
Für Millionen Muslime weltweit heisst es heute zum letzten Mal auf die Zähne beissen und fasten. Wenn am Abend die Sonne untergeht, endet der diesjährige Ramadan. Morgen beginnt dann das Fest des Fastenbrechens, auch Zuckerfest genannt. Das vierwöchige Fasten beeinflusst den Arbeitsalltag der Menschen – und somit die Wirtschaft.
Die Schweizer Handelsförderungsorganisation Osec kennt die Besonderheiten der Fastenzeit: «Wir merken, dass alles etwas länger dauert. Die Behörden schliessen früher und teilweise bekommt man nicht oder erst viel später eine Rückmeldung auf eine Anfrage», sagt Suhail el Obeid, Osec-Berater für den Mittleren Osten und Afrika. Man könne sich aber gut auf diese Zeit einstellen und informiere die Kunden – Schweizer KMU – dementsprechend, so el Obeid weiter.
Der Ramadan kurbelt die Preise an
Im letzten Jahr publizierte das Forschungs- und Beratungsunternehmen Dinar Standard eine Studie über die Produktivität während des Ramadans. Die Gesellschaft mit Sitz in New York ist spezialisiert auf muslimische Entwicklungsmärkte und kommt in der Untersuchung zum Schluss, dass in den Ländern, in denen der Ramadan konsequent befolgt wird, ein wirtschaftlicher Negativeffekt entsteht. Dinar Standard schätzt, dass das monatliche Bruttoinlandprodukt eines Landes rund vier Prozent abnimmt, wenn die Menschen täglich eine Stunde weniger arbeiten.
In vielen Ländern mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit wird während der Fastenzeit die Anzahl Arbeitsstunden auf Geheiss der Regierung reduziert. In Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien beispielsweise beträgt die Reduktion für den Privatsektor zwei Stunden. In anderen muslimischen Staaten wie Malaysia, Indonesien oder der Türkei wird es in der Privatwirtschaft den Arbeitgebern überlassen, ob sie die Arbeitszeiten reduzieren wollen. Die malaysischen und indonesischen Behörden gehen aber eine Stunde früher in den Feierabend. In der Türkei müssen die Beamten wie gehabt arbeiten.
Festessen und Geschenke
Neben diesen negativen Einflüssen auf die Produktivität führt der Ramadan – auf den ersten Blick erstaunlich – auch zu höheren Lebensmittelpreisen und inflationären Tendenzen. Ein Marktbeobachter einer Schweizer Grossbank erklärt diesen «Ramadan-Effekt» folgendermassen: «Die Menschen essen an den Ramadan-Abenden in grossen Mengen und nur das Beste. Es ist so, als hätten sie jeden Tag Weihnachten.» Paradoxerweise wird während der Fastenzeit also mehr Geld für Nahrung ausgegeben als sonst. Die Bank of America schrieb in Bezug darauf am 10. Juli dieses Jahres in einer Prognose für Ägypten: «Die Inflation wird in den Sommermonaten wahrscheinlich ansteigen, weil der Ramadan die Nahrungsmittelpreise in die Höhe treibt.»
Der Detailhandel profitiert vor allem vom am Sonntag anstehenden Ramadanfest. An diesem sind Geschenke üblich. Der Zeitraum ist von der Wichtigkeit her deshalb vergleichbar mit der Adventszeit in christlich geprägten Ländern. Auch an den Aktienmärkten soll der Ramadan gemäss einer Studie aus dem Jahr 2009 nicht spurlos vorbeigehen. Die Untersuchung durchgeführt haben Vertreter der Universitäten von Canterbury, New Hampshire und Leicester. Die Verfasser kommen zum Schluss, dass die Märkte während der Fastenzeit weniger volatil seien als gewöhnlich. Die Gewinne hingegen seien in der Vergangenheit – in den meisten Fällen – höher ausgefallen. Untersucht wurden zwischen 1989 und 2007 14 muslimisch dominierte Länder. In 11 dieser Länder seien die Börsengewinne während des Ramadans gestiegen.