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Fasten Sie auch?

Sonia Kälin, Markus Halter und Tochter Lena. Aufgenommen im Februar 2022 ©David Birri

Wir sind mittendrin in der Fastenzeit. Ihr Ursprung liegt im christlichen Glauben, im vierzigtägigen Fasten von Jesus vor seiner Mission. Viele fasten jedoch auch ohne religiösen Hintergrund.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen während der offiziellen Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostersonntag fasten. Die meisten verzichten während dieser Zeit auf bestimmte Genussmittel wie Alkohol, Zigaretten oder auf Zucker. Auch ich habe schon mehrmals die Fastenzeit als Anlass genommen, etwas achtsamer den Alltag zu bestreiten, und habe dabei vollständig auf den Haushaltszucker verzichtet. Dass dies gerade in unserer Zivilisation sehr schwierig ist, liegt auf der Hand: Der weisse Zucker versteckt sich nämlich in sehr vielen Produkten: von Ketchup über Joghurt bis zu Fertigpizza und Essiggurken. Nicht, dass diese vier Nahrungsmittel täglich auf meinem Speiseplan stehen würden, aber es zeigt, dass es viel Initiative und Durchhaltewillen braucht, diese vierzig Tage erfolgreich zu meistern.

Kommt dazu, dass gerade in meiner Familie während der Fastenzeit ein Geburtstagsmarathon ansteht. Geburtstage ohne Süsses sind leider nicht gerade üblich, und es braucht Disziplin, um beim Anblick von Schoko-Muffins und Schwarzwäldertorte nicht weich zu werden, geschweige denn am eigenen Geburtstag auf das Schöggeli zu verzichten.

Ich habe es übrigens auch schon nicht geschafft, mein Vorhaben durchzuziehen. Einmal habe ich aus reiner Gewohnheit nach einer Süssigkeit gegriffen, und beim anderen Mal war die Verlockung schlicht zu gross. Vielleicht haben wir Menschen lediglich ein gewisses Kontingent an Disziplin für das gesamte Leben zur Verfügung, und meines war durch das Studium und die Sportlerzeit einfach schon aufgebraucht. Eine Ausrede musste ich schliesslich haben. Aber ich war enttäuscht von mir, sogar sehr. Diese Tatsache zeigt, dass der Zucker eben ein grosses Suchtpotenzial in sich hat und nicht zu Unrecht auch als Droge bezeichnet wird. Schliesslich wird beim Genuss von Zucker gemäss Studien das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet – darum ist der komplette Verzicht darauf nicht ganz so einfach.

Ich denke, aus nicht christlicher Sicht sollte das Ziel der Fastenzeit sein, dass wir einfach etwas mässiger sind im Umgang mit verschiedenen Alltagsdrogen und Ticks. Die vierzig Tage sind auch eine genügend lange Zeit, um bestimmte Verhaltensänderungen nicht nur zu beginnen, sondern nachhaltig ins Leben einzugliedern. Wie wäre es also mit einer Atemübung täglich? Bewusst zur Ruhe kommen, abschalten, dem Herz freien Lauf lassen? Oder konsequent zehn Minuten mehr Bewegung an der frischen Luft? Es sind oft die kleinen Veränderungen im Leben, die so viel bewirken. Zusätzlich gilt, dass jeder noch so kleine Schritt in die richtige Richtung irgendwann zielführend sein wird.

Das Schöne an der Fastenzeit: Niemand kontrolliert, niemand gibt vor. Jeder kann für sich selbst entscheiden, ob und wie er hier mitmachen möchte. Ob es nur persönliche Ziele sind oder diese der Gemeinschaft zugutekommen sollen, alles hat seinen Platz. Und: Klappt es nicht ganz, kann man ein Jahr später einfach wieder einen neuen Versuch starten.

Am besten klappt es übrigens, wenn man in einer Gruppe fastet respektive versucht, ähnliche Ziele zu erreichen. Im Austausch miteinander kann eine schwache Phase aufgefangen werden, und die Motivation ist grösser, etwas gemeinsam zu meistern, als wenn man alleine unterwegs ist.

Persönlich habe ich in der aktuellen Fastenzeit lediglich ein schwammiges Ziel formuliert, indem ich «weniger» von bestimmten Sachen essen möchte und «mehr» in bestimmtes Training investieren möchte. Der Grund? Ich war schlicht nicht bereit, als die Fastenzeit angefangen hat, irgendwie stand sie plötzlich schon vor der Tür, und ich hatte mich emotional noch gar nicht darauf vorbereitet. Ich freue mich jedoch, im nächsten Jahr wieder mit hochgekrempelten Ärmeln gut vorbereitet am Fastenstart dabei zu sein und während vierzig Tagen nicht nur auf Süsses, sondern auch auf meinen geliebten Kaffee zu verzichten. Und Sie?

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