Roman Huber
Gemeindeammann Theo Wenger stellt die Kernfrage, die sich alle Gemeinden eigentlich stellen müsste: «Wie wollen wir mit Strukturen von gestern die Probleme von morgen lösen, wenn wir schon heute überfordert sind?» Vor rund 125 Jahren hat sich der mit beginnender Industrialisierung boommende Ortsteil Turgi von Gebenstorf abgelöst. Jetzt will sich die Gemeinde der Stadt Baden zuwenden. Der Gemeinderat hat beschlossen, die Verhandlungen mit dem Stadtrat Baden über einen Zusammenschluss aufzunehmen, wobei man sich einen grosszügigen Zeithorizont geben will. Dieser Entschluss fiel aufgrund der Ergebnisse, welche die Arbeitsgruppe «Zukunft Turgi» erarbeitet hatte. Wenger: «In der Arbeitsgruppe war der Gemeinderat gut vertreten. Wir haben alle möglichen Varianten gründlich geprüft.»
Finanzieller Spielraum ist eng
Bereits die Finanzplanungskommission hat erkannt, dass der Gestaltungsspielraum der Gemeinde Turgi noch kleiner werden dürfte. Mit einem Pro-Kopf-Steuerertrag von 1900 Franken liegt Turgi mit Neuenhof, Wohlenschwil und Künten am Schwanz der Bezirksrangliste. Gewichtiger sei die Erkenntnis, dass man deutlich hinter den umliegenden Gemeinden liege, erklärt Gemeindeammann Theo Wenger. Hätte Turgis Bevölkerung die Steuerkraft von Gebenstorf, so wäre der Jahresertrag um 1 Mio. Franken höher.
Baden - Turgi: Die Stärken
Baden Stärken
- gute Grösse
- starker Finanzhaushalt
- sehr attraktiver Steuerfuss
- schlagkräftige Firmen, viele interessante Arbeitsplätze
- viel Entwicklungspotenzial
- aufgeschlossene Bevölkerung
- faire, grosszügige Behörden
- hoher Bekanntheitsgrad und vorzügliches Image
- regionale, kantonale, nationale Ausstrahlung
Turgis Stärken
- Standort, Nähe Baden
- natürliche Umgebung
- Dorfbild (Wakker-Preis)
- Grundversorgung im Dorf
- Bildungsangebot
- Verkehrserschliessung (öV)
- Wohn- und Lebensqualität
Das finanzielle Bild wird sich kaum ändern, denn die gebundenen Ausgaben der Gemeinden wie für den öffentlichen Verkehr werden in Zukunft weiter ansteigen. Der Gemeinde Turgi kommt lediglich zugute, dass Gemeindebauten und Infrastruktur weitgehend saniert und intakt sind.
Wenger wie auch Finanzvorsteher Anton Burgener weisen darauf hin, dass der Finanzhaushalt im jetzigen Zeitpunkt durchaus gesund ist. Die per 2010 befürchtete Steuerfusserhöhung von 113 auf 115% konnte jedenfalls fürs Erste abgewendet werden. Selbst bei einem Alleingang könnte man die notwendigen Aufgaben finanziell bewältigen, geht laut Burgener aus dem Finanzplan hervor. Allerdings sind hier unvorhergesehene oder steigende gebundene Ausgaben nicht eingerechnet.
Selbstbewusst Richtung Baden
Kleine Gemeinden werden es immer schwerer haben, mit den demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen klarzukommen, sagt Jean-Claude Kleiner, externer Leiter der Arbeitsgruppe. Er sprach die zunehmende Überalterung und die abnehmende Geburtenrate an. Die Komplexität der Aufgaben, die Rekrutierung der Behörden, die fortschreitende Urbanisierung und weitere Probleme würden die Gemeinde längerfristig an ihre Leistungsgrenze bringen. Laut Kleiner dürften darum viele Gemeinden die Fusionsthematik nicht einfach unter den Tisch wischen.
Baden biete der Gemeinde Turgi am meisten Entwicklungspotenzial, sagt Wenger. Dort könne er sich einen selbstbewussten Ortsteil Turgi gut vorstellen. Die Neuorientierung soll rechtzeitig geschehen. Ein Zusammenschluss mit Gebenstorf oder/und Untersiggenthal stehe nicht zur Diskussion, erklärt Wenger, obschon man mit diesen Gemeinden viele Kooperationen eingegangen ist. Weil ein Zusammenschluss mit Baden nicht vor 2016 oder 2018 infrage komme, bleibe für diese Gemeinden genügend Zeit, Lösungen zu finden, sagt Wenger.