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Detailhandel

Jetzt soll es rund laufen: Weshalb die Migros auf den Kaffee-Kugel-Coup in Asien hofft – und Angestellte in die USA schickt

Die vor drei Jahren lancierte Innovation «Coffee B» - kompostierbare Kaffeeportionen ohne Verpackung - hatte einen harzigen Start. Nun glaubt die Migros dank neuen Deals den Dreh rauszuhaben.
Nespresso und Co. im Visier: Mit Coffee B will die Migros den Markt des portionierten Kaffees erobern - bald auch in China?
Bild: Michael Buholzer/Keystone

Vor zwölf Jahren sorgte die Migros hierzulande für Schlagzeilen, weil sie ihre Manager für eine runde Innovation in die USA schickte. Damals war der Cronut - eine Mischung zwischen Croissant und Donut - das Trendgebäck in New York. Also flogen zwei Geschäftsleitungsmitglieder der Migros-Bäckerei Jowa an die US-Ostküste, um die Süssigkeit zu testen. Zu Hause in der Schweiz wurde er dann kopiert und wurde eine Zeit lang in Take-Away-Filialen verkauft.

Der Migros-Cronut ist inzwischen Geschichte. Doch nun schickt der Detailhändler wieder Angestellte nach Amerika für eine runde Innovation. Dieses Mal ist es jedoch eine eigene: Coffee B. Diese lancierte die Migros vor drei Jahren und bezeichnete sie ohne falsche Bescheidenheit als grösste Produktinnovation in der Firmengeschichte. Denn die Kaffeekugeln kommen ohne Aluminium- oder Plastikverpackung aus und sind lediglich mit einer dünnen Alginat-Schutzschicht umhüllt. Einmal benutzt, können sie im Heimkompost entsorgt werden. Der Start war jedoch harzig, rasch wurden die Maschinen mit hohen Rabatten beworben.

Pucks statt Bälle

Allerdings: Der US-Kaffeeriese Keurig Dr. Pepper mit einem 15-Milliarden-Dollar-Jahresumsatz zeigte sogleich Interesse und verkündete mit der Migros im März 2024 eine Partnerschaft. Ein hierzulande wenig beachteter Coup. «Die Gespräche mit KDP begannen kurz nach der Lancierung von Coffee B», sagt Ralf van den Bragt, Leiter der Kaffee-Sparte bei der Migros-Industrietochter Delica, im Gespräch mit CH Media. Man berate seither den Konzern und helfe bei der Entwicklung seiner Coffee-B-Adaption aus.

Keurig nennt seine Kaffee-Scheiben K-Rounds, sie gleichen von der Form her einem Hockey-Puck. Zudem sind sie um einiges grösser als die Migros-Bälle, können bis zu einem Halbliter Kaffee generieren, um die XL-Bedürfnisse der US-Kundschaft zu befriedigen. Kommendes Jahr sollen sie in den Handel kommen.

«Regelmässig reisen 2 bis 4 Teammitglieder von uns in die USA, nach Burlington», sagt van den Bragt. KDP baut dort, im US-Staat Vermont, derzeit eine neue Fabrik für die Produktion seiner Coffee Pucks. Die Fertigstellung ist für die zweite Hälfte des Jahres 2026 geplant. Und damit soll auch der Rubel rollen, beziehungsweise der Dollar: «Der Deal beinhaltet eine fixe Summe für die Beratung in der Forschungs- und Entwicklungsphase sowie später eine Umsatzbeteiligung», sagt van den Bragt. «Nordamerika könnte dann schon bald den grössten Umsatz für Coffee B bringen.» Nebst den USA hat sich KDP auch die Lizenzrechte für Kanada und Mexiko gesichert.

Die US-Antwort auf «What else?»

Van den Bragt betont, dass KDP in den USA die klare Nummer 1 sei im Geschäft mit portioniertem Kaffee, mit einem Marktanteil von über 30 Prozent. Sprich: Auf die Nespresso-Frage «What else?» haben viele Amerikaner sehr wohl eine Antwort - und sie lautet Keurig.

Der US-Konzern setze auf die nachhaltigere Lösung mit der patentierten Coffee-B-Technologie für die nächste Generation an Kaffeemaschinen, sagt der Migros-Manager. Allerdings ist dies, wie in allen Märkten wohl die grösste Herausforderung. Denn die meisten Leute behalten ihre Kaffeemaschine so lange sie läuft. Ein Umstieg auf ein anderes System benötigt also vor allem Zeit.

Die Coffee-B-Verantwortlichen denken dennoch bereits weiter: «Asien, eine Region, in der der Kaffeekonsum stetig wächst, birgt interessante Märkte für uns», sagt van den Bragt. Dazu gehöre auch China, aber nicht nur. «Wir haben derzeit in Asien eine Ausschreibung am Laufen, bei der potenzielle Partner ein Angebot für eine Coffee-B-Lizenz einreichen können.» Er gehe davon aus, dass die Migros bereits im nächsten Jahr Partnerschaften mit einer oder mehreren Kaffeefirmen vor Ort aufbauen könne, «ähnlich wie es mit Keurig Dr. Pepper in den USA gelang.»

Partnerschaft mit italienischer Kultmarke

Derweil konnte Delica zuletzt einige neue Partnerschaften mit in- und ausländischen Marken und Detailhändlern bekannt geben, bei denen die Migros-Tochter die Kugeln selbst herstellt, in ihrer Fabrik in Birsfelden BL. Dort sind zwei Produktionslinien am Laufen, die bis zu 600 Coffee-B-Kugeln pro Minute herstellen. Angeschrieben werden sie mit «Gut & Günstig» für die deutsche Edeka-Kette, «Cafèt» für den deutschen Discounter Netto, oder mit Marken Illy aus Italien, La Semeuse aus La Chaux-de-Fonds NE oder Melitta aus Deutschland. Und vor zwei Wochen berichtete CH Media über einen Deal mit einer Handelsfirma in Dubai, welche Coffee B in den Arabischen Emiraten vertreiben wird.

Vor einem Jahr sagte Illy-Chefin Cristina Scocchia im Interview, sie sei von der Migros-Idee überzeugt. «Das ist eine tolle Innovation auf dem Weg dazu, Kaffee nachhaltiger zu machen, weil die Portionen ohne Plastik- oder Aluminium-Umhüllung auskommen.» Die in Birsfelden hergestellten Illy-Bälle werden nebst in Italien und der Schweiz auch in Frankreich und Deutschland verkauft.

Coffee B in der Produktion in Birsfelden (BL)
Bild: Benjamin Weinmann

Und dennoch ist Coffee B noch lange nicht am Ziel. Zwar wurden hierzulande seit dem Start 2022 insgesamt über 160 Millionen Bälle und mehr als eine halbe Million Kaffeemaschinen verkauft. Doch hierzulande entspricht dies beim Portionen-Kaffee erst einem Marktanteil von zuletzt 2,5 Prozent. Wann Coffee B schwarze Zahlen generieren wird, ist nicht klar. Und mit dem Wegfall der M-Electronics-Filialen fehlt dem Produkt ein wichtiges Schaufenster.

Der Weg der Migros-Chügelibahn ist noch weit.

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