Andreas Vock ist Mister Mittelstand: verheiratet, drei Kinder, zwei Autos, Reihen-Eckhaus in Obersiggenthal AG. 165 000 Franken verdienen Herr und Frau Vock. Das klingt nach schöner, heiler Welt. Kein Leben in Saus und Braus zwar, aber wenig Sorgen und eine sichere Zukunft. Doch die Realität 2010 im gutschweizerischen Mittelstand sieht anders aus. Andreas Vock sagt: «Wir machen uns Sorgen. Gefühlt ist unsere Situation heute schlechter als vor 10 Jahren.»
Andreas Vock ist Vorstandsmitglied der Arbeitnehmerorganisation Angestellte Schweiz. Diese publizierte gestern eine «Studie zur Situation des Mittelstandes» - verfasst vom Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (Bass). Fazit: Seit 1990 haben sich die Einkommen beim Mittelstand praktisch nicht verändert, während die Steuerbelastung, die Wohn- und Gesundheitskosten laufend gestiegen sind. Andreas Vocks Lohn ist seit 2005 um 1,5 Prozent gestiegen, die Krankenkassenkosten aber um 52 Prozent, auch weil seine Kinder älter, sprich teurer, wurden.
Das Budget der Familie Vock
Andreas Vock ist ein typischer Vertreter des Mittelstandes. Er arbeitet 100 Prozent als Kommunikationsmanager bei der Alstom. Seine Frau arbetiet 60 Porzent als Pfelegfachfrau. Sie haben drei Kinder zwsichen 16 und 21 Jahren, die noch zu Hause wohnen. Ihr Budget sieht so aus:
Einkommen 165 000 Fr.
Abgaben 15 000 Fr.
Hypothek, Krankenkasse 130 000 Fr.
Sparen, 3. Säule 20 000 Fr.
Ein einig Volk von Mittelständlern
Dabei ist die Schweiz ein Land des Mittelstands: 60 Prozent der Schweizer zählen zum Mittelstand. Das heisst: Einzelhaushalte mit Einkommen zwischen 49 000 und 116 000 Franken.
Alleinerziehende (ein Kind) mit Einkommen zwischen 68 250 und 109 200 Franken. Ein Paar (zwei Kinder) mit einem Einkommen zwischen 110 250 und 176 400 Franken. Zum Mittelstand gehört per Definition, wer den Lebensunterhalt selbstständig bestreitet (keine Sozialhilfe), aber trotzdem nicht vermögend ist.
Nicht arm, aber unsicher
Arm ist Familie Vock nicht. Vater Andreas kann seine Kinder unterstützen, kann mit seiner Familie in die Winterferien. Doch da sind auch viele Unsicherheiten. Vock ist 50-jährig und arbeitet bei der Alstom in Birr AG, einem Unternehmen, das am 4.Oktober den Abbau von 750 Stellen angekündigt hatte. Viel finanzieller Spielraum bleibt den Vocks nicht, bei jährlich laufenden Fixkosten von 135 000 Franken. 20 000 Franken kann Familie Vock pro Jahr sparen, immerhin. 36 Prozent des Mittelstands können gar nichts auf die Seite legen, 25 Prozent weniger als 500 Franken pro Monat. «Aber ich will nicht jammern», sagt Vock. Der Mittelstand jammert nie, aber Sorgen macht er sich mehr denn je.