Das Risiko ist zu gross, zusammen mit jenen notorischen Polit-Hooligans zu marschieren, welchen zum Randalieren jeder Anlass recht ist. So schrumpfen die Protestzüge in Zürich, Bern, Genf oder Davos mit jedem Jahr, während sich Polizei und WEF-Gegner gegenseitig bezichtigen, die Gewalt anzuheizen.
Was sich sonst noch regt an Widerstand gegen das WEF, ist teilweise nur noch schwer erkennbar. Während am Samstag verhinderte Demonstranten noch in den Arrestzellen der Berner Kantonspolizei schmorten, stylte sich das Partyvolk schon für die Tour de Lorraine: In über einem Dutzend Berner Lokalen spielten Bands und DJs auf. Das Festival hatte einst zur Mobilisierung gegen das WEF gedient. Heute läuft es unter dem eher allgemeinen kapitalismuskritischen Motto «Wachstumswahnsinn loswerden». Der Hinweis auf das WEF fehlt sowohl auf dem Flyer wie auch in den Statuten des veranstaltenden Vereins.
Unentwegt ist dagegen die lokale Linke, die auch dieses Jahr wieder in Davos demonstrieren will. Auf einen Protestmarsch haben die Veranstalter von sich aus verzichtet.
Nur einige Dutzend Aktivisten
Dafür, dass die Zahl der Demonstranten überschaubar bleibt, sorgen auch dieses Jahr der Zaun in Fideris und ein Grossaufgebot der Polizei. Mit den paar Dutzend explizit friedlichen Aktivisten der «Occupy WEF»-Bewegung, die in Davos in einem Iglu-Camp hausen wollen, dürften die Hundertschaften der Polizei ebenfalls noch fertig werden.
So harmlos ist es rund um das WEF nicht immer zugegangen. Im Jahr 2000 kam es während des Besuchs von US-Präsident Bill Clinton in Davos zu wüsten Szenen. Im Jahr darauf lieferten sich Polizei und WEF-Gegner in Landquart und Zürich Strassenschlachten. Darauf riegelten Polizei und Militär Davos weitgehend ab. Die Proteste verlagerten sich in die Städte des Unterlandes, deren Strassen danach jeweils von Glasscherben und Gummischrot übersät waren. Ein Teil des Widerstands wurde mit dem Open Forum Davos von der Strasse geholt oder domestizierte sich – wie Attac Schweiz – gleich selber.
«Unser Ansatz ist heute pragmatischer. Wir analysieren die ökonomische Situation und leiten daraus konkrete Forderungen ab», sagte Attac-Generalsekretär Rémy Gyger auf Anfrage. Seit mehreren Jahren organisiert Attac «Das Andere Davos» als Gegenveranstaltung zum WEF. Dieses Jahr fällt der Anlass aus organisatorischen Gründen jedoch aus.
Grosse Demonstrationen sind laut Gyger nicht mehr der richtige Ansatz für Attac. «Viele Leute waren der Meinung, dass das dem Anliegen eher schadet», sagte er. Auch Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und private Bedenkenträger meiden die Demonstrationen inzwischen aus diesem Grund.