanatikers in Konstanz zeigte sich, dass einige beschlagnahmte Waffen aus dem Kanton Schwyz stammten. Die Spur führte zum langjährigen Logistikleiter der Kantonspolizei. Der zivile Kapo-Mitarbeiter war im Februar von der Bundeskriminalpolizei festgenommen und später fristlos entlassen worden. Die Bundesermittler fuhren im vergangenen Februar auch beim Schwyzer Polizeikommando vor, um das Büro des Logistikers zu durchsuchen, der für Beschaffungen aller Art zuständig war.

Dazu gehörten auch Waffen und Munition. Polizeikommandant Damian Meier erfuhr kurz vor der Razzia von der Aktion und war überrascht: «Es gab nie eine Beanstandung gegen ihn. Viele, die ihn kennen, sind aus allen Wolken gefallen», so Meier gegenüber den Medien. Mittlerweile ist die Stelle neu besetzt.

Das Polizeikommando stellte im eigenen Haus Nachforschungen an. Bis jetzt habe man keine Kenntnis davon, dass Dienstwaffen betroffen seien. Im Zuge der internen Ermittlungen stellte man jedoch Unregelmässigkeiten bei der Materialbeschaffung fest. Nach Recherchen der Zeitung sind Munitionsbestellungen im Wert von mehreren Zehntausend Franken nicht auffindbar.

Die Vorwürfe gegen den Ex-Logistiker lauten: Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz, Widerhandlung gegen das Waffengesetz, Begünstigung und Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aus seinem Umfeld ist zu erfahren, dass er die Vorwürfe bestreitet. Er habe nicht mit illegalen Waffen gehandelt.

Spur zum Amoklauf 
von München

Aber der Beschuldigte sei in jenem Internet-Waffenforum aktiv gewesen, aus dem die Tatwaffe für den Amoklauf beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Jahr 2016 stammt, so die Bundesanwaltschaft. Ein 18-jähriger Attentäter erschoss damals neun Menschen und sich selbst. Kritik übt der «Tages-Anzeiger» an der Justiz. Die «Dringlichkeit und Brisanz der Sache» sei klar unterschätzt worden.

«Das stimmt nicht», wehrt sich Oberstaatsanwältin Carla Contratto. «Wir haben die uns vorliegenden Informationen laufend und sehr sorgfältig überprüft». Dabei sei abgeklärt worden, «ob beim aktuellen Wissensstand ein Verfahren oder andere Schritte eingeleitet werden mussten». Ganz wichtig sei ihr eine eingehende und umfassende Abwägung der Gefahrenlage gewesen.

In einem Rechtsstaat sei es zentral, dass ein Verfahren erst dann eingeleitet wird, wenn die Grundlagen aus rechtlicher Sicht gegeben sind. «Im ersten Kontakt haben uns die deutschen Behörden nur sehr rudimentär informiert. Sie haben aber ein Rechtshilfegesuch in Aussicht gestellt. 

Rechtshilfegesuch traf nach
zweieinhalb Monaten ein

Dieses sei dann zusammen mit den Akten zweieinhalb Monate später übergeben worden. Contratto: «Nachdem wir die ausreichend dokumentierten und nachvollziehbaren Sachverhaltschilderungen erhalten hatten, handelten wir umgehend und leiteten die
erforderlichen Massnahmen in die Wege. «Es stimmt also nicht, dass ‹weiterhin nichts in der Sache gegangen sei›». (bel/adm)

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