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Wahlen 2023

Wer beerbt wen im Ständerat? Die Parteien laufen sich warm für die nationalen Wahlen – und haben noch viel Arbeit vor sich

In etwas mehr als einem Jahr finden die nationalen Wahlen statt. Besonders spannend werden dürfte der Kampf um die frei werdenden Sitze im Ständerat. Die Parteien bringen sich schon jetzt in Position. Für keine von ihnen dürfte es einfach werden, viel eher stehen alle vor kleinen bis grösseren Baustellen.
Schon jetzt laufen Diskussionen darüber, wer die frei werdenden Sitze im Ständerat nach den Wahlen 2023 besetzen wird.
Bild: Bild: Anthony Anex / Keystone

In diesen Tagen und Wochen fallen wichtige Entscheide für die nationalen Wahlen 2023. FDP-Ständerat Ruedi Noser hat bekanntgegeben, dass er nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidiert. Mit Regine Sauter (FDP), Tiana Angelina Moser (GLP) und Balthasar Glättli (G) wollen gleich drei national bekannte Figuren den zweiten Zürcher Ständeratssitz erobern. In der Waadt wiederum duellieren sich die SP-Giganten Roger Nordmann und Pierre-Yves Maillard um die Kandidatur für die kleine Kammer. Wer gewinnt, hat intakte Chancen, nächstes Jahr für den Kanton Waadt in den Ständerat einzuziehen. Bei den Ständeratswahlen geht es um viel. Einfach werden dürfte es aber für keine Partei.

Die SP und das Alte-Männer-Problem

Nationalrätin Flavia Wasserfallen will den Sitz von Hans Stöckli übernehmen.
Bild: Bild: Keystone

Die Gruppe der SP im Ständerat ist überaltert und harrt der Erneuerung. Das dürfte für die Partei zu einer grossen Bewährungsprobe werden. Kann sie ihre acht Sitze halten oder verliert sie auch im innerlinken Duell gegen die Grünen weiter an Terrain? Nach dem Rücktritt von Christian Levrat (FR) hat die Partei im Laufe der Legislatur schon einen Sitz verloren, an Isabelle Chassot von der Mitte.

Nun hat im Hinblick auf die Wahlen 2023 Hans Stöckli (70) seinen Rücktritt angekündigt. Nationalrätin Flavia Wasserfallen will in seine Fussstapfen treten. Schwieriger als der Berner Sitz dürfte die Verteidigung jener von Paul Rechsteiner (SG) und Roberto Zanetti (SO) werden. Beide haben zwar noch nicht angekündigt, ob sie sich tatsächlich zurückziehen von der nationalen Politbühne. Doch aufgrund ihrer Amtsdauern und ihres Alters wird dies allgemein erwartet.

Die Grünen und die Bundesratsfähigkeit

Nationalrat und Parteipräsident Balthasar Glättli interessiert sich für eine Ständeratskandidatur.
Bild: Bild: Keystone

Die Grünen waren bei den Ständeratswahlen 2019 die überraschenden Sieger: Gleich fünf Sitze holten sie im Ständerat und bilden damit in dieser Legislatur zum ersten Mal eine eigene Gruppe in der kleinen Kammer. Sie sind nicht länger die Anhängsel der SP. Diese fünf Sitze gilt es mindestens zu halten, falls die Grünen ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz nach den Wahlen 2023 wieder geltend machen wollen. Denn eine Partei ohne starke Basis in der kleinen Kammer hat es schwer im Rennen um die Bundesratssitze.

Offen ist bei den Grünen, ob die Waadtländerin Adèle Thorens wieder antritt. Ohne sie, dürfte die Verteidigung des Ständeratssitzes schwierig werden. Zumal die SP mit Maillard oder Nordmann antreten wird. Welch hohe Priorität die Ständeratswahlen für die Grünen haben, zeigt sich auch in Zürich: Dort will Parteipräsident Balthasar Glättli gleich selbst antreten.

Die GLP und die Majorzfähigkeit

Tiana Angelina Moser will für den Kanton Zürich in den Ständerat.
Bild: Bild: Keystone

Es ist halt nun mal so: Wer in Bundesbern richtig ernst genommen werden will, muss nicht nur im Nationalrat stark sein. Sondern auch im Ständerat. Die GLP ist in der kleinen Kammer nicht vertreten, was für die Partei ein strategischer Nachteil ist. Das zeigt sich aktuell etwa bei der Reform der beruflichen Vorsorge. In der grossen Kammer versucht sich die Partei als Kompromisssucherin zu etablieren, in der kleinen Kammer ist sie zur Zuschauerin verdammt.

Die GLP will sich keinem Lager zuschreiben, also weder links noch rechts. Diese Positionierung ist in Majorzwahlen ein Nachteil. Die Partei hat Mühe bei Regierungsratswahlen, aber auch bei Ständeratswahlen. In Zürich hofft die Partei nun, mit Fraktionschefin Tiana Angelina Moser (43) einen Sitz im Ständerat zu erobern. Würde der Kanton Zürich künftig eine GLP-Vertreterin statt eine FDPlerin in den Ständerat schicken, hätte dies eine grosse symbolische Bedeutung. Der stolze Zürcher Freisinn weiss um die Gefahr des Sitzverlustes.

In einem grossen Interview in der NZZ stellte der abtretende Ständerat Noser dar, weshalb der Kanton Zürich mit einer GLP-Ständerätin verlieren würde: «Sollte der Kanton Zürich eine grünliberale Einzelmaske nach Bern schicken, hätte er keine Mehrheitsposition mehr.»

Dem Vernehmen nach will die GLP bei den Wahlen 2023 zwei Ständeratssitze erobern. Nebst Zürich hat die Partei offenbar auch einen Sitz in einem kleineren Kanton budgetiert. In einem kleineren Kanton ist es einfacher für kleinere Parteien mit einer respektierten Persönlichkeit zu reüssieren. Der Grüne Mathias Zopfi hat dies 2019 beispielhaft gezeigt.

Die Mitte kann fast nur verlieren

Brigitte Häberli-Koller wird im Dezember zur Ständeratspräsidentin gewählt.
Bild: Bild: Keystone

Die Mitte-Partei von Gerhard Pfister ist eine Macht im Ständerat: Mit 14 Vertreterinnen und Vertretern ist sie die grösste Gruppe und sie kann Mehrheiten machen mit links oder mit rechts. Diese starke Position in der kleinen Kammer schützt die Partei auch vor Angriffen auf ihren einzigen Bundesratssitz. Die Partei kann also (fast) nur verlieren. 14 Sitze – in dieser Legislatur kam noch derjenige von Isabelle Chassot dazu – sind viel.

Allerdings: Die Truppe ist weniger überaltert als bei der SP und konnte sich bei den letzten Wahlen stark erneuern. Die Amtsältesten politisieren seit 2011 in der kleinen Kammer. Es sind dies Pirmin Bischof (SO), Stefan Engler (GR) und Brigitte Häberli-Koller (TG). Letztere wird im Dezember zur Ständeratspräsidentin gewählt: Es wird damit gerechnet, dass sie nicht mehr antritt 2023. Hingegen will es Bischof offenbar nochmals wissen. Noser sagte in der NZZ: «Es verträgt im Ständerat nicht zu viele Silberrücken.» Von solchen Sätzen lässt sich Bischof nicht beeindrucken.

Die FDP und die Frauen

Die einzige FDP-Frau im Ständerat: Johanna Gapany.
Bild: Bild: Keystone

Mit 12 Sitzen sind die Freisinnigen in einer komfortablen Situation im Ständerat. Anspruchsvoll wird sicher die Verteidigung des Zürcher Sitzes von Ruedi Noser. In der Waadt wiederum wird über den Rücktritt von Olivier Français gemunkelt. Français wurde 2015 überraschend in die kleine Kammer gewählt. Allerdings gibt es für die Freisinnigen auch Chancen. Etwa im Kanton St.Gallen, falls SP-Urgestein Paul Rechsteiner tatsächlich nicht mehr antreten sollte.

Besonders im Fokus steht bei der FDP die Frauenfrage. Mit Johanna Gapany (FR) gibt es aktuell nur eine Freisinnige Ständerätin. Das war nicht immer so: Einst waren die FDP Frauen im Ständerat eine Macht. Sie haben sich nun zum Ziel gesetzt, dass die FDP bei jeder Vakanz mit einer Frauenkandidatur antritt. So ist bereits klar, dass in Zürich die FDP versucht, mit Regine Sauter den Sitz in der kleinen Kammer zu verteidigen. In der Waadt hat sich bereits Nationalrätin Jacqueline de Quattro in Stellung gebracht und in St.Gallen wiederum wird Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher eine Kandidatur zugetraut.

Die SVP und ihr Sorgenkind

Alex Kuprecht hat bereits bekanntgegeben, dass er 2023 nicht mehr antritt.
Bild: Bild: Keystone

Der Sturm aufs Stöckli, das war einmal: Die SVP spuckt keine grossen Töne mehr. Um so erfolgreicher war sie 2019. Mit Marco Chiesa (TI), Werner Salzmann (BE) und Hansjörg Knecht (AG) eroberte die grösste Partei des Landes drei zusätzliche Sitze im Ständerat. Das war ein grosser Erfolg. Dennoch steht die Partei vor einer Herausforderung – denn die Gruppe ist ähnlich überaltert wie diejenige der SP. Bereits ist klar, dass Alex Kuprecht (SZ) nicht mehr antritt. Nationalrat Pirmin Schwander will ihn beerben.

Allerdings ist Schwander deutlich rechter positioniert als Kuprecht – andere Parteien wittern Morgenluft. Mit Hannes Germann (SH) stellt die SVP auch den amtsältesten Ständerat überhaupt. Doch auch er will nochmals antreten – und bewegt sich neuerdings deswegen gar in den sozialen Medien wie Twitter. Offen ist, ob der Unabhängige Thomas Minder, Vater der Abzocker-Initiative, wieder antritt. Minder politisiert auch bereits seit 2011 im Ständerat. Aktuell stellt die SVP sieben Ständeräte. Angesichts ihres grossen Wähleranteils ein bescheidenes Trüppchen.